Präzedenzurteil des Sozialgerichts Braunschweig zur Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets
Erftstadt, 29.10.2013. Schüler aus sozial schwachen Verhältnissen haben auch dann Anspruch auf eine Finanzierung des Nachhilfeunterrichts, wenn sie nicht akut versetzungsgefährdet sind. So lautet das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig (AZ S 17 AS 4125/12). Durch die außerschulische Förderung erlange der Schüler die Bildung, die er für seinen künftigen Berufsweg benötige. Der Bundesverband Nachhilfe- und Nachmittagsschulen e.V. (VNN) begrüßt das Urteil. Es schaffe Klarheit, diene den ausführenden Behörden als Entscheidungsgrundlage und lasse die Betroffenen Hoffnung schöpfen.
Nicht die Versetzung, sondern das Erreichen eines ausreichenden Lernniveaus sei das Lernziel der Nachhilfe als eine das Angebot der Schule ergänzenden Lernförderung, erklärten die Braunschweiger Richter. Nachhilfeunterricht könne dazu dienen, den Lernstoff aufzuarbeiten, nicht Verstandenes nachzuarbeiten, Lücken gar nicht erst aufkommen zu lassen, die Note zu verbessern oder eine Verschlechterung der Note zu verhindern. Daher könne die Übernahme der Nachhilfe-Kosten für Kinder aus Hartz IV-Familien nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Versetzung gefährdet ist oder nicht.
“Das Braunschweiger Urteil ist die Grundlage für mehr Chancengerechtigkeit”, begrüßt Dr. Cornelia Sussieck, Vorsitzende des VNN , das am 23.10.2013 veröffentlichte Urteil.
Da bislang eine eindeutige und einheitliche Regelung fehlte, hätten die Behörden vor Ort den Anspruch auf Teilhabeleistungen nach § 28 SGB II nach eigenem Ermessen entschieden. Mit der Folge, dass viele Anträge auf außerschulische Förderung abgelehnt worden seien, weil die Versetzung nicht akut gefährdet war.
Der Fall des 16-Jährigen, der jetzt geklagt hatte, sei kein Einzelfall, weiß Sussieck. Fast alle Mitglieder des VNN , so die Vorsitzende des Verbands, kennen Fälle von Schülerinnen und Schülern aus sozial schwachen Familien, deren Anträge auf Finanzierung der Nachhilfe abgelehnt worden sind – obwohl Nachhilfeunterricht wie im Fall des klagenden Schülers vom Lehrer der öffentlichen Schule empfohlen worden sei. Einige Nachhilfeschulen des VNN haben diesen engagierten Schülerinnen und Schülern schon kostenlose Nachhilfestipendien eingeräumt. “Schließlich trägt doch gerade die Investition in die Bildung dazu bei, spätere Hilfsbedürftigkeit zu verhindern.”
In seinem Urteil beruft sich das Sozialgericht Braunschweig auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Schüler, heißt es dort, hätten Anspruch auf Chancengerechtigkeit. Hierzu könne auch Nachhilfeunterricht einen Beitrag leisten. Bildung, so die weitere Argumentation beider Gerichte, helfe, gesellschaftliche Exklusionsprozesse zu beenden und ermögliche Kindern aus einkommensschwachen Haushalten, später aus eigenen Kräften ihren Lebensunteralt zu bestreiten.
Der VNN wurde 1998 als Interessenverband Nachhilfeschulen e.V. gegründet und ist der älteste und größte Verband der Nachhilfe-Branche. 2003 erhielt er seinen heutigen Namen “Bundesverband Nachhilfe- und Nachmittagsschulen (VNN) e.V.”. Der VNN setzt sich für mehr Transparenz und verlässliche Qualität in der institutionellen Nachhilfe ein. Die ihm angeschlossenen privatwirtschaftlichen Nachhilfeorganisationen stehen für hohe Qualitätsstandards und die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern in Kleingruppen oder Einzelunterricht. Dies gibt Eltern, Kindern und Jugendlichen Sicherheit und Orientierung. Der VNN vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber der Politik und in der Öffentlichkeit und fördert den vertrauensvollen Dialog zwischen Schule, Politik und Wirtschaft. Sitz des Bundesverbandes ist Erftstadt. www.nachhilfeschulen.org.
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