Karlsruhe/Berlin (DAV). Ist jemand aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage, alle seine Interessen wahrzunehmen, hat er Anspruch auf einen vom Gericht bestellten Betreuer (http://familienanwaelte-dav.de). Dies dient dem Schutz des Betroffenen und ist Ausdruck der staatlichen Wohlfahrtspflege.
Die Aufhebung der Betreuung kann nur unter bestimmten, eng gefassten Voraussetzungen erfolgen, so zum Beispiel, weil der Betreute den Kontakt absolut verweigert, stellt der Bundesgerichtshof (BGH) klar. Das teilt die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mit.
Bestellung eines Betreuers
Der 1966 geborene Mann leidet unter einer Persönlichkeitsstörung (Typ Borderline). Für ihn war bereits in der Vergangenheit einmal ein Berufsbetreuer bestellt worden. Als das nicht mehr erforderlich war, wurde die Betreuung wieder aufgehoben. Im April 2012 schlug die Klinik, in der der Mann behandelt wurde, auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin eine erneute Betreuung vor. Das Amtsgericht bestellte eine Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge, Ämtervertretung und Geltendmachung von Leistungsansprüchen aller Art.
Auf Vorschlag der Betreuungsbehörde hob es die Betreuung für den Bereich der Vermögenssorge wieder auf. Im August 2013 bat die Betreuerin um Aufhebung der Betreuung. Es fehle an der notwendigen Mitarbeit des Mannes. Eine wirkungsvolle Zusammenarbeit sei trotz großer Bemühungen nicht zu organisieren.
Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht in Dresden hoben die Betreuung auf. Dagegen legte der Mann Beschwerde ein. Er wollte erreichen, dass die Betreuung für ihn bestehen bleibt.
BGH: Anspruch bei erforderlicher Betreuung
Vor dem BGH hatte der Mann Erfolg. Sei jemand nicht in der Lage, seine Rechte wahrzunehmen, habe er Anspruch auf einen Betreuer. Die Betreuung müsse allerdings erforderlich sein, erläuterten die Richter. Daran fehle es, wenn es durch die Betreuung zu keinerlei Änderung der Situation des Betroffenen komme. Eine “Unbetreubarkeit” könne vorliegen, wenn der Betroffene jeden Kontakt mit seinem Betreuer verweigere und der Betreuer dadurch handlungsunfähig sei.
Das höchste deutsche Gericht hob aber hervor, dass eine solche Unbetreubarkeit nur unter ganz strengen Voraussetzungen gegeben sei. Dies folge daraus, dass es sich beim Betreuungsrecht um ein Institut des Erwachsenenschutzes als Ausdruck der staatlichen Wohlfahrtspflege handele. Es gehe also um die Fürsorge für den Schutzbedürftigen. Die Betroffenen sollten Hilfe bei der Erledigung ihrer rechtlichen Angelegenheiten bekommen und ihre Einschränkungen damit ausgeglichen werden.
Im Übrigen könne das Fehlen der Kooperationsbereitschaft des Betroffenen auch oft Ausdruck seiner psychischen Krankheit sein. Deshalb dürfe ihm die gesetzlich vorgesehene Hilfe gerade unter Verweis auf ein aus der Krankheit folgendes Defizit nicht versagt werden.
Der BGH rügte die Entscheidung der Vorinstanz. Ein Betreuungsgericht müsse bei schwierigen Persönlichkeiten zunächst einmal geeignete Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Betreuung schaffen. Dazu gehörten etwa auch Feststellungen zu den jeweiligen Aufgabengebieten des Betreuers. Es sei auch darüber nachzudenken, ob die Betreuerauswahl richtig erfolgt sei. Bei Betroffenen mit schwieriger Persönlichkeit müsse ein Betreuer bestellt werden, “der dieser Herausforderung mit Sachkunde und Erfahrung begegnen kann”, so das Gericht. Gegebenenfalls sei auch ein Betreuerwechsel erforderlich.
Im vorliegenden Fall sei es zunächst zu einem vielversprechendem Beginn zwischen Betreuerin und Betroffenem gekommen. Dieser wünsche auch weiter eine Betreuung. Enttäuscht hatte sich der Mann gezeigt, als er aufgrund einer Erkrankung der Betreuerin über Monate keinen Schwerbehindertenausweis erhalten konnte. Dies reichte dem BGH aus, um eine Kooperationsfähigkeit des Mannes mit einer Betreuerin nicht von vornherein auszuschließen. Es hob die Entscheidung der Vorinstanz auf.
Bundesgerichtshof am 28. Januar 2015 (AZ: XII ZB 520/14)
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