(ddp direct) Die Auswirkungen des Erdbebens in Japan im vergangenen Jahr sind überall zu spüren. Insbesondere die Halbleiterindustrie mit Produktion vor Ort ist schwer getroffen. Ein weiteres Zeugnis des Wirkungsbereichs von Naturkatastrophen ist Sony. Das Unternehmen meldete im vergangenen Geschäftsjahr Verluste. Ein Grund: die Flutkatastrophe in Thailand. Weltweit stellen Unternehmen fest, dass ihre Lieferketten empfindlich auf wachsende Risiken reagieren. Mit welchen Konzepten und Werkzeugen können sie unkontrollierbare Ereignisse wie Naturkatastrophen entlang der Supply-Chain-Netzwerke in den Griff bekommen?
Doch nicht nur in fernen Ländern geschieht Unvorhergesehenes. Die gefährliche Kombination aus starkem Wind und heftigen Niederschlägen brachte vor einigen Wochen die Binnenschifffahrt in den Niederlanden zum Erliegen. Einige Kanäle in der Gegend um Enschede mussten erst kürzlich geschlossen werden, da die Deiche zu brechen drohten. Viele Unternehmen konnten ihre Containertransporte zwischen den deutschen Nordseehäfen und Rotterdam nicht über die gewohnten, kostengünstigen Wasserwege durchführen. Sie mussten den Landweg nutzen, was die Transportkosten um einige hunderttausend Euro in die Höhe getrieben hat.
Will man den Einfluss von Naturkatastrophen auf weltweite Lieferketten minimieren, muss man den Faden ganz am Anfang aufnehmen, bei ihrem wetterfesten Design. Unternehmen betrachten bei ihrer Planung zwar Kostentreiber wie Produktionsmittel, Lagerbestände und Transportwege über die gesamte Lieferkette hinweg. Tritt jedoch eine Störung, beispielsweise eine Überschwemmung auf, dann fehlt diesen Unternehmen ein Notfallplan, mit dem sie das Risiko minimieren und die Situation in den Griff bekommen können. Es gibt einen Industriezweig, der vormacht, wie es richtig geht: In der pharmazeutischen Industrie, wo sowohl die Verfügbarkeit der Produkte als auch zertifizierte Herstellungsverfahren für Unternehmen eine absolut kritische Rolle spielen, ist die alternativlose Abstimmung der Supply Chain nicht akzeptabel, erläutert Michael Weidel, Vertriebsdirektor Strategic Solutions Group bei Infor. Für die Zulassung pharmazeutischer Produkte auf den weltweiten Märkten müssen die Hersteller Bestimmungen wie die der FDA (Food and Drug Administration) erfüllen. Jeder Hersteller muss jedes Werk und jeden einzelnen Herstellungsschritt für das jeweilige Arzneimittel kontrollieren und zertifizieren lassen. Das bedeutet zusätzliche Kosten. Es wäre sicher der kostengünstigste Weg, jeweils nur eine Produktionsanlage pro Wirkstoff zu zertifizieren. Doch was tun, wenn ausgerechnet dieses Werk dann durch eine Naturkatastrophe vom Rest der Welt abgeschnitten ist? Die damit verbundenen Risiken schließlich hat der Hersteller einen Ruf zu verlieren und Kosten wären ungleich höher.
Damit die Lieferkette so stabil wie möglich gegen ungeplante Vorkommnisse aufgestellt ist, empfiehlt es sich, strategisch vorzugehen und mindestens zwei Produktionsanlagen pro Arzneimittel zu zertifizieren. Denn das Risiko, so Weidel weiter, aufgrund einer optimalen aber eben auch labilen Lieferkette die Produktion einstellen zu müssen und somit weder Mediziner noch Patienten mit den eigenen Produkten versorgen zu können, ist für unsere Kunden in der Pharmaindustrie nicht tragbar.
Gegen alle Eventualitäten geimpft
Pharmaunternehmen sind Pioniere im strategischen und sicheren Design ihrer Lieferketten. Supply-Chain-Management-Lösungen helfen ihnen dabei, die Planung ihrer Lieferketten zu optimieren, alternative Wege mit ihren finanziellen Konsequenzen im Blick zu behalten und diese Notfallpläne im Bedarfsfall schnell und ohne Reibungsverluste umzusetzen. Die jüngsten Ereignisse in Japan zeigten, dass nicht alle Industrien diese Risiken beim Design ihrer Lieferketten im Blick haben. Einige Automobilhersteller zum Beispiel setzen auf japanische Lieferanten, die nirgendwo sonst auf der Welt zu finden sind. Die Bereitstellung spezifischer Teile dieser Lieferanten wurde schwerstens von den Folgen des Erdbebens betroffen.
Moderne Supply Chain Netzwerke sind komplex. Häufig dreht es sich darum, eine Vielzahl von Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Dabei geht es in den meisten Fällen nicht um die ganz großen Naturkatastrophen, fährt Michael Weidel fort. Einflussgrößen können auch eine schwankende Nachfrage und die zum Ausgleich benötigten Liefermengen sein etwa bei einer Promotion-Aktion, die erfolgreicher läuft als erwartet. Der Trend geht hin zu abteilungsübergreifenden Supply-Chain-Planungen. Unternehmen erstellen eine Vielzahl von Was-wäre-wenn Szenarien. Sie können diese gegebenenfalls gegeneinander halten und so eine Situation analysieren und schnell entscheiden, wie zu reagieren ist.
Immer in Bewegung bleiben
Die Ungewissheit über zukünftige Ereignisse und der Mangel an gesicherten Informationen machen es in der Praxis nicht leicht, flexibel zu bleiben. Das übliche Design eines Supply-Chain-Netzwerks baut auf strategischen Entscheidungen auf, die in Stein gemeißelt scheinen. Ist erst einmal über Lieferanten, Produktionsstandorte oder Transportwege entschieden, wirkt sich das Supply-Chain-Design auf die gesamte Kostenstruktur des Unternehmens aus. Unternehmen, die diese Eck- und Angelpunkte fortlaufend anhand von Beobachtungen und Signalen simulieren und optimieren, bleiben handlungsfähig und können Kosteneinsparungen erzielen, indem sie lediglich kleine Änderungen an ihren Prozessen vornehmen.
Es reicht dabei nicht aus, eine effiziente Supply Chain zu planen; Unternehmen müssen heutzutage gleichsam schnell und dynamisch sein. Leistungsfähige Supply-Chain-Lösungen unterstützen die Anwender mit Szenarien, die ihnen helfen Risiken zu identifizieren und ihre Entscheidungen anhand von zuverlässigen Prognosen ständig zu optimieren.
Risiken wie Naturkatastrophen entlang der Lieferkette lassen sich nicht beherrschen. Aber die richtigen Methoden und Werkzeuge im Supply-Chain-Management helfen Unternehmen dabei, flexibel zu bleiben und aus einer Vielzahl von Alternativen den richtigen Weg zu finden. Hat ein Unternehmen schnell genug Notfallpläne parat und kennt es deren Konsequenzen, dann lässt es sich auch von einer Naturkatastrophe nicht so schnell aus der Bahn werfen.
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