Punitive damages – der Strafschadenersatz aus dem U.S.-amerikanischen Recht kann auch im deutschen Personenschadenrecht Einfluss gewinnen. Dr. Dirk C. Ciper LLM, Fachanwalt für Medizinrecht erläutert:
Das deutsche Recht unterscheidet sich in entscheidenden Punkten vom angloamerikanischen Recht, so etwa auch im Bereich des Personenschadenrechtes:
Anders als im deutschen Recht, das auf die Grundsätze des "civil law" basiert, richtet sich das U.S.-amerikanische Recht nach dem "common law". Die Juristen in den U.S.A. vergleichendaher die Fallkonstellationen ähnlicher Fälle aus der Vergangenheit, also Präzedenzfälle und treffen dann eine Entscheidung.
Besonderer Bedeutung kommt dabei dem Rechtsinstitut der sogenannten "punitive damages" zu. Ein Fall, der vor rund zwanzig Jahren für einen Aufschrei der Empörung in der juristischen Fachwelt und ein erhebliches Medienecho gesorgt hat, ist der Fall, in dem sich eine Besucherin einer amerikanischen Fastfood-Kette durch einen verschütteten Kaffeebecher Verbrennungen zugezogen hatte und das Restaurant auf Millionen Dollar Schadenersatz verklagte. Das U.S.-amerikanische Schadenrecht wurde allseits als absurd abqualifiziert, zumindest aber belächelt. Viele haben von dem Fall gehört, kennen aber nicht die Details. Wer diese aber erfährt, dem erschliesst sich ein völlig anderes Bild:
"Liebeck ./. McDonald’s"
Die Geschädigte befand sich in einem Fahrzeug, wo sie beim Entfernen des Plastikdeckels den gesamten Kaffee verschüttete. Da sie den Becher zwischen den Knien hielt, floss er über ihre Beine und wurde von ihrer Jogginghose aufgesaugt. Sie erlitt dadurch Verbrennungen dritten Grades auf 6 % ihrer Körperoberfläche und musste acht Tage im Krankenhaus verbringen, wo auch eine Hauttransplantation erforderlich wurde. Von den Unfallfolgen hat sich die Geschädigte gesundheitlich nie wieder richtig erholt.
Die Geschädigte verlangte daraufhin von McDonald’s 20.000,- US-Dollar Ersatz für die Behandlungskosten und sonstiger Schäden. Diese waren jedoch lediglich bereit, 800,- Dollar zu regulieren. In dem folgenden Prozess stellte sich heraus, dass zwischen 1982 und 1992 über 700 Ansprüche im Zusammenhang mit zu heißem Kaffee gegen McDonald’s erhoben worden waren. Trotz dieser Vorfälle senkte die Kette die Temperatur des Kaffees nicht ab. Die Jury sprach der Geschädigten daraufhin 2,7 Millionen Dollar Strafschadenersatz zu ("punitive damages"), der vom Richter auf 480.000 US Dollar reduziert wurde. Weiter wurde ein Schmerzensgeld von 200.000 US-Dollar zuerkannt und aufgrund des 20prozentigen Mitverschuldens auf 160.000 US-Dollar herabgesetzt. Im Anschluss daran gingen beide Parteien in Berufung und einigten sich auf einen Vergleich, über dessen Höhe in der Öffentlichkeit nichts bekannt wurde."
Vor dem Hintergrund der erlittenen Verbrennungen und der Gesundheitsfolgen für die Geschädigte ist es nicht nachvollziehbar, weshalb McDonald’s im Vorfeld des Prozesses lediglich 800,- US-Dollar regulieren wollte. Stellt sich sodann auch noch heraus, dass es sich hierbei nicht um einen Einzelfall handelt, sondern hunderte Betroffene existieren, ohne dass die Firma Anstalten macht, hierauf ihre Kaffeetemperatur zu senken, erfüllt ein entsprechender Strafschadenanspruch genau seinen Zweck: der Schädiger ist für sein Verhalten abzustrafen. Berücksichtigt man noch die Firmengewinne, die McDonald’s durch den Abverkauf der Kaffeebecher erzielt, stellt die zugesprochene Summe der Höhe nach nicht einmal den Erlös des Unternehmens dar, das es pro Tag für den Kaffeeverkauf erwirtschaftet. Die vorgenannten Punkte stellen die Relationen daher wieder her.
Schmerzensgeldsummen in Deutschland betragen oft nur einen Bruchteil derjenigen, die in den U.S.A. gezahlt werden, oder aber auch in anderen Ländern. Die körperliche Unversehrheit stellt aber eines der höchsten Rechtsgüter dar, die angemessener reguliert werden sollten, als das in Deutschland zumindest momentan noch der Fall ist.
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