Artikel von Rechtsanwältin Anja Härtel und Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin und Essen:
Aufgrund der günstigen Niedrigzinslage fragen sich viele Mieter, warum soll ich Miete zahlen, wenn ich mir auch selbst eine Wohnung kaufen und den Betrag für meine Miete lieber an die Bank als Finanzierungsrate zahlen könnte. Besonders reizvoll erscheint bei diesen Überlegungen, preiswert eine Wohnung aus der Zwangsversteigerung zu erwerben. Doch was ist zu beachten, wenn diese Wohnung noch vermietet ist und Sie selbst einziehen wollen? Nachfolgend erhalten Sie einen kurzen Überblick über die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit dem Erwerb einer vermieteten Eigentumswohnung aus der Zwangsversteigerung von Rechtsanwältin Anja Härtel und Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin und Essen:
1. Kann ich nach Erwerb einer vermieteten Eigentumswohnung aus der Zwangsversteigerung eine Eigenbedarfskündigung aussprechen und welche Fristen muss ich einhalten?
Sie haben die Möglichkeit, als neuer Eigentümer des vermieteten Wohnungseigentums den bestehenden Mietvertrag zu kündigen. Es besteht ein Sonderkündigungsrecht gemäß § 57a ZVG:
§ 57a ZVG
Der Ersteher ist berechtigt, das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen. Die Kündigung ist ausgeschlossen, wenn sie nicht für den ersten Termin erfolgt, für den sie zulässig ist.
Das bedeutet, dass Sie die Kündigung tatsächlich und spätestens bis zum 3. Werktag des folgenden Monats gegenüber dem Mieter erklären müssen. Ab Erteilung des Zuschlags müssen Sie mit einer Kündigungsfrist von 2 Monaten die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Monats mit Ablauf des übernächsten Monats dem Mieter zukommen lassen. Dies ergibt sich aus § 573d BGB:
§ 573d BGB Außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist
(…)
(2) Die Kündigung ist spätestens am dritten Werktag eines
Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig (…).
Diese Kündigungsfrist besteht unabhängig von der Dauer des Mietverhältnisses, so dass auch ein Mieter, der beispielsweise schon 10 Jahre in der Mietwohnung wohnt, trotzdem mit 3 Monaten Kündigungsfrist gekündigt werden kann. Nutzen Sie dieses Kündigungsrecht nicht aus, dann verfällt es und Sie haben dann nur noch das ordentliche Kündigungsrecht, gegebenenfalls dann auch mit längeren Kündigungsfristen. Sie können dann allerdings auch die Kündigung besser vorbereiten.
Für die Frage der Begründetheit einer beabsichtigten Eigenbedarfskündigung sind auch hier wieder die eigenen Gründe für den Eigenbedarf sorgfältig herauszuarbeiten und eine ausführliche Begründung unabdingbar. Die Kündigungsgründe im Rahmen der Eigenbedarfskündigung gelten auch bei einer Eigenbedarfskündigung nach Erwerb einer vermieteten Eigentumswohnung aus der Zwangsversteigerung.
2. Wie sieht es mit der neuen Sperrfrist von 10 Jahren in Berlin aus? Gilt diese auch beim Erwerb einer vermieteten Eigentumswohnung aus der Zwangsversteigerung?
Die neue Sperrfrist für Eigenbedarfskündigungen in Berlin von 10 Jahren gemäß § 577a Abs. 2 BGB würde dann greifen, wenn der jetzige Mietvertrag bereits vor der Teilung in Wohnungseigentum abgeschlossen wurde und es keine Zwischenveräußerung gab. Die Sperrfrist beginnt nämlich nur im Falle der ersten Veräußerung. Für eine genaue Bestimmung der Sperrfrist ist es also unbedingt notwendig, sich die Teilungserklärung und soweit vorhanden, die Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft zu besorgen und zu prüfen.
In diesem Zusammenhang weise ich ausdrücklich darauf hin, dass Sie auch unbedingt den Mietvertrag, in den Sie als neuer Eigentümer eintreten, prüfen lassen. Gegebenenfalls können sich auch daraus weitere Kündigungsausschlüsse ergeben, an die Sie als neuer Eigentümer natürlich gebunden sind.
3. Gilt der Zuschlag gemäß § 57a ZVG als Veräußerung gemäß § 577a BGB?
Das Bayerische Oberste Landesgericht entschied bereits 1992, dass es auch als Veräußerung gilt, wenn ein Zuschlag im Wege der Zwangsversteigerung erteilt wird. Der Zuschlag von Wohnungseigentum im Wege der Zwangsversteigerung ist als Veräußerung im Sinn des § 564b Abs. 2 S. 2 Nr. 2 S. 2 BGB aF, nunmehr §§ 573, 577a BGB nF anzusehen (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Rechtsentscheid in Mietsachen vom 10. Juni 1992 – RE-Miet 2/92 -, juris).
4. Was bedeutet es, wenn in der gerichtlichen Anzeige steht, dass die Wertgrenzen gemäß §§ 74a, 85a ZVG aufgehoben sind?
Zunächst wird nach dem Antrag auf Zwangsversteigerung einer Immobilie der Verkehrswert vom Gericht auf Grundlage eines von einem amtlich bestellten Gutachter erstellten Verkehrswertgutachtens festgesetzt. Dabei muss grundsätzlich der Wert widergespiegelt werden, der bei einem freien Verkauf am Bewertungsstichtag voraussichtlich für die Immobilie erzielt würde.
In den §§ 74a, 85a ZVG sind Wertgrenzen geregelt, bei deren Nichterreichen im Bieterverfahren der Zuschlag vom Gericht zu versagen ist. Liegt das erste Mal im Verfahrensverlauf ein zuschlagsfähiges Meistgebot am Ende des Bieterverfahrens vor und das Gebot erreicht nicht 5/10 des Verkehrswertes, so muss das Gericht den Zuschlag von Amts wegen versagen. Sind hingegen 5/10 des Verkehrswerts aber nicht 7/10 erreicht, kann ein betreibender Gläubiger einen Antrag auf Versagung des Zuschlags stellen.
Wurde im Rahmen eines Zwangsversteigerungstermins einmal der Zuschlag wegen Nichterreichens der Wertgrenzen versagt, spielen 5/10- und 7/10-Grenzen in den folgenden Zwangsversteigerungsterminen keine Rolle mehr und es erfolgt in den Anzeigen der entsprechende Hinweis, dass die Wertgrenzen gemäß §§ 74a, 85a ZVG aufgehoben sind.
Allerdings kann der Zuschlag noch wegen anderer Gründe vom Gericht versagt werden, beispielsweise wenn die Hypothek oder Grundschuld eines gleich- oder nachstehenden Beteiligten, der dem Gläubiger vorgeht, durch das Gesamtergebnis der Einzelausgebote nicht gedeckt werden, § 83 Nr. 3 ZVG. Oder aber der Schutz gegen die so genannte “Verschleuderung” eingreift, wonach bei einem Gebot unter 20% des Verkehrswertes nicht ohne weitere Prüfung der Zuschlag erteilt werden kann. Unabhängig davon, ob der Gläubiger keine Einwände erhebt, wird im Falle eines Gebotes unter 2/10 des Verkehrswertes der Zuschlag nicht sofort erteilt. Vielmehr wird dem Schuldner unter Fristsetzung die Prüfungsmöglichkeit eingeräumt, ob er dann nicht selbst ein darüber liegendes Angebot abgeben lassen will. Verstreicht die Frist fruchtlos, wird dann im Verkündungstermin der Zuschlag an den Bieter erteilt
5. Erwerbe ich Immobilien aus der Zwangsversteigerung lastenfrei oder bleiben Rechte bestehen?
Es gibt beim Erwerb aus der Zwangsversteigerung auch Rechte, die im Grundbuch eingetragen sind und nicht automatisch beim Erwerb aus der Zwangsversteigerung erlöschen. Dazu zählen beispielsweise Belastungen, wie Hypotheken und Grundschulden, aber auch Wegerechte, Wohnrechte oder Reallasten. Das bedeutet, dass der Erwerber diese Rechte als Teil seiner Gegenleistung für den Erwerb des Objekts übernehmen muss. Diese bestehen bleibenden Rechte sollten Sie vorher in Erfahrung bringen und finanziell einkalkulieren.
Sollten jedoch die gesicherten Darlehen bereits vollständig zurückgezahlt, aber im Grundbuch beispielsweise noch Grundschulden oder Hypotheken eingetragen sein, sollten Sie sich zur Vorbereitung des Termins von den Banken Löschungsbewilligungen und eventuell Grundschuldbriefe besorgen. Prüfen Sie insbesondere die Abteilung III des Grundbuchs. Teilweise finden sich auch Hinweise des Gutachters, der das Verkehrswertgutachten im Auftrag des Gerichts erstellt hat. Nehmen Sie auf jeden Fall vor Erwerb Einsicht in das Grundbuch!
Liegen dem Gericht Unterlagen zu bestehen bleibenden Rechten vor und stimmen alle Miteigentümer im Versteigerungstermin einer Löschung zu, kann der Rechtspfleger die getilgten Rechte durch den Zuschlag untergehen lassen. Nur so wären Sie vor weitergehenden Forderungen der Bank oder auch anderer Gläubiger (Finanzamt, etc.) geschützt.
Anwaltstipps neuer Vermieter/Erwerber:
Vor der Entscheidung über den Erwerb einer vermieteten Eigentumswohnung aus der Zwangsversteigerung und vor dem Erhalt des begehrten Zuschlags sollten Sie also die oben aufgeworfenen Fragen prüfen lassen und sich unbedingt fachliche Unterstützung holen. Wenn Sie erfolgreich eine vermietete Wohnung ersteigert haben, sollten Sie umgehend die Eigenbedarfskündigung in die Wege leiten, damit Sie in den Genuss der kurzen Kündigungsfrist kommen. Gern stehen wir Ihnen als kompetente Ansprechpartner für Ihr Vorhaben zur Seite und begleiten Sie in allen Verfahrensstadien.
Anwaltstipps Mieter:
Stehen Sie nun vor der Situation, dass Ihre Wohnung zwangsversteigert wird, Sie einen neuen Vermieter bekommen und womöglich schon wissen, dass dieser gern selbst in die Wohnung einziehen möchte, heißt das für Sie noch lange nicht, den Kopf in den Sand zu stecken. Aufgrund der gesetzlichen Regelungen zu Kündigungssperrfristen und vielen vertraglichen Regelungen zu Kündigungsausschlüssen sind in der Praxis die ausgesprochenen Kündigungen oftmals unwirksam, weil sie schlichtweg falsch sind. Gerade im Hinblick auf die Eigenbedarfskündigungen müssen die Vermieter sorgfältig vorgehen und tun es häufig nicht. Das ist Ihre Chance. Sobald Sie eine Eigenbedarfskündigung erhalten, sollten die Angaben des Vermieters zum Eigenbedarf umfassend geprüft und die entsprechenden Angaben ausreichend und detailliert bestritten werden. Gern stehen wir Ihnen hierfür zur Verfügung.
21.07.2014
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