(Mynewsdesk) Berlin, 29. Januar 2015. Das duale Studium kann neue Zielgruppen für ein Hochschulstudium ansprechen – vor allem junge Menschen aus wirtschaftlich weniger leistungsstarken Familien ohne akademische Bildungstradition („first generation“). In der Kombination aus beruflicher und akademischer Bildung liegt deshalb auch eine Chance zur Fachkräftesicherung. Wegen ihres hohen Praxisbezugs bieten sich gerade im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Natur- und Technikwissenschaften) duale Studiengänge an. acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften spricht sich deshalb dafür aus, das duale Studium auszubauen, ein „Qualitätssiegel dual“ zu entwickeln und das duale Studium als Aufstiegschance sichtbarer zu machen.
Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft steigt der jährliche Bedarf in Deutschland an Akademikern in den Disziplinen Mathematik und Informatik sowie in den Natur- und Technikwissenschaften (MINT) zwischen 2016 und 2020 auf rund 120.000 Personen. Duale Studiengänge können an der Schnittstelle zwischen beruflicher Qualifizierung und Hochschulausbildung zur Fachkräftesicherung in diesem Bereich beitragen. „Das duale Studium überwindet durch die Verknüpfung zweier Lernorte – Hochschule und Betrieb – eine der stärksten institutionellen Abschottungen unseres Bildungssystems. Es ergänzt reguläre Studiengänge insbesondere dort, wo sie auf betriebliche Tätigkeitsfelder zugeschnitten sind. Das ist bei vielen MINT-Studiengängen der Fall“, sagte Andrä Wolter, Leiter des acatech Projekts „Mobilisierung von Bildungspotenzialen für die MINT-Fachkräftesicherung – der Beitrag des dualen Studiums“. Das belegt auch die Verteilung der Studiengänge: Allein 40 Prozent des Angebots entfallen auf Ingenieurswissenschaften und 12 Prozent auf Informatik.
Die enge Verbindung von Theorie und Praxis ist auch aus Sicht der Studierenden ein entscheidender Vorteil dualer Studiengänge. Oft wird der Transfer zwischen Theorie- und Praxisphasen jedoch individuell durch die Studierenden geleistet; nicht alle Praxisbetreuer in den Unternehmen sind angemessen über die Studieninhalte informiert, umgekehrt auch nicht alle Hochschullehrende über die betriebliche Seite. acatech empfiehlt deshalb eine engere Abstimmung zwischen Studieninhalten und der betrieblichen Tätigkeit sowie die stärkere Zusammenarbeit von Hochschulen, Berufsakademien und Unternehmen, beispielsweise in gemeinsam besetzten Gremien der Studiengangentwicklung, über die manche Hochschulen schon verfügen.
Der Praxisbezug, die Ausbildungsvergütung und die Karrierechancen durch die enge Anbindung an ein Unternehmen machen das duale Studium auch für neue Zielgruppen attraktiv, die sich bisher nicht für ein MINT-Studium entschieden haben. Dazu gehören insbesondere Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und Personen aus wirtschaftlich schwächeren Haushalten oder aus Familien ohne akademische Bildungstradition („first generation“). Viele Frauen erwägen ein duales Studium wegen des früheren Berufseinstiegs und der Möglichkeit, ihr Wissen praktisch anzuwenden. Menschen mit Migrationshintergrund verzichten oft auf ein Studium und entscheiden sich für eine betriebliche Ausbildung. Sie zeigen aber laut zahlreichen Befragungen oft ein besonderes Interesse an MINT-Fächern.
Bisher sind diese Zielgruppen in dualen Studiengängen noch zu wenig vertreten. acatech spricht sich deshalb dafür aus, diese zukünftig gezielter anzusprechen und die Informationsmöglichkeiten über das duale Studium zu verbessern. Mit mehr als 16.000 Studienangeboten in Deutschland ist die Studienwahl eine komplexe Entscheidung. Lehrerinnen und Lehrer, insbesondere in den Gymnasien, sowie Berufsberatende können durch Fortbildungen für duale Studienangebote und deren Chancen sensibilisiert werden. Schulen, Hochschulen, Berufsberatungen und Unternehmen sollten bei der Berufs- und Studienberatung enger zusammenarbeiten und die Transparenz der Formate und Auswahlkriterien des dualen Studiums erhöhen.
Das Angebot an dualen Studiengängen in den MINT-Fächern hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Damit steigt auch die Vielfalt der Rahmenbedingungen und Konzepte: Die Kooperation zwischen Hochschulen und Unternehmen variiert ebenso wie die Modelle, in denen die Praxisphasen organisiert werden. Jedoch steht das duale Studium an den Hochschulen oft neben anderen Studiengangstypen oder wird als Studium wahrgenommen, dessen Praxisphasen zu Lasten der Wissenschaftlichkeit gehen. Übergreifende Qualitätskriterien und -standards müssen deshalb sicherstellen, dass Studienabschlüsse aussagekräftig und vergleichbar sind. acatech empfiehlt, dass sich Hochschulen, Berufsakademien, Unternehmen, Kammern, Arbeitnehmervertretungen und Studierende gemeinsam an der Qualitätsentwicklung beteiligen. Die Qualitätskriterien sollten in ein „Qualitätssiegel dual“ einfließen, das die Auswahl unter den vielfältigen Angeboten erleichtert.
In dem acatech Projekt „Mobilisierung von Bildungspotenzialen für die MINT-Fachkräftesicherung – der Beitrag des dualen Studiums“ haben Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung unter der Leitung von acatech Mitglied Andrä Wolter Zielgruppen für duale Studiengänge, Studienmotive und -erfahrungen sowie Vor- und Nachteile eines dualen Studiums untersucht. Durch umfangreiche empirische Erhebungen und Experteninterviews hat die Gruppe die Grundlage für weitergehende Empfehlungen zum dualen MINT-Studium erarbeitet. In zwei Publikationen wurden die Ergebnisse des Projekts veröffentlicht:
– acatech (Hrsg.): Potenziale des dualen Studiums in den MINT-Fächern (acatech POSITION), München: Herbert Utz Verlag 2014.
– Wolter, Andrä/Kamm, Caroline/Lenz, Katharina/Renger, Peggy/Spexard, Anna (Hrsg.): Potenziale des dualen Studiums in den MINT-Fächern – Eine empirische Untersuchung (acatech STUDIE), München: Herbert Utz Verlag 2014.
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