Jede dritte Frau erfährt körperliche oder sexuelle Gewalt. 12% der Befragten wurden als Kinder Opfer sexualisierter Gewalt. 59% der Frauen erleben psychische Gewalt in der Partnerschaft. Non-physische Gewalt hat ebenso schwere Folgen wie körperliche Angriffe, deren notwendigen Vorläufer sie bildet.
Forderung I: Öffentliche Aufklärung zum Abbau fataler Klischees und Präventionsarbeit in Schulen.
Forderung II: Opferschutz in der Gesetzgebung verankern, Täter zur Verantwortung ziehen.
“re-empowerment”: Die Informations- und Austauschplattform gegen häusliche Gewalt betont seit 2005 die Relevanz psychischer Gewalt und ermöglicht Betroffenen, ihr Erleben als Gewalt zu identifizieren. Diese Erkenntnis ist oft der Impulsgeber zum Einstieg in den Ausstieg. Der geförderte Austausch dient als Begleitung und Unterstützung der Beendigung von Gewaltbeziehungen. Die Privatinitiative wurde 2005 gegründet, seitdem haben sich 7000 hilfsbedürftige und ratsuchende Frauen angemeldet. 1500 Frauen nutzen die Plattform aktiv.
Hamburg, 06. März 2014. Die von der Europäischen Grundrechteagentur (FRA) publizierte Studie über geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen zeigt, dass jede dritte Frau in Europa von Gewalt betroffen ist. Die Übergriffe gehen von körperlicher Misshandlung bis hin zu sexuellen Übergriffen. Die Studie ergab auch, dass 59 Prozent der Frauen unter verbaler und psychischer Gewalt leiden.
“Diese Frauen merken oft lange nicht, dass sie von Gewalt betroffen sind”, betont Kerstin Zander, Gründerin von re-empowerment, “denn unter Gewalt stellen sich die meisten schwerste körperliche Misshandlungen vor.” Dies sei ein gefährlicher Irrglaube, so Zander. Denn verbale und psychische Gewalt sind nicht nur wegbereitende Vorboten körperlicher Gewalt, ihre Folgen sind ebenso gravierend: “Man kann einen Menschen mit Worten und Schweigen quälen und brechen.” Wie eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt, lösen soziale Verletzungen wie Beleidigungen oder absichtliches Ignorieren die gleichen chemischen Reaktionen im Gehirn aus wie körperliche Angriffe. Betroffene erdulden jahrelang Demütigungen, Erniedrigungen und Beleidigungen durch den Partner, leben in ständiger Angst und werden von Familie und Freunden isoliert.
Informations- und Austauschplattform im Internet für betroffene Frauen
2005 gründete Zander ” “re-empowerment” , den mittlerweile größten deutschsprachigen Zusammenschluss von Frauen, die von Partnerschaftsgewalt betroffen sind. Herzstück des Projekts ist eine netzbasierte, zeit- und ortsunabhängige Selbsthilfegruppe. Die Anonymität ermöglicht die Überwindung von Angst und Schamgefühlen, über Jahrzehnte aufrecht erhaltenes Schweigen wird gebrochen. Solidarität, Zuspruch und Miterleben von Erfolgsgeschichten anderer Frauen spenden Mut und motivieren zum Ausstieg aus Gewaltbeziehungen. Konkrete Hilfestellungen und emotionale Unterstützung begleiten die Einzelne auf dem Weg aus der Gewalt in ein selbstbestimmtes Leben.
“Steigende E-Mail-Anfragen und Anmeldezahlen, Seitenaufrufe unseres öffentlichen Informationsangebots, v.a. aber der seit Jahren fast täglich zu lesende Satz “Ich hätte nie gedacht, dass andere das auch erleben!”, zeigen uns, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt”, so Zander. “Viele Betroffene begreifen sich zunächst nicht als Gewaltopfer und billigen sich keinen Anspruch auf Hilfe zu. Während körperliche Gewalt meist verheimlicht wird, sprechen Frauen, die psychische Gewalt erleben, oft über die “Schwierigkeiten” in ihrer Partnerschaft. Selbst wenn Übergriffe vor Zeugen stattfinden, sind diese jedoch vielmehr peinlich berührt, als dass sie erkennen, dass sich häusliche Gewalt direkt unter ihren Augen abspielt.”
Gewaltspirale: Gewalt beginnt mit Liebesrausch
“Häusliche Gewalt ist mehr als Schläge und beginnt nie mit Schlägen, sondern vielmehr als große Liebe. Der häufig angeführte Gewaltkreislauf ist tatsächlich das Ende einer spiralförmigen Entwicklung (siehe Folie 5) . Die ersten Gewalthandlungen sind meist mehrdeutig, die Steigerung zu offener Feinseligkeit erfolgt sukzessive. Doch bereits bei den ersten Übergriffen bildet sich das Verhaltensmuster aus, dass auch dann noch anzutreffen ist, wenn Frauen halb totgeprügelt werden: sie übernehmen die Verantwortung für die Tat. Kommt es zu körperlichen Übergriffen, kommt oft Scham hinzu, genährt von dem Klischee, dass häusliche Gewalt vor allem in Unterschichten anzutreffen sei.” Dabei zeigt die Studie, dass auch Akademikerinnen hoch gefährdet sind, Partnerschaftsgewalt zu erleben. Dennoch suchen sie, wie zwei Drittel der 62 Millionen weiblichen Gewaltopfer, keine Hilfsangebote auf.
Aufklärung zur Prävention und Gesetzgebung gefordert
Zander stimmt den auf der Konferenz mehrfach geäußerten Forderungen zu: breit angelegte Aufklärungskampagnen, früh ansetzende Präventionsarbeit in Schulen und mit Jugendlichen und eine Mobilisierung der Gesamtbevölkerung. Aber auch die Regierung sei gefordert, eine Gesetzgebung zu schaffen, die Opfer schützt und Täter zur Verantwortung zieht. “Es kann nicht sein, dass ein Mittelfinger im Straßenverkehr höhere Strafen nach sich zieht als gefährliche Körperverletzung der Partnerin; zuständige Ministerien sich nicht deutlich positionieren und dass Gewalt gegen Frauen im Koalitionsvertrag nur eine halbe Seite einnimmt”, sagt Zander.
hierzu: http://de.slideshare.net/re-empowerment/gewalt-beginnt-mit-liebe-neues-gewaltmodell-von-reempowerment Bildquelle:kein externes Copyright
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