Ein Gespräch mit dem Pionier der deutschen Fruchtsaftforschung
In Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine aktive Fruchtsaftforschung entwickelt. Einer der Hauptakteure ist Prof. Dr. Reinhold Carle von der Universität Hohenheim in Stuttgart. Mit den Ergebnissen seiner zahlreichen Studien beweist der angesehene Wissenschaftler, wie vielseitig Fruchtsaft in der Ernährung sein kann.
Wie lassen sich Geschmack, Vielfalt und Qualität von Fruchtsaft noch weiter verbessern? Das ist eine der zentralen Fragen, die sich Prof. Dr. Reinhold Carle von der Universität Hohenheim jeden Tag stellt. Er geht den Inhaltsstoffen von Fruchtsaft auf den Grund, erprobt neue Methoden zur Haltbarmachung und entwickelt innovative Verpackungslösungen. In Deutschland ist er führend auf dem Gebiet der Fruchtsaftforschung. Seit 1996 hat er den Lehrstuhl “Technologie und Analytik pflanzlicher Lebensmittel” inne und zählt heute zu den “Highly Cited Researchers”, den einflussreichsten Wissenschaftlern der Welt.
“Fruchtsaft fasziniert mich seit jeher, weil er eine bequeme, jederzeit verfügbare Form des Obstverzehrs darstellt und weil die Technologie dabei eine große Rolle spielt”, sagt Carle. Sensorik und Haltbarmachung der Säfte finden sein Interesse ebenso wie der gesundheitliche Wert von Fruchtsaft. “Der Erhalt der Inhaltsstoffe der Frucht steht bei der Saftherstellung immer an erster Stelle. Außerdem fragen wir uns: Bietet die flüssige Zubereitung Vorteile für die Aufnahme der Nährstoffe im Körper?” In einer viel beachteten Humanstudie gelingt ihm und seiner Arbeitsgruppe 2015 der Nachweis, dass die Bioverfügbarkeit von Carotinoiden aus Orangensaft im Vergleich zur Frucht fast doppelt so hoch ist. Carle erklärt: “Ballaststoffe können die Aufnahme von Carotinoiden verzögern. Sie sind im Orangensaft in geringerer Menge enthalten als in der Frucht. Deshalb ist die Fruchtsaft-Variante hier die günstigere.”
Orangensaft: Alles andere als in Wasser gelöster Zucker
Mit den Ergebnissen liefern die Wissenschaftler aus Hohenheim wichtige Argumente für den Verzehr von Fruchtsaft als Teil einer ausgewogenen Ernährung. “Es scheint, dass Orangensaft in den letzten Jahren nur aufgrund seines Zuckergehalts regelrecht dämonisiert worden ist. Wir wollten durch die Studie zeigen, wie komplex die Zusammensetzung von Orangensaft ist und dass er alles andere ist als Limonade bzw. in Wasser gelöster Zucker.” Neben Carotinoiden, die im Körper wichtige Funktionen als Antioxidantien und als Vorstufe von Vitamin A erfüllen, ist Orangensaft reich an Vitamin C. Er enthält dazu weitere Vitamine und Mineralstoffe sowie sekundäre Pflanzenstoffe aus der Gruppe der Flavonoide.
Neben der Fruchtsaftforschung selbst liegt es Carle am Herzen, sein Wissen weiterzugeben. Er hält Vorträge über die Qualität pflanzlicher Lebensmittel und neue Verfahren in der Lebensmitteltechnologie. Bei lokalen Veranstaltungen öffnet er seine Forschungseinrichtung auch für interessierte Laien. Außerdem ist er Mitglied im Scientific Expert Panel von “Fruit Juice Matters”, einer Initiative des europäischen Fruchtsaftsverbands (AIJN), die wissenschaftliche Informationen über Fruchtsaft für die Öffentlichkeit zugänglich macht. “Ich sehe es als unsere Pflicht als Experten an, Wissen in allgemeinverständlicher Form zu vermitteln”, sagt Carle. “Deshalb ist es mir ein Anliegen, Interessierten Informationen aus erster Hand zu bieten.”
Fruit Juice Matters, in Deutschland getragen vom Europäischen Fruchtsaftverband (AIJN) und dem Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie e.V. (VdF), ist eine europaweite Informationskampagne, die auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Beteiligung renommierter Ernährungswissenschaftler über Fruchtsaft informiert. Ziel ist es, dass alle – von Gesundheitsexpertinnen und -experten über Medien bis hin zur breiten Öffentlichkeit – über die Vorteile eines ausgewogenen Konsums von 100 Prozent Fruchtsaft im Rahmen eines gesunden Lebensstils aufgeklärt sind.
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