Die Corona Krise hat deutlich gemacht, wie verletzlich unsere weltweiten Supply Chains mittlerweile geworden sind. So wissen seit dieser Zeit nicht nur ausgewiesene Einkaufs- und Supply Chain Experten, was es bedeutet, wenn global agierende Lieferketten plötzlich unterbrochen werden bzw. ganz abreißen. Wir alle haben noch mehr als deutlich die Bilder von leergeräumten Toilettenpapier-, oder Nudelregalen vor Augen. Selbst in der Politik ist das Thema mittlerweile angekommen. So diskutieren Politiker über erste „Lieferkettengesetze“, in der die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutzmaßnahmen entlang unserer globalen Wertschöpfungsketten festgeschrieben werden sollen.
Welche Herausforderungen ergeben sich daraus u.a. für Ihr Unternehmen, wie sieht ein effektives Corona Coaching aus?
Digitalisierung
Digitale Unternehmen konnten sich viel besser und schneller auf die Krise einstellen, als es nicht digitale Firmen vermochten. In Zeiten von globalen shut-downs steht Ihnen die elektronische Infrastruktur ihres Unternehmens, sowie ihrer Lieferanten und Kundennetzwerke nicht mehr vollständig zur Verfügung. Abstimmungen und Koordination von Maßnahmen gestalten sich in Zeiten von Kurzarbeit (mit z.B. unterschiedlichen Arbeitszeiten) zunehmend schwieriger.
Wenn wir auf die globale Ebene gehen, wird es ungleich schwieriger, ihre Teams, Lieferanten- und Kundennetzwerke in APAC, EMEA und Amerika zu koordinieren. Hier führt sicherlich kein Weg mehr an der Digitalisierung und fortschreitenden Vernetzung unserer Systeme vorbei, um den Waren-, Informations- und Geldfluss sicherzustellen.
Übrigens, wie stellt sich ihr Unternehmen für die Zeit nach der COVID-19 Krise auf? Nutzen Sie jetzt schon die Zeit für eine weitere Digitalisierung Ihrer Prozesse, für eine verbesserte Anbindung von Kunden und Lieferanten, für die Evaluation neuer Technologien (z.B. Einbindung von Start-Ups), oder für eine weitere Qualifikation Ihrer Teams?
Digital Leadership:
Firmen entwickeln sich rapide zu Unternehmen die Daten sammeln, analysieren und zu ihrem eigenen Vorteil auswerten. Aus dem Verkauf dieser Markt-, Kunden- und Lieferketteninformationen lassen sich ebenfalls neue, digitale Geschäftsmodelle ableiten.
Manager müssen die Fähigkeiten und Expertise haben, die Vorteile aller Tools und Technologien bestmöglich zu nutzen und neue Denk- und Arbeitsweisen in Ihre Unternehmen und Organisationen zu bringen. Sie müssen eine Umgebung schaffen, die das Potenzial für Kreativität und Innovationen freisetzt, indem sie ihre Mitarbeiter bei diesen Veränderungsprozessen mitnehmen, Vertrauen kreieren und eine sichere Umgebung schaffen, so dass die gesamte Organisation effizient, effektiv und ökonomisch arbeiten kann (Nicoletti 2020).
Wie ist die „work experience“ Ihrer Mitarbeiter, wo haken Ihre internen und externen Prozesse und wie stellen Sie wirklich die Zufriedenheit Ihrer Endkunden sicher?
Zukünftige Organisation müssen sich viel mehr in Richtung Proaktivität und Kollaborationen orientieren, d.h. weg vom traditionellen „operating model“, das auf Hierarchien und Standardrollen basiert, hin zu einer flachen Organisation mit weniger definierten Rollen und mehr Freiräumen für Ihre Mitarbeiter.
Mit Konzepten der Industrie 4.0 können Unternehmen Wettbewerbsvorteile erreichen, während sie gleichzeitig die Transparenz erhöhen und das Risiko reduzieren.
Es geht also nicht darum, lediglich eine Technologie einzuführen, sondern vielmehr darum, alle Ebenen der Unternehmenshierarchie auszubilden und zu coachen, denn digitale Skills werden zukünftig auf allen Leveln des Unternehmens benötigt (Nicoletti 2020).
In einer volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Welt (VUCA) sind die Herausforderung mit den traditionellen Ansätzen vom Supply Chain und Einkauf nicht mehr zu meistern. Big Data Analytics, künstliche Intelligenz, Robotik, Industrie 4.0 sind wesentliche Treiber für die kommenden Technologieimplementierungen in allen Unternehmensbereichen und -funktionen.
Die Herausforderungen hierbei sind nicht nur technischer und ökonomischer Natur, sondern vor allen Dingen liegen diese in den Bereichen der Führung und der Organisationsform.
Um eine reibungslose und nahtlose Transformation zur Industrie 4.0 auch wirklich umzusetzen, muss man das Bewusstsein und die Sensibilität seiner Mitarbeiter erhöhen, einen Ausbildungs- und Trainingsprozess etablieren und alle Mitarbeiter des Unternehmens von der obersten Führungsebene bis hin zum Shop-Floor einbinden.
Ihre Leadership Roadmap für die digitale Transformation könnte z.B. folgendermaßen aussehen:
- Bewusstsein und Sensibilität erhöhen
- Redesign der Arbeits- und Kommunikationsweisen
- Bildung von cross-funktionalen Gruppen und unternehmensweiter/globaler Erfahrungsaustausch
- Überwinden der technologischen Unsicherheiten und des Widerstandes zur Veränderung
Agilität
In Zeiten der Krise ist es nicht nur wichtig, die richtigen Entscheidungen zu treffen, sondern diese auch schnell zu treffen. So haben mehrere große Einkaufsnetzwerke ihre Plattformen in den Anfangszeiten der Korona Krise gratis zur Verfügung gestellt, um Ihrer Community die Möglichkeit zu geben, schnell Alternativlieferanten zu finden, Kundenlieferungen sicherzustellen oder für den öffentlichen Bereich, sich mit Atemschutzmasken und Desinfektionsmitteln eindecken zu können.
Andere Organisation, die ebenfalls diese Gedanken hatten, allerdings erst mit 5- bis 6-wöchiger Verspätung eine ähnliche Veranstaltung auf die Beine gestellt haben, mussten sich damit begnügen, dass die Ausweichlieferanten nun ebenfalls mittlerweile vollständig ausgebucht waren, und sich die Preise zu diesem Zeitpunkt bereits in astronomischen Höhen bewegten.
Kennen Sie „Scrum“ oder „Design Thinking“?
Dieses sind agile Methoden aus der Softwareentwicklung, die viele Unternehmen mittlerweile für Ihre eigenen Entwicklungs- und Time-To-Market- Prozesse übernommen haben. Hier gibt es etablierte Methoden, Rollen und Abläufe, so dass die sich selbst organisierende Teams viel schneller, bessere Ergebnisse erreichen. Kundenzentrierung, Agilität und schnelles Ausprobieren und Scheitern sind hier nur einige Schlagworte.
Aber was machen Sie bei großen Konzernen oder globalen Unternehmens-agglomerationen? Auch hier gibt es skalierbare Modelle (SAFe, LeSS oder Scrum of Scrums), die man, je nach Anwendungsfall, individuell auf die Unternehmenssituation anpassen muss, so dass das nicht nur einzelne Bereiche des Unternehmens agiler werden, sondern das das gesamte Unternehmen schneller, flexibler und kundenorientierter auf sich ständig verändernde Anforderungen reagieren kann.
Risikomanagement
Gerade mit dem Bereich des Risikomanagements sind in diesen Tagen besondere Anforderungen verbunden. Risiken müssen kurz und schnell abgeschätzt werden, Kundenaufträge beliefert, die Versorgung der Produktion mit Rohstoffen, Komponenten oder Halbfertigmaterialien muss sichergestellt werden.
Gleichzeitig brechen die Umsätze/Sales ein, so dass erst einmal kurzfristig die finanzielle „Notbremse gezogen“ wurde und bei vielen Firmen z.Zt. ein Ausgabenstopp herrscht. Alles was nicht absolut überlebensnotwendig ist, wird gestrichen, d.h. dringend benötigte Investitionen in Technologie/Digitalisierung, neue Maschinen, Ausbildung, Training und Weiterbildungsmaßnahmen fallen bei vielen Firmen leider erst einmal sehr kurzfristigen Einsparmaßnahmen zum Opfer.
Auf der anderen Seite müssen sie immer noch Ihre Lieferantenbasis fest im Blick haben. Gibt es Schlüssellieferanten/Monopollieferanten die sich ggf. kurz vor der Insolvenz befinden, und die sie (auch im eigenen Interesse) unterstützen müssen?
Hier ist ein gutes Krisenmanagement gefragt, denn teilweise erwarten ihre Kunden kurzfristige Lieferungen und drohen ihrerseits mit finanziellen Strafmaßnahmen, sollte Ihr Unternehmen nicht innerhalb kürzester Fristen liefern können, ohne dass sie Ihnen ihrerseits Termine, Mengen oder Forecasts zur Verfügung stellen.
Wie steuern Sie Ihren cash-flow? Können Sie kurzfristig Zahlungsziele verlängern und schneller ihre ausstehenden Forderungen eintreiben? Müssen Sie Mitarbeiter entlassen, oder können Sie die Krise zunächst einmal über den Abbau von
Überstunden, Gleitzeitkonten und Kurzarbeit meistern?
Oder versuchen Sie, die Krise per Ausgabenstopp zu „überleben“, um dann, mit den alten Prozessen, Systemen und Denkweisen so wie bisher weiter zu machen? Mittel- und langfristig gesehen, werden sie mit diesem Vorgehen sicherlich nicht sehr erfolgreich sein.
Natürlich können Sie nicht Lieferanten von heute auf morgen austauschen, ganze Produktionsstandorte schließen oder verlagern, oder neue, digitale Geschäftsmodelle erfinden, um so Ihren potentiellen Kundenkreis zu erweitern. Aber vielleicht können Sie die Zeit nutzen, um danach gestärkt aus der Krise zu kommen?
Haben Sie hier ein gut funktionierendes und schnelles Echtzeit Risiko Management, das tagesaktuelle Daten auswertet und diese für Sie in fundierte und bewertbare Handlungsoptionen umwandelt?
Wettbewerb um Talente
Der „war for talents“ hat längst begonnen. Im Zeitraum 2030/35 wird ein Großteil der Babyboomer Generation in Rente gehen und die sogenannten „Millenials“ mehr als 63 % der arbeitenden Bevölkerung darstellen.
Wie gewinnen Sie Talente? Wie entwickeln und fördern Sie diese? Und sicherlich, nicht weniger entscheidend, wie halten Sie diese in Ihrem Unternehmen?
Es gibt hier sicherlich verschiedene Modelle und Methoden, für ihr Unternehmen den richtigen Weg zu finden, um die Expertise der erfahrene Mitarbeiter und die Technologiekompetenz der jungen Mitarbeiter effizient miteinander zu kombinieren.
Aber die Ansprüche der neuen Generation (Work Life Balance) sind sicherlich deutlich unterschiedlich, von den Werten und Verhaltensgrundlagen, mit denen wir (Baby Boomer, Generation X) gelernt haben, zu arbeiten.
Prozess Mining und RPA (Robotics Process Automation)
Wären Sie gerne in der Lage, all ihre Prozesse auf Knopfdruck mit Echtzeit-Daten sehen zu können, und anstelle langwieriger Prozess Workshops, die meistens nur ein einziges Bild ihres aktuellen „Ist-Prozesses“ (wie ein Polaroidfoto) abbilden, sämtliche Varianten und Redundanzen, bzw. unnötige Schleifen sehen zu können?
Dieses ist mit der modernen Prozess Mining Technologie möglich. Durch Zugriff einer externen Software auf ihr ERP System (z.B. SAP, Oracle, …) können Sie jeder Aktivität einen Zeitstempel geben, und diese einem Prozess zuordnen. So können Sie z.B. Durchlaufzeiten von Bestellungen, Materialhandlings Prozesse, Bezahlungen von Rechnungen, den Cashflow und andere kritische Unternehmensprozesse visualisieren, Engpässe identifizieren und Prozesse effizienter gestalten.
Hier gibt es in Deutschland bereits zwei hervorragende Anbieter (Celonis und Scalue), die Ihnen helfen, ihre aktuellen Prozesse zu analysieren.
Darüber hinaus können Sie auch repetitive und sich wiederholende Aufgaben sehr gut identifizieren und diese zum Beispiel mit RPA (Robotic Prozess Automation) automatisieren und somit ihre Mitarbeiter für höherwertige, strategischere Aufgaben einsetzen. Marktführer in diesem Segment sind sicherlich UI Path, Blue Prism und Automation Anywhere.
Bei der Kombination von Prozess Mining und RPA geht es nicht nur darum, die Produktivität von Prozessen zu erhöhen und die Kosten zu reduzieren, sondern es geht auch darum, operative Reibungsverluste zu minimieren und langfristig ihr Unternehmen/ Ihr Ökosystem in Richtung Hyperautomation zu bewegen.
Sie können diese Technologien in den verschiedensten Bereichen anwenden, zum Beispiel:
- Verbesserung des Cash flows durch Reduzierungen von Rückweisungen/rejects, backorders, oder terminlichen Umplanungen
- im Einkauf (Analyse kompletter PO/BANF Prozesse bis zur Bezahlung)
- Verringerung von Prozesskosten durch Eliminierung von unnötigen Prozessblockaden/ bottlenecks
- Reduzierung des Working Capitals durch Optimierung der Zahlungsziele
Gerade die Punkte a) und d) können in Zeiten der COVID-19 Krise für Unternehmen teilweise überlebenswichtig sein.
Künstliche Intelligenz, Algorithmen und Start Ups
Nutzen Sie bereits künstliche Intelligenz oder Algorithmen?
Heutzutage gibt es bereits viele interessante technische Möglichkeiten relevante Geschäfts- und Marktdaten für Unternehmen auszuwerten. Agile und innovative Start-Ups bieten hier gerade im Bereich Einkauf und Supply Chain viele ausgereifte Lösungen an, die Unternehmen ermöglichen, schnell und faktenbasiert zu reagieren. Das ist natürlich gerade in Krisenzeiten extrem wichtig.
So verwendet zum Beispiel die Fa. „Scoutbee“ künstliche Intelligenz, um Märkte zu analysieren und neue, alternative Lieferanten zu finden.
Benötigen Sie schnell eine Preisanalyse für einzelne Teile, Komponenten oder fertige Produkte? Hier stellt die Firma „What The Price (WTP)“ eine kostengünstige Datenbank zur Verfügung, mit der sie einfach und schnell Preisanalysen fahren können, wobei sie nicht nur Material-, sondern auch Lohn-, Fertigungs- und Transportkosten sowie Währungsfaktoren in Ihre Kalkulation mit einbeziehen.
Sie wollen ihre B & C Artikel optimieren? Auch hier bieten die Firmen archlet und mysupply kostengünstige und innovative Lösungen an.
Sie benötigen in dieser Zeit in diesen volatilen Zeiten ein geeignetes Tool zum Thema Risk Management? Hier gibt es u.a. Lösungen von „riskmethods“ oder „DPDHL-Resilienz 360°“ die mittels künstlicher Intelligenz Nachrichten, Wirtschafts- und Finanzdaten aufbereiten, und diese anhand der klassischen PESTLE- Faktoren für Sie in eine quantifizierbare und datenbasierte Risikobewertung umwandelt, sowie mögliche Handlungsszenarien für Sie bewert- und nachvollziehbar aufbereitet.
Also „googlen Sie noch“, oder haben Sie bereits eine künstliche Intelligenz oder einen Algorithmus der für Sie Daten aufbereitet, damit Sie schnell und faktenbasiert strategische Geschäftsentscheidungen treffen können?
Nachhaltigkeit:
Larry Fink macht ernst. Nachdem der CEO von Blackrock (der größten private Equity Firma der Welt) im Januar im Vorfeld des Weltwirtschaftsgipfels in Davos seinen „Brandbrief“ an alle CEOs der Welt geschickt hatte, indem er sie alle eindringlich warnte Umweltschutz Ziele zukünftig sehr ernst zu nehmen („Climate risk is Investment Risk“) lässt er nach einer Frist von 6 Monaten nun seinen Worten auch Taten folgen.
Vor zwei Wochen berichtete die Financial Times, dass Blackrock 53 Firmen „bestraft“ habe, da sie ihren kommunizierten Nachhaltigkeits- und Umweltschutzzielen nicht ausreichend nachgekommen waren.
Dieses ist in der Tat ein sehr starkes Signal von Seiten großer Investoren „große Geldbeträge auch sehr viel schneller als gedacht aus Unternehmen abzuziehen“, die nicht nachhaltig produzieren oder wirklich umweltfreundlich bzw. klimaneutral aufgestellt sind.
Bosch hat als eines der ersten deutschen Unternehmen CO2 Neutralität bis zum Ende dieses Jahres angekündigt, die CO2 neutrale Gestaltung der gesamten Lieferkette soll bis 2030 erfolgen.
Gerade vor kurzem habe ich an einem sehr interessanten Webinar von Roland Berger teilgenommen, bei dem auch andere prominente Firmen genannt wurden, die sich durch die Umsetzung von Umweltschutzzielen einen Wettbewerbsvorteil/USP versprechen. Wal-Mart und Apple sind hier einige prominente Beispiele, die ihre globalen Supply Chains zusammen mit Ihren Lieferanten und Dienstleistern CO2 Neutralität bis 2030 erreichen wollen.
Nachhaltigkeit ist längst kein reiner Kostenfaktor mehr, denn die Kunden sind mittlerweile bereit, für nachhaltig produzierte Produkte oder Services auch mehr zu bezahlen.
Die absehbare, zukünftige Verschärfung von gesetzlichen Vorgaben von Seiten der EU oder der Bundesregierung wird ihr übriges tun, die Auflagen bezüglich des Umweltschutzes und der Einhaltung von Menschenrechten entlang der kompletten, globalen Lieferketten (Lieferkettengesetz) weiter zu verschärfen.
Wie sind Sie in diesem Bereich aufgestellt? Haben Sie bereits Transparenz über ihre gesamte Lieferkette, sowie deren jeweiligen Unterlieferanten (Tier 2 – Tier n Lieferanten)?
Vielleicht ist das eine oder andere Thema kritisch bzw. relevant für Sie, oder hat Sie näher angesprochen?
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