Anlegerfreundliche Entscheidung erwartet
Dem Bankensenat des höchsten deutschen Zivilgerichts liegen am 29.04.2014 zwei Entscheidungen unterschiedlicher Oberlandesgerichte zur mündlichen Verhandlung vor. Die Entscheidungen betreffen das sog. “Aussetzungsrisiko” bei offenen Immobilienfonds.
Im Zuge der Finanzkrise im Jahre 2008 haben zunächst zahlreiche offene Immobilienfonds Anteilsrücknahmen ausgesetzt, nachdem es zu solchen Aussetzungen schon vereinzelt im Jahr 2005 gekommen war. Anders als bei geschlossenen Immobilienfonds hat ein Anleger in offenen Immobilienfonds generell die Möglichkeit, bei Geldbedarf börsentäglich seine Anteile zum täglich veröffentlichten Rücknahmepreis zurückzugeben. Der Rücknahmepreis von Anteilen an offenen Immobilienfonds ergibt sich aus den im Fonds enthaltenen Vermögensgegenständen, geteilt durch die Zahl der ausgegebenen Anteile, und wird börsentäglich veröffentlicht. Zu diesem Preis müssen die offenen Immobilienfonds die Anteile vom Anleger jederzeit zurücknehmen. Durch die Aussetzung der Rücknahme entfällt diese Möglichkeit. Der Anleger hat in diesem Fall bei Liquiditätsbedarf oder einem grundsätzlichen Veräußerungswunsch lediglich die Möglichkeit die Anteile über die Börse zu veräußern. Der in einem solchen Fall über die Börse zu erzielende Kurs wird in jedem Fall größere Abschläge enthalten, da das Faktum der Aussetzung und damit eine mangelnde Liquidität in den Kurs eingepreist wird.
Das OLG Frankfurt am Main hatte im Februar 2013 eine anlegerfreundliche Entscheidung getroffen und die Beklagte Bank verurteilt an einen Anleger rund EUR 28.000,00 Schadensersatz zu leisten, weil die Bank bei der erbrachten Anlageberatung im Jahre 2008 nicht über die Möglichkeit der Aussetzung der Anteilsrücknahme aufgeklärt hatte [OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 13. Februar 2013 – 9 U 131/11]. Für das OLG Frankfurt am Main besteht eine generelle Pflicht der beratenden Bank, auf die mögliche zeitweilige Aussetzung der Anteilsrücknahme hinzuweisen. Da hierdurch das den offenen Immobilienfonds prägende Strukturprinzip, dass Kapitalanlagegesellschaften auf Verlangen des Anlegers zur Rücknahme der Anteile verpflichtet sind, durchbrochen werde, handele es sich um einen für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstand. Das in der Aussetzung begründete Liquiditätsrisiko für den Anleger zeige sich darin, dass gerade die Tatsache der Aussetzung der Anteilsrücknahme bei einem weiter möglichen Verkauf der Anteile an der Börse zu Abschlägen führe. Das Verfahren wird beim BGH unter Aktenzeichen XI ZR 130/13 verhandelt.
Bereits einige Monate vorher hatte das OLG Dresden eine andere bankenfreundliche Auffassung vertreten, wonach über den Umstand der möglichen Aussetzung der Anteilsrücknahme gerade nicht aufzuklären sei [OLG Dresden – Urteil vom 15. November 2012 – 8 U 512/12]. Die Dresdener Richter waren der Auffassung, dass im Frühjahr 2008 (noch) nicht über die Möglichkeit einer dauerhaften oder vorübergehenden Aussetzung der Anteilsrücknahmen habe aufgeklärt werden müssen. Dabei hat es maßgeblich darauf abgestellt, dass eine derartige Aussetzung in der Vergangenheit lediglich 2005/2006 wenige Male vorgekommen und in diesen Fällen ein Kapitalverlustrisiko durch eine vorübergehende Aussetzung eher theoretischer Natur gewesen sei. Zudem bestehe auch während der Aussetzung die Möglichkeit der Anteilsveräußerung an der Börse – wenn auch ggf. mit Verlusten – weiter. Die Überprüfung dieser Entscheidung wird beim BGH unter Aktenzeichen XI ZR 477/12 geführt.
Der Ausgang der Verfahren hat eine große praktische Relevanz, da gegenwärtig hunderte ähnlich gelagerte Fälle, zum Teil noch in erster Instanz, anhängig sind und eine höchstrichterliche Entscheidung bislang fehlt. Der Frankfurter Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Matthias Schröder, hat die erste landgerichtliche Entscheidung aus dem Jahre 2012 für den jurisPraxisreport BKR besprochen und schon damals für eine Aufklärungspflicht plädiert. Schröders Kanzlei, LSS Rechtsanwälte, führt eine größere Zahl von vergleichbaren Verfahren und erwartet eine anlegerfreundliche Entscheidung des BGH. Die vom OLG Dresden vertretene bankenfreundliche Auffassung sei mit den Grundsätzen der sog. Bond-Rechtsprechung des XI. Zivilsenats nicht in Einklang zu bringen. Ob sich ein Risiko bereits in der Vergangenheit einmal realisiert habe, kann nicht Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der objektgerechten Beratung sein. So hat der BGH bei seinen Urteilen zu den Lehman-Zertifikaten auch nicht gefragt, ob vor 2008 schon einmal ein Emittent insolvent wurde und kam auch so zur Auffassung, dass über das allgemeine Emittentenrisiko stets aufzuklären sei, meint Schröder.
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LSS Rechtsanwälte
Herr Matthias Schröder
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