Die Verleihung des diesjährigen Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften an den Franzosen Jean Tirole hat erneut gezeigt, wie wichtig die Spieltheorie in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ist. Tirole hat herausragende Beiträge zur Erforschung der Märkte und deren Regulierung geliefert. In seiner Forschung wendet er Methoden der Spieltheorie an, die er en passant weiter entwickelte. Die “Spieltheorie” oder auch “interaktive Entscheidungstheorie” analysiert Situationen, in denen mehrere Personen Entscheidungen zu treffen haben und bei der das individuelle Wohlbefinden von den Entscheidungen aller Personen abhängt. Jede Person hat deshalb auch die möglichen Entscheidungen der anderen zu berücksichtigen.
Wie können gemeinsam erzielte Gewinne solidarisch verteilt werden?
An der HHL Leipzig Graduate School of Management ist die spieltheoretische Forschung innerhalb der akademischen Gruppe “Economics and Regulation” verortet. Besonders erfolgreich sind hier die beiden Forscher Dr. André Casajus und Dr. Frank Hüttner, der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert wird. Kürzlich erst konnten beide einen Artikel in dem renommierten “Journal of Economic Theory” veröffentlichen.
Die Arbeit der beiden HHL-Wissenschaftler konzentriert sich thematisch auf Fragen, die um die gerechte Verteilung gemeinsam erzeugter Gewinne der Zusammenarbeit kreisen.
Ein Beispiel belegt die Relevanz dieses Themas: Drei Städte haben beschlossen, nicht drei separate Kläranlagen zu bauen sondern stattdessen nur eine solche Anlage gemeinsam zu nutzen. Auf diese Weise sind die Gesamtkosten niedriger, d.h. ihre Zusammenarbeit ist profitabler. Es stellt sich nun die Frage, wie die Vorteile der Zusammenarbeit unter den drei Gemeinden verteilt werden soll. Das ist nicht zuletzt deshalb wichtig, da eine Aufteilung, die von allen als fair empfunden wird, vertrauensbildend wirken kann und eine weitere Zusammenarbeit fördert.
Die Literatur bietet eine Standardantwort auf diese Frage an. Sie basiert auf einer bereits 1953 von Lloyd S. Shapley, dem Nobelpreisträger von 2012, entwickelten Formel. Shapleys Vorschlag beruht auf den Beiträgen der Teilnehmer am Gewinn der Zusammenarbeit. In diesem Sinne ist seine Lösung leistungsorientiert. Casajus und Hüttner (2014, unten) fragen sich, wie die Gewinne der Zusammenarbeit auf eine eher solidarische Weise systematisch verteilt werden könnte. Die Antwort scheint einfach zu sein: Jeder Teilnehmer erhält zunächst die erfolgsabhängige Auszahlung wie von Shapley vorgeschlagen. Dann wird die Auszahlung mit einer bestimmten Rate besteuert (je höher die Steuer desto solidarischer). Schließlich wird die “Gesamtsteuereinnahme” gleichmäßig verteilt. Die Begründung für diese Regel basiert auf einer komplizierten mathematischen Argumentation, die auch allgemeinere Situationen abdeckt.
Forschung auf dem Gebiet der Spieltheorie
Die meisten Situationen im Leben sind eigentlich interaktive Entscheidungssituationen, d.h. Spiele. Daher ist die Spieltheorie ein vielseitiges Werkzeug für die Sozialwissenschaften. Was bedeutet es eigentlich, auf diesem Gebiet zu forschen und den Werkzeugkasten, die uns die Spieltheorie bietet, weiter zu entwickeln? Um diese Frage zu beantworten, sollten wir in der Geschichte zurückblicken. Die Spieltheorie entstand während des Zweiten Weltkriegs und den frühen fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Einige der klügsten Köpfe in Princeton/USA, meist Mathematiker, wurden beauftragt, um die Interaktion mit dem politischen Feind besser zu verstehen und Empfehlungen an Politik und Militär auszusprechen. Die Forscher fingen an, einfache Spiele mit klaren Regeln zu studieren. Aufgrund ihrer Ausbildung nahmen sie hierbei eine mathematische Perspektive ein. Durch das Studium mathematisch beschriebener Spiele versucht man, die wichtigen Aspekte der Wirklichkeit zu modellieren wobei “unwichtige” Aspekte bewusst vernachlässigt werden. Die Verwendung mathematischer Methoden führt darüber hinaus zu einer “läuternden Abstraktion”, einer sehr strengen Argumentation und letztendlich auch zu einem stärkeren Interesse mathematischer Talente an den Sozialwissenschaften. Wer also Forschung in der Spieltheorie vorantreiben möchte, muss ein tiefes Verständnis der Mathematik besitzen.
Weitere Details und Referenzen:
Casajus, A. / Hüttner, F. (2014), Weakly monotonic solutions for cooperative games, in: Journal of Economic Theory 154, 162-172
Die HHL Leipzig Graduate School of Management
Die HHL ist eine universitäre Einrichtung und zählt zu den führenden internationalen Business Schools. Ziel der ältesten betriebswirtschaftlichen Hochschule im deutschsprachigen Raum ist die Ausbildung leistungsfähiger, verantwortungsbewusster und unternehmerisch denkender Führungspersönlichkeiten. Neben der internationalen Ausrichtung spielt die Verknüpfung von Theorie und Praxis eine herausragende Rolle. Die HHL zeichnet sich aus durch exzellente Lehre, klare Forschungsorientierung und praxisnahen Transfer sowie hervorragenden Service für ihre Studierenden. http://www.hhl.de
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