Die weltgrößte IT-Messe ist eröffnet: Bundeskanzlerin Merkel hat zum Start der Cebit für Vertrauen in die neuen Technologien geworben. Aber gerade daran hapert es dem Produkt, in das die Branche die größte Hoffnung setzt: Cloud Computing und Datensicherheit- zwei Begriffe, die bisher noch nicht Hand in Hand gehen.
FLIP4NEW, Friedrichsdorf, 06.03.2012
Wer nach Hannover fährt, um dünne Laptops, rasante Videospiele und hochauflösende Bildschirme zu sehen, wird enttäuscht. Denn auf der Cebit geht es um etwas anderes.
Hier wird von “smarte Ideen für den Mittelstand” gersprochen: Die “Cloud” kümmere sich um die Arbeit, während man sich selbst um sein Unternehmen kümmern könne. Die Auslagerung von IT-Prozessen in die virtuelle Datenwolke (die “Cloud”) verspricht eine verbesserte Produktivität, höhere Sicherheit und die Senkung der Kosten für die IT-Infrastruktur um die Hälfte. Wer sich dafür interessiert, ist auf der Cebit genau richtig.
Die Cloud ist eine mehr oder weniger sichere Plattform im Internet, die sowohl Speicherplatz bietet als auch verschiedene Anwendungen ermöglicht, wie etwa die Buchhaltung oder die Erstellung von Dokumenten. Von jedem Ort aus, ob Büro oder Wartehalle am Flughafen; von jedem Gerät aus, ob Smartphone oder Laptop. Nur eine Internetverbindung braucht es.
Diese Form der Datenspeicherung soll vor allem für mittelständische Unternehmen interessant sein.
Bisher hat nur jedes zehnte Unternehmen seine digitalen Akten, Kundenlisten oder Konstruktionspläne bislang in ein fremdes Rechenzentrum ausgelagert.
Den Rest der 3,6 Millionen Mittelständler will René Obermann, Chef der deutschen Telekom als Kunden für seine Cloud gewinnen.
Auf der Computermesse Cebit in Hannover stellt die Telekom diese Plattform vor.
Sie erklärt, daß die Daten über abgeschottete Leitungen fließen und, falls sie besonders wertvoll sind, eine Kopie davon in einem zweiten Rechenzentrum liegt. Die Telekom betont, dass auch jene 60 von insgesamt 90 Rechenzentren, die die Telekom außerhalb von Deutschland betreibt, den technischen Standards entspricht, die der Gesetzgeber hierzulande vorschreibt.
“Die deutsche Cloud wird zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor”, so Obermann.
Er weiß um die große Unwägbarkeit dieses Produktes: die Sorge der Unternehmen um ihre Daten. Ihr Vertrauen muss Obermann gewinnen, sonst wird das Geschäft, das neues Wachstum bringen soll, nachdem die Umsätze zur Zeit stetig schrumpfen, zu einem Schloss in den Wolken.
Auf 5,3 Milliarden Euro schätzt der Branchenverband Bitkom den deutschen Markt für Cloud-Dienste bisher. Ein gutes Drittel davon entfällt auf Privatleute, die längst Musik und Fotos irgendwo im Internet statt im Regal lagern. Der große Teil jedoch sind die Geschäftsleute, die eher dem Großrechner im Keller vertrauen, als dem Speicher in der Wolke.
Nur auf den ersten Blick scheint die Freiheit der Daten im weltumspannenden Internet und der Begriff einer “deutschen Cloud” nicht recht zusammen zu passen. Doch auch in dieser Frage hilft ein Griff in den Zeitschriftenstapel daheim, dieses Mal ein Blick in eine Fernsehprogrammzeitschrift. Dort werden “Cloud-Anbieter” getestet und solche mit einer deutschen TÜV-Zertifizierung lobend erwähnt. Die “iCloud” von Apple gehört mit Recht nicht dazu.
Es bleibt abzuwarten, ob sich die Telekom bei dieser Entwicklung gegen die großen amerikanischen Anbieter, die attraktive Servicepakete schnüren, durchsetzen kann.
Gerade die hiesige Softwarebranche lebt von individuellen Anwendungen, die auf die speziellen Bedürfnisse von Mittelständlern angepasst sind.
In der Cloud aber wird nicht mehr über langjährig laufende Lizenzverträge, sondern über kurze Abonnements abgerechnet. Deshalb müssen die Programme möglichst standardisiert sein, also eine Vielzahl von Kunden ansprechen, damit sich deren Entwicklung lohnt.
Um den Anforderungen der Kunden trotzdem gerecht zu werden, sind gute Entwickler nötig.
38 000 offene Stellen für IT-Fachkräfte zählt man hierzulande.
Intelligente Netze
Neben dem Cloud Computing geht es vor allem um intelligente Netze. Damit ist die Nutzung der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie in der Energieversorgung, in der Verkehrssteuerung, im Gesundheitswesen, im Bildungssystem und in der Verwaltung gemeint. Das wird die gute Nachricht von Hannover sein: Sowohl in der “Cloud” als auch in den intelligenten Netzen liegen enorme Chancen für die in ihrer Bedeutung oft unterschätzte deutsche IT-Industrie.
Weitere Trends: noch mehr Sicherheit, Internet auf vier Rädern und das Smartphone als Geldbörse
Mehr Sicherheit
Die Telekom startet im Frühjahr den E-Mail-Dienst “De-Mail”. Damit lassen sich Mails wie beim E-Postbrief sicher empfangen und rechtsverbindlich versenden, z. B. an Firmen und Behörden (De-Mail-Konto gratis, drei Mails pro Monat inklusive, jede weitere 39 Cent). Das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie stellt die App “iMobileSitter” (4,99 Euro, Foto) vor. Sie speichert Passwörter sicher auf dem iPhone.
Das Verbraucherministerium startete die Internetseite Watchyourweb.de mit Informationen über die Privatsphäre-Einstellungen von StudiVZ, Facebook und Co.
Autos werden zur rollenden Computer-Hülle.
Audi macht das Internet während der Fahrt nutzbar. Facebook oder Google lassen sich im neuen A3 per Sprache bedienen. Hat der Fahrer eine Suchanfrage für Google, erkennt der eingebaute Computer gesprochene Befehle und setzt sie um – die Hände bleiben währenddessen am Steuer.
BMW und Vodafone präsentieren einen neuen SIM-Chip, der auf die herkömmlichen SIM-Karte aus Mobiltelefonen basiert. Mit diesem Chip werden ab Sommer 2012 alle Modellreihen von BMW mit einer schnellen Internetdatenverbindung ausgestattet.
Das Smartphone als Geldbörse
Durch einen integrierten NFC-Chip (“Near Field Communication”) werden Smartphones zur Geldbörse. Das Gerät muss zum Bezahlen nur an einen Leser gehalten werden. In der zweiten Jahreshälfte wollen Mobilfunkanbieter erste Dienste in Deutschland starten. Vodafone kündigte dazu eine weltweite Kooperation mit der Kreditkartenorganisation Visa an.
Außerdem neu: Die Bundesdruckerei und die Firma Ageto zeigen auf der CeBIT, wie sich Besitzer des neuen Personalausweises (“ePerso”) mit dem Dokument und einer sechsstelligen PIN im Internet ausweisen können. Vorteil: Der Nutzer muss sich nicht mehr diverse Benutzernamen und Passwörter merken.
Fazit dieser Messe
Die Zukunft liegt in den Wolken – Cloud Computing und Sicherheit sind die zwei zentralen Themen auf der Cebit und in der weiteren Entwicklung der Branche.
Sollten die deutschen Unternehmen einen Weg finden, die Datensicherung auf einem hohen Standard zu gewährleisten, haben sie gute Chancen, das Rennen gegen die ausländische Konkurrenz zu gewinnen.
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