Eine internationale Forschungsgruppe mit Wissenschaftlern der Uni Bayreuth hat ein überraschendes Verhalten kleinster magnetischer Partikel in einem Bereich von bis zu 10 Nanometern entdeckt.
Kleinste magnetische Partikel, die einen Durchmesser von zehn oder weniger Nanometern haben, bilden überraschende Anordnungen in Ketten, Flächen oder Würfeln. Über diese Entdeckung berichtet eine internationale Forschungsgruppe um Prof. Dr. Ingo Rehberg, Prof. Dr. Birgit Weber und Prof. Dr. Stephan Förster an der Universität Bayreuth im Wissenschaftsmagazin “Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)”. Die neuen Erkenntnisse, an denen auch Forschungsteams der Universität Duisburg-Essen und am Europäischen Synchrotron (ESRF) in Grenoble beteiligt waren, haben große Relevanz für Anwendungen der Magnetresonanztomographie (MRT) in der Medizin und für die Weiterentwicklung magnetischer Speichermedien.
Spontane Selbstanordnung in stabilen Strukturen
Über das Ordnungsverhalten kleinster magnetischer Partikel in einem Bereich von bis zu 10 Nanometern war bisher wenig bekannt. Die Wissenschaftler entdeckten nun, dass würfelförmige Nanopartikel dieser Größenordnung in einem magnetischen Feld hochgradig geordnete Strukturen ausbilden: Sie fügen sich spontan zu stabilen Ketten, Flächen und größeren Würfeln zusammen. Zugleich konnte auch die Ursache dieser Strukturbildung identifiziert werden. Wie die würfelförmigen Nanopartikel sich in einem magnetischen Feld zusammenschließen, hängt wesentlich davon ab, wie die Dipolmomente – also die magnetischen “Nordpole” und “Südpole” – innerhalb der Würfel angeordnet sind. Diese Anordnung wiederum wird insbesondere davon beeinflusst, wie sich die einzelnen würfelförmigen Nanopartikel zusammensetzen. Mit diesen grundlegenden Erkenntnissen hat die Forschergruppe einen Ansatz gefunden, die spontane Clusterbildung kleinster magnetischer Partikel gezielt zu beeinflussen, ja sogar zu kontrollieren.
Neue Perspektiven für die medizinische Diagnostik
Für die Magnetresonanztomographie (MRT) sind die Forschungsergebnisse von großem Interesse. Die MRT ist ein bildgebendes Verfahren, das in der medizinischen Diagnostik zur Darstellung der Gewebe und Organe im Körper eingesetzt wird. Je höher die Bildkontraste sind, desto klarer sind Gewebe- und Organstrukturen erkennbar. Ursache für die Bildkontraste sind die unterschiedlichen Relaxationszeiten verschiedener Gewerbearten. Es handelt sich hierbei um die Zeiträume, in denen die künstlich erzeugte Magnetisierung in den Gewebearten abgebaut wird. Schon länger ist bekannt, dass sich die Relaxationszeiten mithilfe von Kontrastmitteln optimieren lassen. Denn solche Kontrastmittel enthalten kleine Cluster magnetischer Nanopartikel; und die magnetischen Wechselwirkungen zwischen den Nanopartikeln innerhalb eines Clusters bestimmen die Relaxationszeit des jeweiligen Gewebes, in welches das Kontrastmittel eingebracht wird.
“Mithilfe der jetzt untersuchten magnetischen Nanopartikel könnte die Anordnung in Clustern viel besser als bisher kontrolliert werden”, erklärt Prof. Förster. “Damit bietet sich die Chance, die Relaxationszeiten so zu optimieren, dass sehr starke Kontraste erzeugt und anatomische Strukturen viel klarer sichtbar werden.”
Hohe Speicherkapazitäten in magnetischen Speichermedien
Ein weiterer Anwendungsbereich sind magnetische Speichermedien. Für die Menge der Daten, die darin gespeichert werden können, ist die Speicherdichte von großer Bedeutung. Mit den jetzt untersuchten Nanopartikeln können die Abstände zwischen den einzelnen Partikeln auf 7,2 Nanometer reduziert werden. Dies entspricht einer Speicherdichte von 12,4 Terabyte auf einer Fläche von knapp 6,5 Quadratzentimetern. Um eine stabile Anordnung der Partikel und eine zuverlässige Speicherkapazität zu erreichen, müssen die magnetischen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Partikeln möglichst präzise gesteuert werden. Auch hierfür bieten sich die kleinsten Nanopartikel an, deren überraschendes Ordnungsverhalten jetzt erstmals aufgedeckt wurde.
Widerlegung bisheriger Annahmen
Die neuen Erkenntnisse widerlegen bisherige Annahmen, wie sie nicht zuletzt auch in Lehrbüchern zur Physikalischen Chemie verbreitet wurden. Bislang ist man davon ausgegangen, dass sich magnetische Dipolmomente stets in Reihen anordnen, wobei sie in direkt benachbarten Reihen jeweils in entgegengesetzte Richtungen weisen (“anti-ferromagnetische Anordnung”). Doch wie sich jetzt herausgestellt hat, bilden die Dipolmomente in den magnetischen Nanopartikeln geschlossene Kreise, die zu wesentlich höheren Bindungsenergien führen. Wie diese kreisförmigen Strukturen verlaufen, hängt insbesondere von der Anzahl der Partikel ab, aus denen sich die würfelförmigen Nanopartikel zusammensetzen. Und folglich sehen auch die Ketten, Flächen und Würfel verschieden aus, die durch diese Nanopartikel in magnetischen Feldern gebildet werden – je nachdem, wie diese Nanopartikel im Inneren strukturiert sind.
Internationales Forschungsteam
Zusammen mit Prof. Dr. Ingo Rehberg (Lehrstuhl für Experimentalphysik V), Prof. Dr. Birgit Weber (Anorganische Chemie II) und Prof. Dr. Stephan Förster (Lehrstuhl Physikalische Chemie I) und deren Bayreuther Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Dr. Sara Mehdizadeh Taheri, Maria Michaelis, Dr. Thomas Friedrich, Dr. Beate Förster, Dr. Markus Drechsler und Dr. Sabine Rosenfeldt gehören auch Dr. Florian M. Römer (Universität Duisburg-Essen) sowie Dr. Peter Bösecke und Dr. Theyencheri Narayanan (Europäisches Synchrotron ESRF in Grenoble) zu der internationalen Forschergruppe, die ihre Entdeckung in den PNAS präsentiert.
Forschungsförderung
Die Forschungsarbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 840 “Von partikulären Nanosystemen zur Mesotechnologie” an der Universität Bayreuth gefördert.
Veröffentlichung:
Sara Mehdizadeh Taheri et al., Self-assembly of smallest magnetic particles,
in: Proceedings of the National Academy of Sciences (2015), vol. 112 no. 47,
pp. 14484-14489, DOI: 10.1073/pnas.1511443112
Die neuen Erkenntnisse wurden im renommierten Forschungsmagazin “Nature Nanotechnology” als Research Highlight vorgestellt:
Owain Vaughan, Magnetic nanoparticles: Self-assembly at the limit,
in: Nature Nanotechnology (Dec 2015), doi:10.1038/nnano.2015.296
Kontakt für weitere Informationen:
Prof. Dr. Ingo Rehberg
Experimentalphysik V
Universität Bayreuth
95440 Bayreuth
Tel.: +49 (0)921 55-3344
E-Mail: ingo.rehberg@uni-bayreuth.de
www.uni-bayreuth.de
Prof. Dr. Stephan Förster
Physikalische Chemie I
Universität Bayreuth
95440 Bayreuth
Tel.: +49 (0)921 55-2760
E.Mail (Sekr.): elisabeth.duengfelder@uni-bayreuth.de
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Kurzporträt der Universität Bayreuth
Die Universität Bayreuth ist eine junge, forschungsorientierte Campus-Universität. Gründungsauftrag der 1975 eröffneten Universität ist die Förderung von interdisziplinärer Forschung und Lehre sowie die Entwicklung von Profil bildenden und Fächer übergreifenden Schwerpunkten. Die Forschungsprogramme und Studienangebote decken die Natur- und Ingenieurwissenschaften, die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften sowie die Sprach-, Literatur und Kulturwissenschaften ab und werden beständig weiterentwickelt.
Gute Betreuungsverhältnisse, hohe Leistungsstandards, Fächer übergreifende Kooperationen und wissenschaftliche Exzellenz führen regelmäßig zu Spitzenplatzierungen in Rankings. Die Universität Bayreuth belegt 2014 im weltweiten Times Higher Education (THE)-Ranking ,100 under 50′ als eine von insgesamt sechs vertretenen deutschen Hochschulen eine Top-Platzierung.
Seit Jahren nehmen die Afrikastudien der Universität Bayreuth eine internationale Spitzenposition ein; die Bayreuther Internationale Graduiertenschule für Afrikastudien (BIGSAS) ist Teil der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder. Die Hochdruck- und Hochtemperaturforschung innerhalb des Bayerischen Geoinstituts genießt ebenfalls ein weltweit hohes Renommee. Die Polymerforschung ist Spitzenreiter im Förderranking der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die Universität Bayreuth verfügt über ein dichtes Netz strategisch ausgewählter, internationaler Hochschulpartnerschaften.
Derzeit sind an der Universität Bayreuth rund 13.000 Studierende in 135 verschiedenen Studiengängen an sechs Fakultäten immatrikuliert. Mit ca. 1.200 wissenschaftlichen Beschäftigten, davon 224 Professorinnen und Professoren, und rund 900 nichtwissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Universität Bayreuth der größte Arbeitgeber der Region.
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