Amsterdam wartet mit spektakulärem Museumsbau und spezifischen Ausstellungen auf –
Chantal Akerman, Passages. Empfehlung für einen weiteren Besuch in der niederländischen Metropole. (von DieterTopp)
Während das historische Zentrum Amsterdams mit seinen Museen und Grachten von je her internationale Touristen magisch anzog, ist seit einigen Jahren ein spezielles Highlight ungewöhnlicher Provenienz hinzugekommen. Jenseits des Flusses IJ (ausgesprochen wie das engl. Wort Eye), liegt im ehemaligen Hafen- und Werftgebiet Amsterdam-Nord das futuristische Eye Filmmuseum. Es zeigt typische Elemente des Wiener Architektenteams Delugan Meissl Associates Architects, ähnlich dem Festspielhaus im österreichischen Erl. Beide stammen aus dem Jahr 2012. In Amsterdam ist es gelungen, einen neuen kulturtouristischen Ort zu erzeugen, der sich durch hinzugekommene Attraktionen weiter entfaltet. Durch den Nordausgang des Zentral-Bahnhofs geht’s auf eine Fähre, die im Minutentakt den Fluss überwindet und so den Norden der Stadt verkehrstechnisch mühelos angeschlossen hat.
Nicht nur wer den architektonischen Stil des Eye Filmmuseumsbaus mag, darf dieses Highlight nicht auslassen. Licht wird vielfältig auf den glatten, kristallinen Oberflächen reflektiert und verändert im Laufe des Tages mehrfach das Erscheinungsbild des Museumsgebäudes, ein gewollter Effekt, bei dem Bewegung und Licht das außen kreieren, was im Inneren, im Film, das Hauptsächliche ausmacht. “Bewegung und Licht erzeugen standpunktabhängige, atmosphärische Verbindungen, die zwischen extrovertierter Landschaftsreferenz und introvertierter räumlicher Konzentration oszillieren. Begleitet von diesen variablen Wahrnehmungen ähnelt die optische Wandlung des Gebäudes einer Filmsequenz mit veränderlichen visuellen Effekten.”
Spektakuläre filmische Installationen warten im Inneren auf
“Chantal Akerman – Passages”
Noch bis zum 31. August präsentiert das Eye Filmmuseum eine große Einzelausstellung mit Arbeiten von Chantal Akerman. Sie war einer der ersten Filmregisseurinnen, die den Umstieg auf bildende Kunst vollzog. In den 1970er Jahren wurde sie als feministische Avantgarde-Filmemacherin bekannt und entdeckte Mitte der 1990er Jahre die Möglichkeiten der Ausstellung in Galerien. 1995 schuf sie eine große Rauminstallation auf 24 Monitoren, basierend auf “D’Est”, einem Film, den sie ursprünglich als Dokumentarfilm drehte. Damit begann ihre “zweite Karriere” in der Welt der bildenden Kunst.
Als 25-jähriger Aussteigerin aus der Filmakademie erlangte Chantal Akerman 1975 mit “Jeanne Dielman, 23, Quai du Commerce, 1080 Bruxelles”, direkt schon Bekanntheit. Dieses subtile, minimalistische Porträt des banalen Chorus einer Brüsseler Hausfrau und Teilzeitprostituierten wurde als Standard des feministischen Avantgarde-Kinos gepriesen. In einem abgespeckten und antidramatischen Stil – später als “slow cinema” bezeichnet – entlarvte Akerman die bedrückende Routine der Existenz einer Hausfrau und gab dem geheimen Leben unzähliger Frauen ein Gesicht.
Ein Großteil von Akermans Pionierarbeit zeugt von ihrer avantgardistischen Herangehensweise an das Medium, das sie einsetzt. Merkmale ihres unverwechselbaren persönlichen Stils sind Weitwinkelaufnahmen, frontale Kamerapositionierung und breite Rahmen, die es ihr ermöglichen, eine neue Interpretation von Zeit und Raum zu schaffen. Ihre Werke verkörpern Geschichte, Erinnerungen, Leben, die normal erscheinen, aber nicht sind. Sie zeigen ein “fast taktiles Gespür dafür, wie es ist, aus respektvoller Entfernung die Menschen und Orte, die sie aufzeichnen, zu beobachten”.
Die internationale Kunstwelt erkannte schnell die bemerkenswerte Qualität ihrer visuellen Arbeit. Es folgten Ausstellungen in renommierten Museen, darunter Walker Art Center (1995), Jeu de Paume, Paris (1995), Documenta XI, Kassel (2002) und M HKA, Antwerpen (2012), sowie die Teilnahme an der Biennale in Venedig in den Jahren 2001 und 2015.
Chantal Akermans Werk zeichnet sich durch eine losgelöste Annäherung an das aus, was wie “normales Leben” aussieht, wo aber eine Fülle von gewalttätigen Ereignissen, Erinnerungen und Emotionen unter der Oberfläche lauern. Akerman, selbst das Kind eines Auschwitz-Überlebenden, “erhebt das alltäglich Banale ins Bedeutende”. Dazu zeigt die Ausstellung acht von Akermans Filminstallationen. Neben “D’Est” gehören u.a. “Woman Sitting after a Killing (2001)”,” Tombée de nuit sur Shanghai (2007-2008)” und ihr letztes Werk NOW (2015).
Begleitet wird die Ausstellung von einer reich bebilderten Publikation mit Texten von Chantal Akerman selbst, ergänzt durch Essays von Cyril Béghin, Dana Linssen und Roos van der Lint.
Foto: Markus Köppen
weitere Informationen unter eyefilm.nl
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