Dr. Ingeborg Rauchberger: Schlagfertigkeit war gestern!

Dr. Ingeborg Rauchberger: Schlagfertigkeit war gestern!

Ein Interview mit Dr. Ingeborg Rachberger.

Dr. Ingeborg Rauchberger: Schlagfertigkeit war gestern!

Dr. Ingeborg Rauchberger

Nichts ist so leicht, wie in Kundengesprächen und Verhandlungen das eigene Ziel in weite Ferne rücken zu lassen. Was Sie dafür nur tun müssen? Seien Sie schlagfertig. So sieht es auf jeden Fall Dr. Ingeborg Rauchberger, Trainerin. Coach. Speaker. Autorin. Und: Eine international gefragte Verhandlungsexpertin. Ihr neuestes Werk: “Schlagfertig war gestern!”, erschienen im BörsenMedienVerlag. Ein Buch, über das es sich zu reden lohnt.

Klaus Wenderoth: Frau Dr. Rauchberger, Schlagfertigkeit galt viele Jahre als Tugend. Sie aber enttarnen diese Eigenschaft eher als Akt der Aggression oder auch der eigenen Unsicherheit. Haben Sie dafür vielleicht ein Beispiel bitte?

Ingeborg Rauchberger: Ja, selbstverständlich gerne, jede Menge!

Doch bevor wir zu Beispielen kommen, sollten wir zuerst fragen, worum es bei Gesprächen und Verhandlungen wirklich geht. Und da kommen wir zur Antwort: Es geht darum, dass wir ein gutes Ergebnis erzielen (mit dem, wenn möglich, alle Beteiligten gut leben können) und, dass sich die Beziehung zwischen den Gesprächspartnern zumindest nicht verschlechtert, sondern wenn möglich sogar verbessert. Es geht nicht darum, wer der Originellere oder Schlagfertigere ist.

Nun zum gewünschten Beispiel, das auch deshalb so gut passt, weil sich Weihnachten mit großen Schritten nähert. Ich habe es aus einem beliebten Magazin entnommen. Titel: “Wie Sie gekonnt durch die Festtage kommen!”

Schwiegermutter vorwurfsvoll: “Du bereitest die Gans ganz anders zu als ich!”

Empfohlene Antwort: “Richtig, liebe Schwiegermama! Darum schmeckt es ja auch allen so gut!”

Das ist in der Tat schlagfertig. Aber ob Sie damit gekonnt durch die Feiertage kommen, wage ich zu bezweifeln. Ich sehe eher Tränen, höre Gezänk und schlagende Türen. Vielleicht spaltet sich die Familie in zwei Lager. Den einen schmeckt Ihre Gans besser, die anderen halten Sie für eine.

Klaus Wenderoth: Was empfindet, Ihrer Meinung nach, mein Gesprächspartner, wenn ich Ihm mit allzu großer Schlagfertigkeit und Wortgewandtheit begegne? Was kann dann passieren?

Ingeborg Rauchberger: Hier unterscheide ich zwischen Schlagfertigkeit und Wortgewandtheit. Das Wort “schlagfertig” zeigt die beiden gefährlichen Komponenten deutlich: “Schlagen” und “fertig”! Wer möchte so behandelt werden?

Wenn Ihnen allerdings in einem Gespräch etwas einfällt, das der Zielerreichung dient UND die Beziehung zumindest nicht verschlechtert UND es ist originell UND es fällt Ihnen rechtzeitig ein (oft fallen uns solche Sätze ja erst im Nachhinein ein) – wenn Sie also wortgewandt (oder im positiven Sinne schlagfertig) sein können, dann seien sie es. Freuen Sie sich und klopfen Sie sich innerlich auf die Schulter. Gut gemacht! Wenn Ihnen allerdings nichts derart Originelles einfällt, ist es egal – denn eine Verhandlung ist kein Originaltätswettbewerb.

Klaus Wenderoth: Im Dialog mit dem Geschäftspartner geht es oft um alles oder nichts. Dem rhetorischen Sieg, folgt aber nur zu oft das Nicht-Erreichen des Verhandlungsziels. Können wir manchmal der Versuchung, den Gesprächspartner verbal zu “schlagen” einfach nicht widerstehen? Und warum ist das so?

Ingeborg Rauchberger: Da gibt es viele Gründe: Hilflosigkeit (Wer schlägt, hat sich nicht im Griff. Das gilt nicht nur für körperliche Schläge.) Der Irrglaube, verbale Schläge seien nicht nur erlaubt, sondern sogar ein Zeichen von Mut und besonderer Großartigkeit. (Dies wird uns von vielen Schlagfertigkeitsexperten seit Jahren lautstark versichert.) Der Wunsch sich über den anderen zu stellen. Die Hoffnung mit Originalität zu punkten, wenn schon die Argumente nicht zum Ziel führen. Und nicht zuletzt mangelnde Selbstdisziplin.

Klaus Wenderoth: Wie gehen Männer und Frauen mit Schlagfertigkeit um? Sowohl in der Anwendung, wie auch wenn diese entgegen gebracht wird. Gibt es Unterschiede?

Ingeborg Rauchberger: Ich kenne großartige Verhandlerinnen und Verhandler und grottenschlechte. Da macht nicht das Geschlecht den Unterschied. Ich bin auch schon bei schlagfertigen Sätzen von Männern und auch Frauen zusammengezuckt.

Klaus Wenderoth: Sie verfügen über viele Jahre Erfahrung bei der Verhandlungsführung. Und dies auch auf internationalem Parkett. Wie wird zum Beispiel in Asien verhandelt und kann uns dies als Vorbild dienen?

Ingeborg Rauchberger: Asien ist groß – auch hier gibt es unterschiedliche Verhandlungsstile. In China zum Beispiel orientiert man sich in der Regel an der Taktik der Kriegsführung. Man stellt den anderen auf die Probe, scheut ein klares “Nein!”, kennt Tarnen und Täuschen. Das was wir als Schlagfertigkeit kennen, ist mir bei meinen zahlreichen Verhandlungen in China nie begegnet.

Klaus Wenderoth: Der rote Faden für einen erfolgreichen Verhandlungsverlauf. Empfehlen Sie eine Art Punkteprogramm und wenn ja, würden Sie mir bitte die fünf wichtigsten Punkte nennen?

Ingeborg Rauchberger: Die fünf wichtigsten Punkte zum roten Faden:

1. Der rote Faden führt von der Ausgangslage bis hin zum angestrebten Ziel (oder einer möglichst vorbereiteten Alternative).

2. Streben Sie möglichst nicht nur einen Zielpunkt an, sondern setzen Sie sich eine Ziellinie. Was ist das realistische Ziel, das Sie erreichen wollen? Was ist das (gerade noch realistisch vertretbare) Traumziel, mit dem Sie in der Regel die Verhandlung beginnen? Wo liegt Ihre Schmerzgrenze, an der Sie die Verhandlung abbrechen? Eine Ziellinie erhöht ihre Flexibilität und erleichtert das Verhandeln.

3. Vergessen Sie nicht, dass der rote Faden nicht nur eine Sachkomponente aufweist, sondern auch eine Beziehungskomponente. Schließlich wollen wir ja nicht nur das Ziel erreichen, sondern auch die gute Beziehung auf/ausbauen.

4. Überlegen Sie sich die Reihung der Punkte. Es ist in der Regel immer besser, mit etwas zu beginnen, wo sich rasch Einigung erzielen lässt oder bei dem Sie nachgeben können – beginnen Sie trotzdem bei Ihrem Traumziel und schenken Sie nichts her.

5. Behalten Sie den roten Faden im Auge und tun Sie nichts, was Ihrer Ziellerreichung schadet.

Klaus Wenderoth: Haben Sie Verständnis für Menschen, die sich damit schwer tun die eigene Schlagfertigkeit als vermeintliche “Holzhammer-Methode”, zukünftig in Verhandlungsgesprächen nicht mehr anzuwenden?

Ingeborg Rauchberger: Wenn diese Menschen mein Buch gelesen haben, nicht mehr. Denn dort werden elegantere Methoden gezeigt, die einfach anzuwenden sind und der Erreichung des Ziels und dem Schutz der Beziehung dienen. Allen voran meine “3 R Regel®” Man muss sich natürlich nicht alles gefallen lassen, aber man kann sich auch wehren, ohne alles kaputt zu schlagen.

Klaus Wenderoth: Was war für Sie der Anlass, dem Thema Schlagfertigkeit ein eigenes Buch zu widmen? Und natürlich: Für wen haben Sie dieses Buch geschrieben?

Ingeborg Rauchberger: Immer wieder erlebe ich Menschen, die sich bei Verhandlungen und Gesprächen um Kopf und Kragen reden, weil sie denken, schlagfertig sein zu müssen.

Und ich erlebe gescheite Leute, die sich nicht den Mund aufzumachen trauen, weil sie fürchtet zu wenig schlagfertig zu sein. Den einen möchte ich einen neuen, erfolgversprechenderen Weg aufzeigen. Den anderen möchte ich Mut machen.

Herzlichen Dank für das Interview Frau Dr. Rauchberger!

Dieses und weitere Interviews finden Sie im Expertenblog http://www.KlausWenderoth.de

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