Betrügern im Straßenverkehr das Handwerk legen: Verdacht auf einen provozierten Unfall was nun?

Betrügern im Straßenverkehr das Handwerk legen: Verdacht auf einen provozierten Unfall  was nun?

(Mynewsdesk) Wenn es an der Ampel knallt, weil der Vordermann erst Gas gibt und dann plötzlich bremst, spricht vieles für einen provozierten Unfall. Das heißt: Ein Autofahrer führt die Kollision vorsätzlich herbei, um sich Schadenersatz zu erschleichen. Verkehrsanwalt Jens Dötsch von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV (Deutscher Anwaltverein) e.V. erläutert im Interview, wie man Unfallbetrügern auf die Schliche kommen kann und gibt Tipps für das Verhalten am Unfallort.

Woran lässt sich ein vorsätzlich herbeigeführter Verkehrsunfall erkennen?

Für Laien ist es schwierig, einen Unfall mit Vorsatz zu erkennen. Die Täter suchen sich die Unfallstellen und -situationen meist so aus, dass sie wie ganz normale Unfälle erscheinen. Einige Indizien sprechen jedoch für einen provozierten Unfall. Als Autofahrer sollte man stutzig werden, wenn der Unfallgegner äußerst routiniert wirkt, wenn plötzlich Zeugen auftauchen, die zusätzlich Druck ausüben, oder wenn am Unfallauto bereits mehrere ältere Schäden zu erkennen sind.

Welche provozierten Unfälle treten denn am häufigsten auf?

Oft haben wir es mit Situationen zu tun, in denen das Gesetz grundsätzlich davon ausgeht, dass ein Unfallbeteiligter allein haftet. Beispielsweise werden Auffahrunfälle immer wieder durch gezieltes Abbremsen bewusst verursacht. Viele provozierte Unfälle geschehen zudem an Stellen, an denen kurz zuvor die Vorfahrt geändert wurde oder auf Parkplätzen – hier lauern die Täter ihren Opfern manchmal regelrecht auf. Aber auch knifflige Verkehrsführungen nutzen etliche Betrüger aus und erzwingen beim Spurwechsel einen Streifschaden.

Was sind die skurrilsten provozierten Unfälle, von denen Sie gehört haben/die Sie bearbeitet haben?

Der Fahrer einer Limousine behauptete, er sei mit der gesamten Front seitlich in einen Kleinwagen gefahren, der die Vorfahrt missachtet hatte. Dieser hatte aber nur eine kleine Delle hinten rechts – die Richter wiesen die Klage wegen „erweislich unwahrer Schilderung“ des Unfalls ab. Ein anderer Fahrer war auf der mittleren von drei Spuren einer Bundesstraße unterwegs und riss das Steuer plötzlich um 90 Grad nach rechts, als sich dort ein anderer Wagen einfädelte. Seine Behauptung, er sei von Anfang an rechts gefahren und habe keine Möglichkeit zum Ausweichen gehabt, konnte ein Sachverständiger widerlegen.

Ein weiteres Beispiel: Ein Fußgänger überquerte die Straße und hat dadurch einen PKW-Fahrer zum Abbremsen gezwungen, so dass der Hintermann auffuhr. Nach dem Vorfall hat der Fußgänger sofort die Unfallstelle verlassen, um vermutlich Fragen zum Hergang zu vermeiden. Der Fußgänger und der abrupt abbremsende Autofahrer haben den Unfallablauf zuvor genauso vereinbart.

Und wie lässt sich Absicht nachweisen?

Für die Überführung der Täter gibt es verschiedenen Möglichkeiten. Das Reaktionsverhalten lässt zum Beispiel Rückschlüsse auf den Unfallhergang zu, da Betrüger im Gegensatz zu normalen Fahrern nicht ausweichen. Höhenunterschiede bei Beulen belegen wiederum, dass der Täter entgegen eigener Aussage eine Vollbremsung hingelegt hat. In solchen Fällen hebt sich das Heck. Und bei Streifkollisionen zeigen Kratzer sowie die Position der Autos, dass ein Wagen langsamer fuhr als angegeben, um besser zielen zu können.

Warum bleiben Täter trotzdem oft solange unentdeckt?

Das hat einen simplen Grund: Die Opfer sind meist bei verschiedenen Gesellschaften versichert, so dass die Häufung der Schäden lange Zeit nicht auffällt. Um Betrug leichter abwehren zu können, hat die deutsche Versicherungswirtschaft 2011 die sogenannte HIS-Datei gegründet. Diese sammelt die von den beteiligten Versicherungsunternehmen eingereichten Meldungen zu untypischen Schadenhäufigkeiten und Auffälligkeiten im Schadensfall. Ist ein Fahrzeug dort aufgeführt und kommen weitere Indizien hinzu, kann der Versicherer das Gericht in der Regel von einem provozierten Unfall überzeugen.

Was empfehlen Sie einem Autofahrer, der befürchtet, Opfer eines provozierten Unfalls zu sein?

Der Betroffene sollte zunächst versuchen, unbeteiligte Zeugen zu finden, die beispielsweise das grundlose Abbremsen des Vordermanns bestätigen können. Sinnvoll ist auch, die Polizei hinzuzuziehen, damit diese den Unfall aufnimmt – auch wenn das bedeuten kann, dass man zunächst ein Bußgeld zahlen muss, weil es auf den ersten Blick so scheint, als habe man den Unfall verursacht. Wichtig ist zudem, den eigenen Versicherer auf den Verdacht eines provozierten Unfalls hinzuweisen.

Wie kann ein Anwalt in einer solchen Situation helfen?

Provozierte Blechschäden können für die Opfer erhebliche Folgen haben. Sie werden von ihrem Kfz-Haftpflichtversicherer in der Schadenfreiheitsklasse zurückgestuft und müssen mit Bußgeld sowie Punkten in Flensburg rechnen. Ein versierter Verkehrsanwalt kann Einsicht in sämtliche Unterlagen nehmen und so den Tathergang genau analysieren. Mit seiner Hilfe lässt sich in vielen Fällen der Betrüger entlarven. Man erhöht somit die Chance, sein Recht zu bekommen und eine ungerechtfertigte Strafe zu vermeiden.

Verhalten am Unfallort: Acht Tipps der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht

1. Ganz wichtig: Bewahren Sie Ruhe!

2. Sichern Sie die Unfallstelle mit einem Warndreieck und schalten Sie den Warnblinker ein.

3. Ziehen Sie die Polizei hinzu, um den Unfall aufnehmen zu lassen.

4. Suchen Sie Zeugen, die den Unfallhergang gesehen haben.

5. Bewegen Sie die Fahrzeuge nicht und machen Sie Fotos von der Kollisionsstellung der Fahrzeuge.

6. Melden Sie den Schaden beim eigenen Versicherer.

7. Unterschreiben Sie nichts, was über einen reinen Unfallbericht hinausgeht.

8. Schalten Sie einen Anwalt ein – sei es wegen eigener Ansprüche oder wegen eines etwaigen Bußgeldverfahrens zur Abwehr von Punkten in Flensburg.

Zur Person: Jens Dötsch, Fachanwalt für Verkehrsrecht

Als Partner in der Kanzlei Görgen & Dötsch in Andernach ist Jens Dötsch auf Verkehrsrecht, Versicherungsrecht, Mietrecht spezialisiert. Der 40-Jährige absolvierte sein Studium der Rechtswissenschaften in Bonn und Lausanne und ist seit 2006 als Rechtsanwalt tätig. Er ist Regionalbeauftragter der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV und Mitglied des Verkehrsgerichtstags sowie im Beirat der IHR Rehabilitationsdienst GmbH, Köln.

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Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins wurde 1979 gegründet. Ihr gehören über 6.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte an. Die Arbeitsgemeinschaft unterstützt ihre Mitglieder in vielerlei Hinsicht: Sie bietet regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen an und informiert ihre Rechtsanwälte zum Beispiel über die neuesten Entwicklungen des Verkehrsrechts zum Vorteil ihrer Mandanten. Seit mehr als 30 Jahren setzen sich die Verkehrsanwälte in den Gremien des Deutschen Verkehrsgerichtstages in Goslar für die Rechte der Geschädigten ein und nehmen im Verkehrsrechtsauschuss des Deutschen Anwaltvereins zu allen wichtigen Gesetzesvorhaben Stellung. Die Homepage der Arbeitsgemeinschaft www.verkehrsanwaelte.de verdeutlicht die Vorteile des anwaltlichen Rats in Verkehrsrechtsfragen und ermöglicht potentiellen Mandanten eine schnelle und konkrete Anwaltssuche. Gerade Unfallgeschädigten bieten Verkehrsanwälte zahlreiche Möglichkeiten. Die Erfahrung zeigt: Diejenigen, die durch einen Verkehrsanwalt vertreten werden, erzielen regelmäßig einen deutlich höheren Schadenersatz als Geschädigte, die die Regulierung selbst in die Hand nehmen.

Kontakt
Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV e.V.
Swen Walentowski
Littenstraße 11
10179 Berlin
030 / 72 61 52-129
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