Die Novelle der europäischen Datenschutz-Grundverordnung

Die geplante Reform der Grundverordnung zum Datenschutz in der europäischen Union ist besonders spannend wegen ihrer Auswirkungen für das Dialogmarketing

BildDie Nacht von Montag (15.6.2015) auf Dienstag (16.6.2015) sollte ursprünglich zur Nacht der “langen Messer” werden. Denn für den 15. Juni war eine Sitzung des Europarates (genauer gesagt der Justiz- und Innenminister) in Luxemburg anberaumt worden, die sich nötigenfalls bis in den Dienstag hätte hineinziehen können.

Gegenstand dieser Sitzung war die geplante Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union. Die jeweiligen Minister der 28 Mitgliedsstaaten wollten sich nötigenfalls “mit aller Gewalt” auf eine gemeinsame Linie, d.h. auf eine Gesetzesvorlage verständigen.

Die Sitzung erreichte aber bei weitem nicht die geplante Länge, denn schon am Vormittag hatte man den gemeinsamen Vorschlag “abgesegnet”. Dass sich ggf. bereits früher eine Einigung erzielen lassen würde, zeichnete sich jedoch schon im Dezember 2014 ab, als ein 232seitiges Positionspapier des Europarates durch die Britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch geleakt wurde.

In manchen Medien wurde die Einigung vom 15. Juni bereits als Verabschiedung des Gesetzes dargestellt. Dies ist natürlich nicht der Fall. Vielmehr wurde nun die Verhandlungsgrundlage für den sogenannten Trilog geschaffen. Der Trilog findet zwischen Kommission, Parlament und Europarat statt. Diese drei Gremien vertreten teilweise (sehr) unterschiedliche Positionen zu einzelnen Gesetzes-Artikeln.

Die unterschiedlichen Positionen werden im Trilog gegenübergestellt und es wird versucht, sich auf Kompromisse zu verständigen. Der Trilog wird recht zeitnah (24.6.15) beginnen. Man hofft auf eine endgültige Einigung bis Ende dieses Jahres. Nach der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes wird es eine zweijährige Übergangsfrist geben, bevor eine Umwandlung in nationales Recht erfolgen muss.

Auch wenn das Gesetz noch nicht in seiner endgültigen Form verabschiedet ist, bestehen natürlich bereits jetzt in vielen Punkten Übereinstimmungen zwischen den unterschiedlichen Entwürfen. So kann man zum jetzigen Zeitpunkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sich u.a. die folgenden Grundsätze im Gesetz wiederfinden werden:

– Recht auf Vergessen (werden): Recht auf Löschung von Nutzerdaten, z.B. in Suchmaschinen und sozialen Netzwerken

– Recht auf Datenportabilität: Datenmitnahme z.B. beim Wechseln von sozialen Netzwerken, Wechsel des Stromanbieters usw.

– Strengerer Schutz von Kindern und Jugendlichen

– Die Weiterverarbeitung von Daten unterliegt grundsätzlich einem Einwilligungsvorbehalt durch die Betroffenen

– ,One-Stop-Shop’ – Prinzip: Die Datenschutzbehörden des eigenen Landes kümmern sich um Datenschutzbeschwerden, auch wenn diese von einem Unternehmen mit Sitz in einem anderen (Mitglieds-)Staat zu verantworten sind

– Die Einführung datenschutzfreundlicher Voreinstellungen: Nutzer sollen nur so viel über sich preisgeben wie sie möchten, wenn sie einen Dienst in Anspruch nehmen wollen (Umkehr des Facebook-Prinzips)

– Ausweitung der Informationspflichten bei Datenpannen

Welche Auswirkungen zeichnen sich für das Dialogmarketing ab?

Grundsätzlich sehen sowohl der Entwurf des Europarats als auch der des Parlaments ein “Recht auf Direktmarketing” für Unternehmen vor. Allerdings sind noch einige Hürden zu nehmen, um die Datennutzung für Dialogmarketing, wie sie heute praktiziert wird, auch weiterhin zu ermöglichen.

– Direktmarketing für eigene Zwecke wird auch weiterhin ohne Einwilligung und ohne besondere Einschränkungen möglich sein

– Eine Zweckänderung hinsichtlich der Datennutzung dürfte (Stand heute) nur durch die ersterhebende Stelle vorgenommen werden (dies würde die Basis dafür schaffen, Listbroking bzw. das Lettershop-Verfahren weiterhin praktizieren zu können, der “Adressenhandel” – also die direkte Weitergabe von personenbezogenen Daten zwischen Unternehmen – wäre allerdings nicht mehr möglich)

– Ausnahmeregelungen wie im BDSG vorgesehen (Spendenwerbung, BtoB-Werbung, transparente Übermittlung, Erheben von Daten aus öffentlich zugänglichen Verzeichnissen) sind im Entwurf des Europarates nicht berücksichtigt (der Vorschlag des Parlaments ist jedoch in Teilbereichen etwas “anwenderfreundlicher”)

– Es stehen umfangreiche Transparenz- und Aufklärungspflichten für den Zeitpunkt der Datenerhebung im Raum (das Parlament schlägt eine Art Kennzeichnungspflicht durch Piktogramme vor)

– Das Profiling (und dazu zählen streng genommen bereits einfache “Selektionen” z.B. nach Geschlecht, Kaufdatum und Warengruppen) wird erschwert und soll ggf. von einer (zusätzlichen bzw. gesonderten) Einwilligung der Betroffenen abhängig gemacht werden

Aus der Sicht der Dialogmarketing-Anwender und -Dienstleister stehen also noch einige (lobbyistische) Anstrengungen bevor, um das derzeitige “Erlaubnis-Niveau” erhalten zu können. Hierzu bestehen im Zuge des weiteren Gesetzgebungsverfahrens aber durchaus noch Möglichkeiten.

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