Anfang Mai starteten die in Hongkong ansässigen Britinnen Stephanie Holland und Jessica Stephens den Onlineshop ,,Aurza”, der maßangefertigte Kleider auf Basis von 3D Körperscans anbietet.
Auch im 21. Jahrhundert verlässt sich ein Großteil der Textilindustrie noch auf jahrzehntealte Maße für die verschiedenen Konfektionsgrößen. Die Folge: Konsumenten sind bei Konfektionsware oft zu “Kleidungskompromissen” gezwungen, so die in Hongkong ansässigen Unternehmerinnen. “Als westliche Frauen in den Dreißigern fiel es uns schwer, altersgemäße, erschwingliche und gut passende Kleider zu finden. Die Zusammenarbeit mit Schneidern war auch eher unbefriedigend, da wir nicht einfach schnelllebige Mode kopieren wollten. Und um in etwas Klassischem, wie etwa im Chanel-Stil, gut auszusehen, braucht man detaillierte Schnittmuster,” erläutert Holland.
Da sie die Vorzüge der Maßschneiderei nutzen wollten, entschieden sich die beiden Geschäftspartnerinnen für den Einsatz moderner Technik. “Wir hörten vom 3D Scan und haben uns in eine Datenbank, die auf 10.000 Frauen unserer Altersgruppe basiert, eingekauft.”
Aurza ist das erste Bekleidungsunternehmen, dass die Daten, die für Demographie und generelle Größentabellen genutzt werden, für diesen Zweck einsetzt. Ergänzend zur Datenbank garantieren 3D Schnittvorlagen Aurza eine Vorreiterrolle bei der Lieferung maßgeschneiderter Kleidung. “Für die etablierten, großen Marken ist es schwieriger, schnell zu 3D zu wechseln. Kleidung aus den gängigen Geschäften passt aus unserer Sicht etwa 60 Prozent der Kunden. Unsere Kleider werden 80 Prozent passen.”
Insgesamt investierten Holland und Stephens rund 54.000 USD in eine interaktive Webseite und erwarben ein digitales Mannequin und die entsprechenden Größenvorgaben.
Entscheidend für die Entwicklung jedes Designs war die Passgenauigkeit der ersten Schnittvorlage. “Das richtige Fundament ist die ideale Plattform für die weitere Entwicklung,” sagt Holland über die Zusammenarbeit mit einem Schneidermeister. Bei der Auswahl der Stoffe war Jessica Stephens Expertise als Innenarchitektin von großer Bedeutung. “Wir haben uns für Materialien aus gewebten Stoffen entschieden, die nachgeben, wie etwa Krepp.”
Zu den Herausforderungen gehörte neben der Suche nach den Herstellern hochwertiger Stoffe auch die nach den Produktionsstätten für die Kleider. Hier konnten die Unternehmerinnen auf Unterstützung aus der Branche bauen und “auch Unternehmen, die von vornherein eine Zusammenarbeit abgelehnt hatten, gaben ehrliche und hilfreiche Ratschläge,” betont Stephens.
Kunden können jetzt aus einer Reihe klassischer Schnitte wählen und Kragenform, Rock- und Ärmellänge selbst bestimmen. In der Fabrik gewährleistet ein Schneidermeister, dass die Kundenwünsche umgesetzt werden. “Es dauerte einige Zeit, den Arbeitern zu vermitteln, dass jedes Kleid einzigartig ist und wir keine Massenware herstellen. Wir können nicht vorfertigten,” so Holland über die Anfänge der Produktion.
Zunächst planten die Unternehmerinnen die Ware in einer Boutique zu verkaufen, doch nach dem Feedback aus Verkaufsgesprächen entschieden sie sich für den Onlineshop. “Obwohl die Kunden die Materialien anfassen und das Kleid erleben konnten, tat sich die Mehrheit schwer damit, über die vorgestellten Muster hinaus zu denken. Online bieten wir die Möglichkeit, mit dem Designtool hunderte von Kombinationen zum Leben zu erwecken. So können Frauen ihr ultimatives Kleid kreieren.”
Als die Produktionsphase näher rückte, griffen Stephens und Holland auf die Crowdfunding Seite indiegogo.com zurück, um weitere Geldmittel zu organisieren und ihre Geschäftsidee zu testen. “Das Feedback auf der Seite ist sehr ehrlich und sie bietet den Test in einem sicheren Umfeld. Am besten ist es, bereits das Anfangsprodukt zur Diskussion zu stellen und nicht Jahre damit zu verschwenden, das Produkt zu entwickeln und zu perfektionieren,” erklärt Stephens die Entwicklung von Aurza und fügt hinzu, dass die von Indiegogo vorgegebene Deadline die Umsetzung der Geschäftsidee vorantrieb.
Insgesamt bekam Aurza knapp 30.000 USD von 108 Geldgebern. Die Einnahmen überstiegen das zu Beginn gesetzte Ziel um 151 Prozent. 84 Prozent der Geldgeber waren Privatpersonen. 90 Prozent der Unterstützer kamen über direkte Netzwerkaktivitäten der Unternehmerinnen, etwa über Email, Facebook und Blogs.
Momentan wird noch von Zuhause aus gearbeitet. Geplant ist die Einstellung eines Geschäftsführers, um sich dann zu zweit um die weitere Geschäftsentwicklung zu kümmern. “Unser Geschäftsplan sieht vor, innerhalb der ersten zwei Geschäftsjahre bis zu 250 Einheiten monatlich zu verkaufen und uns im Segment ähnlicher Onlineangebote, zum Beispiel Shoe of Prey aus Australien, zu bewähren. Wenn wir dann ausreichend Informationen und Erfahrungen gesammelt haben, werden wir Business Angels kontaktieren und sie zu überzeugen versuchen, in uns zu investieren. Zunächst wollen wir aber bestimmte Ziele aus eigener Kraft erreichen,” erläutert Stephens die Zukunftspläne von Aurza.
Die Zielgruppe des Shops geht über Hongkong hinaus. “Wir werden uns weiterhin auf westliche Größen konzentrieren und auf solche Märkte, deren Daten uns bereits vorliegen.” In Hongkong ansässig zu sein, sei aber ausschlaggebend für die Realisierung ihrer Idee gewesen. Die Ressourcen in Hongkong seien fabelhaft. Der Schnittdesigner von Aurza halte eigene Patente und gehöre zu den besten weltweit. “Hongkong ist ein großartiger Ort, um ein Start-up zu gründen. Die Menschen sind sehr offen für neue Ideen und haben sich keine Sorgen gemacht, dass wir ihre Ideen stehlen. Uns wurden viele Informationen kostenfrei zur Verfügung gestellt. In Anbetracht der Größe Hongkongs ist auch das Networking um einiges einfacher,” ergänzt Stephens.
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