Plädoyer für wasserorientierte Stadtplanung
Der Klimawandel zwingt zum Umdenken: Die altbewährten Entwässerungssysteme können die stark anschwellenden Niederschlagsmengen nicht mehr aufnehmen. Deshalb setzt die wasserorientierte Stadtplanung auf eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung, die die Versiegelung neuer Flächen stoppt, Abwasserkanäle entlastet, Kosten senkt, Trinkwasservorräte schont und das Grundwasser vor Umweltgiften schützt. Die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung als Gebot der Stunde stand im Mittelpunkt einer Medienveranstaltung mit rund 30 Fachjournalisten aus der Wasserwirtschaft. Die Medienveranstaltung war der Abschluss von 11 Fachtagungen zum Thema Regenwasser, an denen bundesweit über 1.100 Fachleute aus der Wasserwirtschaft teilnahmen.
Bei der Medienveranstaltung, die die Kronimus AG Betonsteinwerke, Iffezheim, und die Mall GmbH, Donaueschingen, organisierten, wurden erstmals die bei 1.900 Architekten, Ingenieuren und Behörden erhobenen Umfrageergebnisse zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung in Deutschland vorgestellt. International anerkannte Wasserexperten wie Professor Dr. Heiko Sieker, Hoppegarten, und Sachverständiger Klaus W. König, Überlingen, legten konkrete Vorschläge zur Lösung der Starkregenprobleme in Zeiten des Klimawandels vor.
Die Veranstalter Mall und Kronimus fordern die Politik in Bund, Ländern und Gemeinden auf, sich noch stärker als bisher für eine rasche, wirkungsvolle und dezentrale Regenwasserbewirtschaftung auf allen Ebenen einzusetzen, so wie es das Wasserhaushaltsgesetz schon länger vorschreibt. Bisher kommt der Umbau der Entwässerungssysteme trotz des Wasserhaushaltsgesetzes, das vor sechs Jahren verabschiedet wurde, nur schleppend voran. Nach Einschätzung der Experten hängt das auch mit dem viele Jahrzehnte währenden Lebenszyklus der Bau- und Wasserinfrastruktur zusammen.
In den bundesdeutschen Genehmigungsbehörden und Planungsbüros ist jedoch ein grundlegender Paradigmenwechsel erfolgt. Markus Böll, Pressesprecher der Mall GmbH, stellte die bundesweit repräsentative Planerumfrage zur Dezentralen Regenwasserbewirtschaftung vor. 80 % der befragten Architekten, Ingenieure und Behörden sehen die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung positiv. 90 % der Teilnehmer haben nur gute Erfahrungen mit dem dezentralen Umgang mit Regenwasser gemacht, die im Kern aus praktischen Maßnahmen zur Versickerung und Rückhaltung, Nutzung und Behandlung von Regenwasser bestehen. 97 % erwarten eine gleichbleibende bzw. verstärkte Nachfrage der Regenwasserbewirtschaftung in den nächsten Jahren. Themen der Zukunft sind Starkregen, Regenwasserversickerung und -behandlung sowie die Gestaltung des urbanen Stadtklimas.
Diese Marktprognose steht im direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel, der laut Prognosen der Meteorologen für mehr Starkregenperioden und Veränderungen im Stadtklima sorgen wird. Nach Einschätzung der Planer sind die bestehenden Entwässerungssysteme nicht in der Lage, vor allem die in den Wintermonaten stark anschwellenden Regenmengen zu bewältigen. Sie favorisieren unter anderem die Regenwasserversickerung und -nutzung, Dachbegrünung und die Verwendung von wasserdurchlässigen Materialien, statt Straßen, Höfe und Plätze mit Asphalt und Beton zu versiegeln.
Ein klares Plädoyer für die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung hielt Professor Dr. Heiko Sieker. Er sieht in Versickerung, Rückhaltung, Nutzung und Behandlung die geeigneten Mittel für eine Anpassung bestehender Entwässerungssysteme an die Herausforderungen des Klimawandels. Eine simple Vergrößerung der Kanalnetze führe dagegen zu enormen Kosten und verlagere die Probleme nur, so Sieker. Schon jetzt seien die Kanäle durch die erhöhten Starkregenabflüsse und weiter fortschreitende Versiegelung überlastet. Die Mischwasserkanalisation in Deutschland laufe durchschnittlich 20 bis 40 Mal pro Jahr über, wodurch Abwässer ungereinigt in Gewässer eingeleitet würden. Diese Praxis habe der Europäische Gerichtshof bereits als “nicht länger tolerierbar” bezeichnet.
In seinem Vortrag über die Vorteile einer dezentralen Regenwasserbewirtschaftung in Deutschland rief der Regenwasserexperte Klaus W. König Bund, Länder und Kommunen dazu auf, eine wasserorientierte Stadtplanung mit weniger versiegelten Flächen voranzutreiben. Dies spare Kosten, indem es Kanäle und Kläranlagen entlaste, verbessere den Umweltschutz und verbessere das Stadtklima und sei somit eine “Win-Win-Win-Situation”. Aktuell werden laut König jedes Jahr immer noch rund 71 Hektar an Grün- bzw. Ackerflächen in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt und dabei ca. 50 % versiegelt. Die Verwendung von wasserdurchlässigen Materialien wäre für Klima und Kosten sinnvoller, so Klaus W. König. Mit Hinweis auf die im Sommer zunehmende Trockenheit und Hitze empfahl er Dachbegrünungen und offene Wasserflächen, wodurch das Stadtklima und das menschliche Wohlbefinden positiv beeinflusst würden. Ganz wichtig ist für König die Nutzung des Regenwassers in Industrie und Gewerbe und in Privathaushalten. Er sprach sich für eine staatliche Verpflichtung bei Neubauten aus, ein zweites Leitungssystem einzubauen. Seiner Meinung nach muss sich die Politik in Brüssel und Berlin zu einem Wasser-Recycling bei Regen- und Grauwasser durchringen, um nennenswerte Einsparungen bei der Ressource Wasser zu erzielen.
Speziell für die Behandlung von versickerndem Regenwasser entwickelte Systeme sorgen dafür, so Martin Kronimus, Vorstandsvorsitzender der Kronimus AG, Iffezheim, dass die ablaufenden Niederschläge vor Ort gereinigt werden und nicht ungefiltert ins Grundwasser gelangen. Nach Darstellung von Kronimus wurden spezielle Betonsteinsysteme entwickelt, die in der Lage seien, Verunreinigungen im Regenwasser dauerhaft zurückzuhalten und somit das Grundwasser zu schützen. Dadurch sei es fast überall möglich, eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung zu verwirklichen – sogar bei stark belasteten Logistikflächen. Mittlerweile könnten neuartige befestigte Flächen angelegt werden, die innerhalb des Belages entwässern und reinigen, so dass Niederschläge unmittelbar vor Ort versickert werden können.
Dipl.-Ing. Martin Lienhard, Leiter Technische Abteilung der Mall GmbH, betonte bei der Veranstaltung, dass es bei der Umsetzung des § 55 “Grundsätze der Abwasserbeseitigung” im Wasserhaushaltsgesetz mangelt. Es sollte keine Mischkanalisation mehr gebaut werden, sofern eine Trennkanalisation möglich ist. Zudem stellte Lienhard neue Systemlösungen für die Regenwasserbehandlung mit verbesserten Reinigungswerten vor und zeigte den Einbau und die Technik von Betonbauteilen am Praxisbeispiel eines Löschwasserbehälters beim SOS-Kinderdorf in Berlin.
Seit über sechs Jahrzehnten hat sich die Mall GmbH mit ihrem umfangreichen Programm für den Hoch-, Tief- und Straßenbau zu einem der bedeutendsten Spezialanbieter mit verfahrenstechnischem Know-how für Kleinkläranlagen, Abscheider und die Regenwassernutzung bzw. Regenwasserbewirtschaftung entwickelt.
Bereits seit fast zehn Jahren setzt Mall auf erneuerbare Energien und stellt Pelletspeicher und Hackschnitzelbehälter in verschiedenen Größen her. Der 2009 neu gegründete Geschäftsbereich “Neue Energien” bündelt nun alle Produkte für Solarthermie, Biomasse / Pellets, Geothermie und Biogas.
Zu Mall zählen sechs Produktionsstätten. Diese befinden sich in Donaueschingen-Pfohren, Ettlingen-Oberweier, Coswig/Anhalt, Haslach im Schwarzwald, Nottuln und in der Nähe von Budapest. Rund 470 Mitarbeiter erwirtschafteten 2014 einen Umsatz von 66 Mio. Euro.
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