Er schnüffelt nicht voyeuristisch nach Internet-Gerüchten
Von Ansgar Lange +++ Frankfurt/Sindelfingen. Der Kulturteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) http://www.faz.net ist oft der Platz für steile Thesen. Bei der Lektüre von Melanie Mühls Artikel “Vermessung des Menschen: Korrekturen ausgeschlossen” muss es jeden, der sich um einen neuen Job bewirbt, gruseln. Glaubt man der Autorin, dann spielt der Mensch in einem heutigen Bewerbungsverfahren allenfalls noch eine Nebenrolle. Generationen von Bewerbern war noch gepredigt worden, dass der erste Eindruck entscheidend sei. Mühl hingegen schreibt: “Vergessen wir den ersten Eindruck”.
Schenkt man dem Artikel Glauben, dann spielt sich in den USA Schauriges ab. Die dortige Bewerbungswelt mit ihren Durchleuchtungsverfahren namens Background Checks gründe auf Misstrauen, und das Misstrauen wachse, so die FAZ-Autorin. In den neunziger Jahren hätten etwa fünfzig Prozent der amerikanischen Arbeitgeber ihre Bewerber gescreent; heute seien es nach Angaben der amerikanischen Gesellschaft für Human Resource Management mehr als neunzig Prozent.
Personalberater Michael Zondler warnt jedoch vor Panikmache. “Ich habe meine Zweifel, ob die Entwicklung in den Vereinigten Staaten wirklich so krass ist. Denn diese ganze Sammelwut bringt doch nichts. Warum sollte ich Facebook und andere Netzwerke nach Partyfotos oder anderen Dingen aus dem Privatleben von Bewerbern durchforsten, wenn ich einen Experten für einen bestimmten Job suche? Der damit verbundene, auch finanzielle Aufwand steht in keinem Zusammenhang zu seinem Nutzen. Facebook,Twitter oder Instagram beantwortet nicht die entscheidende Frage nach der Kompetenz: Eignet sich jemand für einen Job oder eignet er sich nicht”, sagt Michael Zondler, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens centomo http://www.centomo.de mit Firmensitzen in London, Ludwigsburg und Sindelfingen.
Das Googeln von Kandidaten ersetze nicht das eigene kritische Urteilsvermögen. “Personalberatungen oder Unternehmen, die sich in der Praxis so verhalten wie in dem Artikel beschrieben, verstehen ihren Job nicht. Ein seriöser Personalberater sucht Kompetenzen. Er geht keinen Internet-Gerüchten nach. Das Privatleben eines Bewerbers ist in erster Linie auch Privatsache und sollte nicht voyeuristisch durchleuchtet werden. Wenn wir zum Beispiel einen Ingenieur suchen, dann interessiert es uns null, ob dieser Fotos aus dem letzten Familienurlaub oder von seinen sportlichen Aktivitäten postet. Wer sich auf diesen Weg begibt, verschwendet Zeit und Geld und gerät auf Nebengleise.”
Der centomo-Chef rät seinen Mandanten, dass sie unbelastet in Gespräche mit Bewerbern gehen und kein fertiges Bild im Kopf haben, das vom Hörensagen, von medialen Gerüchten oder sonstigen Hirngespinsten gespeist ist. “Wer im Kopf nicht frei ist, kann sich ein Auswahlgespräch auch sparen. Dann reicht es, ein bisschen im Netz zu schnüffeln und die Bewerbungsunterlagen zu studieren. Nur: So werden Sie nie die richtigen Kandidaten finden. In einem Dreiklang aus Auswahlgespräch, seriösen Testverfahren und persönlichen Referenzen kommt man viel eher zu dem gewünschten Ergebnis und dem richtigen Kandidaten für einen Job. Das Google- und Social-Media-Thema sollte man nicht überbewerten. Jeder googelt heute sowieso Jeden. Dafür muss man keinen Headhunter bezahlen. Darüber hinaus gilt bei uns in Deutschland bitte der Datenschutz!”
Eine Ausnahme lässt Zondler allerdings gelten: Wenn es um wirkliche Spitzenleute geht, die ein Unternehmen und dessen Werte repräsentieren, dann müsse man schon genauer hinschauen, was diese auch in ihrer Freizeit so treiben und sagen. Doch im normalen Geschäft seien dies die absoluten Ausnahmen: “Es sagt einem schon der gesunde Menschenverstand, dass es einen Unterschied macht, ob ich den Manager für ein weltweit operierendes Unternehmen suche oder beispielsweise einen Techniker oder leitenden Angestellten. Spitzenpolitiker oder Topleute in der Wirtschaft stehen aber eh viel stärker im Fokus der Öffentlichkeit. Da kann man sich eine aufwändige Recherche von Facebook und Co. auch sparen. Denn die relevanten Infos finde man schon in der Tageszeitung.”
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