Freiheitsrechte und Selbstbestimmung haben hohen Wert für Menschen mit Pflegebedarf

Freiheitsrechte und Selbstbestimmung haben hohen Wert für Menschen mit Pflegebedarf

Freiheitsrechte und Selbstbestimmung haben hohen Wert für Menschen mit Pflegebedarf

(Mynewsdesk) Mitte 2015 nahm Prof. Ursel Heudorf, stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamts Frankfurt, die Gastgeberrolle für den zweiten Runden Tisch Pflege ein. Dazu eingeladen hatte der Sprecherkreis der Frankfurter Pflegeheime und 26 Personen aus Politik, Ärzteschaft und Behörden nahmen teil. Vorrangig ging es um die Frage, wie zuständige Behörden und die Stadtgesellschaft über die Freizügigkeit des Betreuungsrechts in Pflegeheimen zu informieren sind. Denn für betroffene Menschen, die in den Einrichtungen leben, ist ein selbstbestimmtes Leben – auch mit Demenz – ein vorrangiges Ziel. Das gilt sowohl im Rahmen von Rechtsstaatlichkeit als auch Inklusion.

Problem ist: Weder Polizei noch Ärzte und auch nicht die Stadtgesellschaft sind zureichend darüber informiert, dass Bewohnerinnen und Bewohner der Pflegeeinrichtungen weitgehend selbstbestimmt und frei leben können. Pflegeheime sind dadurch aber keinesfalls aus der Obhutspflicht entlassen. Sie müssen Sorge dafür tragen, dass Klienten, die sich außer Haus verirrt haben, von der Polizei gesucht werden.

„Was allen Bürgern an Grundrechten offen steht, gilt auch für Heimbewohner“, sagte Gabriele Fremdt, Teamleitern der Hessischen Betreuungs- und Pflegeaufsicht in Frankfurt während der Sitzung.

Freiheit und Selbstbestimmung achten

Das Personal in Pflegeheimen habe Würde, Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung der dort lebenden Menschen zu wahren und deren Gesundheitsversorgung zu sichern, so Fremdt. Die verfassungsgemäßen Grundrechte, die im neuen HGBP verankert sind, bilden auch die Grundlage des Prüfleitfadens, nach dem die Hessische Aufsichtsbehörde die Pflegeheime danach beurteilt,wie z. B. das Personal mit den dort lebenden Menschen umgeht. Betreuungsrichter Dietmar Cuntz hob hervor, dass Heimbewohner so frei im Haus leben könnten wie in der eigenen Wohnung. Und diese kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit verlassen. Freilich muss gesehen werden, dass Bewohner überwiegend wegen eingeschränkter gesundheitlicher Belange in den Einrichtungen leben, die ihrerseits eine Garantenstellung inne haben. Bei aller Freiheit in der stationären Pflege erfahren die Bewohner allgemeine Einschränkungen, die das Heimleben mit sich bringt.

Ordnungshüter zeigen sich verblüfft

„Könnt ihr nicht besser aufpassen?“Diese Frage stellten häufig Polizisten an das Pflegepersonal der Heime, die in der Stadt verirrte Heimbewohner aufgegriffen haben. Dazu erklärte Gabriele Fremdt, die Heimtüren dürften nicht verriegelt sein und Bewohner müssten das Haus ungehindert verlassen können – immer vorausgesetzt, dass es keine anders lautenden Beschlüsse gibt. Ein Spagat, den Heime leisten müssten. „Es ist eine Haltungsfrage, wie Einrichtungen dieses Grundrecht den Bewohnern nun ermöglichen.“Daher sei der bewusste Umgang des Heimpersonals mit Polizei, Betreuungsrichtern und Medien sehr wichtig. Um diese Lage für alle verträglich zu regeln, empfahl die Referentin, Netzwerke aufzubauen, um viele Institutionen in der Stadt darüber in Kenntnis zu setzen, wie man – auch präventiv – dieser Entwicklung begegnet.

Ärzten ist oft nicht klar, welche Aufgaben sie wahrzunehmen haben

Während des Runden Tischs Pflege wurde derFall eines 92-jährigen Heimbewohners – demenziell erkrankt und häufig alkoholisiert – vorgestellt. Sein Hausarzt habe dem Heim eines Tages mitgeteilt, der Mann sei mit aufgedrehtem Motor zur Praxis gekommen und habe ihn gefragt, wie man die Gangschaltung bediene. Er wisse es nicht mehr. Der Arzt habe dann das Heim wegen unterlassener Aufsichtspflicht angerufen. Doch dort sei durch den Vorfall überhaupt erst bekannt geworden, dass der Mann noch Auto fährt. Ein Anruf des Heimes beim Ordnungsamt und bei der Polizei ergab, dass man nichts tun könne, weil erst nachzuweisen sei, dass der Mann im angetrunkenen Zustand mit dem Auto unterwegs ist.

Was muss die Einrichtungsleitung in derartigen Fällen tun?

Eine Antwort hatte Prof. Andreas Reif, Leiter der Klinik für Psychiatrieder Johann Wolfgang Goethe-Universität, parat. Der Hausarzt habe die Aufgabe, den Patienten aufzuklären. Zeige der Patient keine Einsicht, müsse der Mediziner eine Rechtsgüterabwägung vornehmen: „Ist die Schweigepflicht das höhere Rechtsgut oder die potenzielle Fremdgefährdung Anderer durch die Teilnahme des Patienten als Autofahrer am Straßenverkehr?“ Trifft Letzteres zu, habe sich der Arzt an die entsprechende Behörde (Führerscheinstelle) zu wenden, um etwa die Prüfung der Fahrtüchtigkeit zu veranlassen. Die Diskussion zeigt, wie vielfältig das jeweils individuelle Geschehen bedacht sein will und wie hoch der Informationsbedarf aller zuständigen Verantwortlichen ist.

Personalmangel in Heimen

Zu wenig Personal ist ein Dilemma. Einerseits geht es um den Schutz der Bewohner und andererseits um deren Freizügigkeit. Die Nachtwachen der Heime -eine Person kann für bis zu 50 Bewohner zuständig sein – können von sich aus nicht auf Suche gehen. Sie haben die meist schwerstpflegebedürftigen Bewohner in der Nacht zu versorgen. In kleineren Einrichtungen ist nachts oft nur eine Pflegefachkraft zugegen. Wenn Nachtwachen die Polizei über einen fehlenden Bewohner verständigen, kann es sein, dass das Polizeirevier bessere Aufsicht anmahnt. Das gehe bis dahin, dass die Polizei im Wiederholungsfalle androhe, eine Rechnung fürs Auffinden zu schicken.

Vernetzte Lösungen auf kommunaler Ebene erzielen

Was muss passieren, dass Polizei und Pflegeheime zu einem gemeinsamen, verständnisvollenMiteinander kommen? Das Frankfurter Forum für Altenpflege hatte bereits einen Standard mit Bereitschafts- und Notärzten entwickelt, der dem Pflegepersonal hilft, zu entscheiden, welcher der beiden Dienste zu verständigen ist. Wird der Notarzt bestellt, muss der Bewohner in eine Klinik, kommt der Bereitschaftsarzt, wird die Behandlung im Heim fortgesetzt. Im zweiten Runden Tisch Pflege kam man darin überein, eine Fachgruppe einzurichten, die die Probleme praktisch und zielorientiert auf kommunaler Ebene angeht und Lösungen findet. Ziel ist es, für Polizei und Pflege einen Standard zu entwickeln, um „abgängige“ Heimbewohner möglichst rasch wiederzufinden unter Wahrung des personenbezogenen Datenschutzes. Es wird eine Gruppe aus Polizei, Heimen, Gesundheitsamt und Betreuungsrichtern gebildet, die für die Polizeireviere einen Ablauf für das Auffinden erstellen soll. Interessant auch der Hinweis, dass am Hauptbahnhof und am Flughafen die Bundespolizei die Aufsicht führt. Die dort gestrandeten Heimbewohner, für die diese Ziele ein Anziehungspunkt sind, darf diese Behörde nicht zurückbringen, sondern nimmt diese Personen unter örtlichen Gewahrsam.

Gelingt Inklusion im Pflegeheim?

Das sei ein Thema, das in Heimen noch zu wenig zum Zuge komme. Christiane Schubring, sozialpolitische Sprecherin der CDU-Franktion Frankfurt, teilte mit, dass in die Heime Integrationshelfer einbezogen werden sollten. Diese hätten die Aufgabe, die dort lebenden Menschen besser in die Hausgemeinschaft zu integrieren und für mehr Entspannung im privaten Bereich zu sorgen.

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