Porträtstudien von Richard Avedon, Christian Borchert, Rineke Dijkstra, Seiichi Furuya, Stefanie Grebe, Roni Horn, Wilma Hurskainen, Anna Jermolaewa, Friedl Kubelka, Andreas Mader, Michael Mauracher Nicholas Nixon, Roman Opalka, Helga Paris, Thomas Struth
Eine Ausstellung der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln in Kooperation mit der Landesgalerie Linz am Oberösterreichischen Landesmuseum
22. März bis 28. Juli 2013
Eröffnung: Donnerstag, 21. März um 19 Uhr
Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur, Im Mediapark 7, 50670 Köln
Am Beispiel von 15 künstlerischen Positionen führt die Ausstellung AGES – Porträts vom Älterwerden verschiedene, seriell angelegte Porträtprojekte zusammen. Die Künstlerinnen und Künstler sind zwischen 1923 und 1979 geboren und stammen aus den USA, Japan, den Niederlanden, Deutschland, Finnland, Russland, Österreich, Polen/Frankreich oder der Schweiz. So treten vor internationalem Hintergrund die Arbeiten mehrerer Generationen in einen spannungsreichen Dialog. Den Schwerpunkt bildet das Medium Photographie, hinzukommen filmische Ansätze und flankierend auch die Malerei.
Die ausgewählten Künstlerinnen und Künstler haben regelmäßig und oftmals in gleichem Darstellungsmodus ein und dieselbe Person, oder auch sich selbst, photographiert. Ob es Richard Avedon (1923-2004) ist, der seinen schwer kranken Vater die letzten Lebensjahre mehrfach im
Bild festhält; oder Nicholas Nixon (*1947), der seit über dreißig Jahren seine Frau und mit ihren drei Schwestern jährlich porträtiert. Diese, bereits zu den Klassikern der Photographie gehörenden beispielhaften Werke faszinieren nicht zuletzt aufgrund der konsequent durchgeführten Aufzeichnung. Sie machen deutlich, dass vor allem die systematische Wiederholung und quasi wissenschaftlich-künstlerische Methode einen erkenntnisbringenden Vergleich und damit Einsichten in grundlegende, allgemeingültige Strukturen erlaubt.
Die Landesgalerie Linz und die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur in Köln haben das Projekt AGESin den beiden vergangenen Jahren gemeinsam umgesetzt. Das kuratorische Team stellten Stefanie Hoch, Martin Hochleitner, Gabriele Hofer-Hagenauer, Gabriele Conrath-Scholl und Claudia Schubert. Seit 2006 ist es inzwischen das siebte Projekt, an dem beide Häuser teilgenommen beziehungsweise das sie vor dem Hintergrund ihres besonderen Interesses an der dokumentarischen Photographie initiiert haben.
Die Ausstellung AGES. Porträts vom Älterwerden wird von einem Katalogbuch begleitet, erschienen in der Edition Fotohof, Salzburg. Mit u.a. einem Text des österreichischen Schriftstellers Franzobel.
Informationen zu den Künstlern:
Der bedeutende Photograph Richard Avedon (1923-2004) bezeichnet die Aufnahmen seines Vaters Jacob Israel Avedon als seine bewegendste Arbeit. Die Porträts entstanden in den letzten Lebensjahren des Vaters 1969 bis 1973, als dieser schon von schwerer Krankheit gezeichnet war. Avedon hat den Vater frontal, vornehmlich in klassischer Büste, vor einer weißen, monochromen Fläche photographiert. Speziell zu dem hart wirkenden weißen Hintergrund formuliert er 1993: “Wenn es gelingt, ermöglicht ein weißer Hintergrund den Menschen, Symbole ihrer selbst zu werden.” (in: Evidence, München: Schirmer/Mosel, 1994, S. 59) Bei den Bildnissen des Vaters scheint sich dies eindrucksvoll zu bestätigen. In Verbindung mit dem seriellen Ansatz geben die Porträts von Jacob Israel Avedon ein persönliches und ausdrucksstarkes Zeugnis über Alter, Würde, Vertrauen und Verlustangst.
Christian Borchert (1942-2000) erarbeitet 1983/84 in der damaligen DDR seine Serie der Familienporträts. Etwa 10 Jahre später, nach der deutschen Wiedervereinigung, sucht er die Familien erneut auf und photographiert sie wiederholt in ihren privaten Wohnungen. Im Vergleich sind die Zimmer und die von ihnen ausgehenden Atmosphären wenig verändert. Verändert sind allerdings die Familienmitglieder. Um ein Jahrzehnt älter geworden und bisweilen in neuer Konstellation verweisen ihre Bilder darauf, dass sich ihre Lebensumstände und Aufgaben verändert haben, nicht zuletzt auch in Konsequenz einer sich in Umformung befindlichen Gesellschaft.
Aus einer eher zufälligen Begegnung heraus ist die Serie Almerisa von Rineke Dijkstra (*1959) entstanden. Die Photographin lernte das damals 5-jährige bosnische Mädchen 1994 in einem Flüchtlingsheim kennen und photographierte sie bis 2008 in unregelmäßigen Abständen insgesamt elf Mal. Man sieht nicht nur das Heranwachsen eines Kindes, darüber hinaus zeigt sich beispielsweise in Almerisas Haltung und Kleidung mehr und mehr der kulturelle Einfluss der modernen niederländischen Gesellschaft.
Von emotionaler Tiefe zeugen die Porträts, die Seiichi Furuya (*1950) von seiner Frau Christine während der Zeit ihres Zusammenseins von 1978 bis 1985 erstellte. In den Aufnahmen spiegelt sich ihre zunehmend manifester werdende psychische Erkrankung. In die Kamera blickt eine zerbrechlich wirkende junge Frau, die zwar scheu ist, sich dennoch nicht ohne Selbstgefühl in verschiedenen Rollen und Posen übt. Bis heute, seit ihrem Selbstmord 1985, lassen Furuya die Bilder seiner Frau nicht los, er stellt sie immer wieder in neuen Konstellationen zusammen.
Milena ist der Name des Mädchens, das Stefanie Grebe (*1964) seit 2002 in etwa jährlichem Abstand vor die Kamera bittet. Dabei obliegt es zumeist Milena, den Aufnahmeort auszuwählen. Die Kleidung, die sie jeweils trägt, ist weniger auf das Photographiertwerden abgestimmt, als auf die Entwicklungsschritte und Stimmungen Milenas, die sich in Stil und Farbe ausdrücken sollen.
Die in New York und Island lebende Künstlerin Roni Horn (*1955) verwendet in der Reihe a.k.a. aus verschiedenen Quellen stammende Photographien, die sie selbst in mehreren Lebensphasen zeigen. Sie führt zwei Aufnahmen, zumeist eine aus dem Erwachsenenalter, eine andere aus der Kindheit, zu Bildpaaren zusammen. Es stehen aber nicht nur biologische Altersphasen gegenüber, sondern auch Gesichtsausdrücke, die übergreifend gültig sind wie auch über typische Gesichtszüge nachdenken lassen. Beabsichtigt ist eine Reflexion über Identität, Selbstverständnis, Entwicklung und Veränderung, worauf auch der Titel a.k.a. als Abkürzung von “also known as” [auch bekannt als] anspielt.
Die junge finnische Künstlerin Wilma Hurskainen (*1979) befasst sich in der gezeigten Serie Growth mit der Konstruktion von Erinnerung. Sie bezieht Photographien ein, die ihr Vater von ihr und den drei Schwestern in Kinder- und Jugendjahren machte. Diesen stellt Hurskainen ein in Ort und Kleidung nachempfundenes, zeitgenössisches Gruppenportrait gegenüber. So sind Bildpaare entstanden, die, am Beispiel der persönlichen Familienkonstellation, kollektive Erinnerungen spielerisch aufgreifen.
Mit der eigenen Lebensgeschichte verbinden sich auch die Projekte von Andreas Mader und Anna Jermolaewa (*1970). Die russische Künstlerin hat im Alter von 40 Jahren fünf ihrer früheren Mitschüler eines St. Petersburger Kunstgymnasiums wieder aufgesucht. Entstanden sind hauptsächlich filmische Porträts, die in Form von Gesprächen und Bildern von ganz unterschiedlichen Lebensmodellen berichten und die Jermolaewa in einer multimedialen Rauminstallation unter Einbeziehung von Malereien präsentiert.
Bis zum Alter von 18 Jahren hat die österreichische Künstlerin Friedl Kubelka (*1946) ihre Tochter jeden Montag photographiert. Die kleinformatigen, auf das Gesicht fokussierten Schwarzweißaufnahmen hat sie dann jeweils zu Jahrestafeln zusammengestellt, die die Anmutung eines Kalendariums haben.
Der Schweizer Photograph Andreas Mader (*1960) hat 1988 erste Porträtaufnahmen seiner Freunde gemacht, die den Beginn für ein laufendes Projekt ohne zeitlich festgelegten Endpunkt bilden sollten. Die Farbphotographien sind in Privatwohnungen, ebenso in Gärten, Parks oder am Strand entstanden und berichten so auch von der jeweiligen Lebenssituation der dargestellten Personen. Mader beschreibt seine Intention wie folgt: “Die Bilder von ihnen sind eine Art Chronik ihres und meines Lebens, die ich fortschreiben will. Doch sie sind von Anfang an auch mehr als das. Sie handeln von den Dingen des Lebens überhaupt: von der Liebe, dem Alleinsein, dem Heranwachsen von Kindern, dem Älterwerden, dem unmerklichen Verrinnen der Zeit.”
Michael Mauracher (*1954) photographiert seit 1981 einen Mann, über dessen Lebensumstände ihm nach wie vor kaum etwas bekannt ist. Eine bewusst getroffene Entscheidung, die den gegenwärtigen Moment der photographischen Begegnung hervorhebt, ebenso wie die Allgemeingültigkeit seines Modells – eines Menschen.
1975 war der Fotograf Nicholas Nixon (*1947) mit seiner Frau Bebe, etwa vier Jahre verheiratet, als er anlässlich eines Familientreffens die erste Gruppenaufnahme von ihr und den drei jüngeren Schwestern machte. Er fasste den Entschluss, fortan die Schwestern jedes Jahr und in gleicher Reihenfolge nebeneinander zu fotografieren. Von links nach rechts sind stets Heather, Mimi, die jüngste, Bebe und Laurie zu sehen. Nicht nur, dass die Aufnahmen über die Jahre den Alterungsprozess der Protagonistinnen vor Augen führen, auch von der innig gebliebenen Beziehung der Schwestern erzählt jedes Bild. Viele Aufnahmen sind in der Natur entstanden, Bäume oder auch ein Strand bilden den Hintergrund und unterstreichen so die Ungezwungenheit und Unmittelbarkeit der Situation.
Der bereits verstorbene Künstler Roman Opalka (1931-2011), berühmt durch seine monochrom gehaltenen Tafelbilder sich fortsetzender Zahlenreihen, hat täglich seine Arbeit im Atelier mit einem photographischen Selbstporträt beendet. Er wird in dieser Ausstellung mit der Präsentation einer 1992 erschienenen limitierten Edition gewürdigt. Seine photographischen Bilder wirken wie die Vergewisserung seiner selbst im unaufhaltsamen Strom der Zeit, den die endlosen Zahlenreihen auf den Gemälden und Graphiken so eindrücklich und mit symbolischer Kraft vor Augen führen.
Einen Blick auf die eigene Person wirft auch die Photographin Helga Paris (*1938). Die in schwarzweiß umgesetzten Selbstbildnisse aus den 1980er-Jahren überzeugen in ihrer dokumentarischen Anmutung, sie sind gradlinig, schnörkellos und unmittelbar. Zu sehen ist eine Frau, die einen aufrichtigen wie kritischen Blick auf sich selbst und in ihr Innerstes wirft. Nichts lenkt von ihrem Angesicht ab, der Betrachter ist aufgefordert, sich auf die feinen Nuancen und unmerklichen Veränderungen in Ausdruck und Aussehen zu konzentrieren.
Großformatig projiziert sind die Video-Porträts, die Thomas Struth (*1954) 1996/1997 und 2003 gedreht hat. Sie zeigen auf Gesicht und Schulterpartie fokussierte Einzelaufnahmen verschiedener Personen aus dem persönlichen Umfeld des Fotografen. Das filmische Porträt jedes Einzelnen dauert eine Stunde, die Entstehungszeit des Werks deckt sich mit der Betrachtungsdauer. Fraglos fordert Struth mit diesen Arbeiten von den Dargestellten eine hohe Konzentration und Disziplin ein. Äußere Einflüsse treten in dieser kontemplativen Situation zurück. Minimale Veränderungen lassen sich bei kontinuierlicher Betrachtung nachvollziehen, Innenwelten gewinnen beiderseits an Bedeutung.
Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur, Im Mediapark 7, 50670 Köln, Tel.: 0221/888 95 300, photographie@sk-kultur.de, www.photographie-sk-kultur.de
Ausstellung geöffnet tägl. außer Mi., 14 -19h, Eintritt: 4,50 Euro (ermäßigt 2 Euro), Mo. freier Eintritt
Am Karfreitag, 29. März ist die Ausstellung geschlossen!
Das 1992 erworbene August Sander Archiv bildet den Grundstein der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur. Es ist das weltweit größte Konvolut mit originalen Werken des Photographen (1876-1964). Mit Blick auf Sanders sachliche und konzeptorientierte Photographie erweiterte sich die Sammlung um weitere seinem Ansatz verwandte Arbeiten anderer historisch wichtiger und zeitgenössischer Künstler. Schwerpunkte bilden so auch die Photographien von Bernd und Hilla Becher, von Karl Blossfeldt, von Jim Dine und vielen mehr. Regelmäßige Ausstellungen orientieren sich programmatisch am Sammlungsbestand.
Kontakt:
SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn
Ralf Convents
Im Mediapark 7
50670 Köln
022188895105
convents@sk-kultur.de
http://www.sk-kultur.de