acatech schließt interdisziplinäres Internet Privacy Projekt mit konkreten Handlungsempfehlungen ab
(ddp direct) Berlin, 15. Mai 2013. acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften setzt sich für die Entwicklung einer Kultur der Privatheit im Internet ein. Die Akademie empfiehlt in ihrer neu veröffentlichten POSITION „Privatheit im Internet“ das Zusammenspiel von Bildung, Recht, Wirtschaft und Technik so zu gestalten, dass sich die grundlegenden europäischen Werte – freie Selbstbestimmung, politische Teilhabe und wirtschaftliches Wohlergehen der Bürger – optimal entwickeln können. Dazu legte acatech am 15. Mai 2013 in Berlin zahlreiche Empfehlungen vor und präsentierte den Software-Prototypen eines Privatheits-Agenten, der die Bürger beim Schutz ihrer Privatsphäre wirkungsvoll unterstützen kann.
Weltweit nutzen heute über 1,5 Milliarden Menschen das Web; in Deutschland sind es mindestens 50 Millionen. Besonders wichtig: Das Internet fördert die freie Selbstbestimmung, demokratische Partizipation und wirtschaftliches Wohlergehen. So unterstützen Informations- und Bildungsangebote im Netz die Menschen bei der Entwicklung eines selbstbestimmten Lebensentwurfs. Menschen, die eine politische Überzeugung miteinander teilen, können sich in Interessengruppen vernetzen. Durch das Internet sind in den vergangenen Jahren viele neue Jobs entstanden. Aber nahezu jedes Unternehmen, das seine Dienste im Internet ohne Bezahlung anbietet, verlangt dafür Daten und verdient mit ihnen Geld, zum Beispiel durch ihre Verwendung für gezielte Werbung. So sind persönliche Daten Ware und Währung. Das schürt Misstrauen und viele Internetnutzer sind skeptisch, ob Diensteanbieter mit ihren persönlichen Daten im Internet sorgfältig umgehen und bezweifeln, dass ihre Privatheit stets angemessen geschützt ist.
Das Vertrauensverhältnis zwischen Nutzern und Diensteanbietern ist aber die Grundvoraussetzung dafür, das Potenzial des Internets zum Wohle und Fortschritt der Gesellschaft voll auszuschöpfen. Darum hat acatech eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projektgruppe unter Leitung von Johannes Buchmann (CASED und Technische Universität Darmstadt) eingesetzt. Die Wissenschaftler aus Recht, Wirtschaft, Technik, Ethik und Soziologie und Wirtschaftsvertreter haben Vorschläge erarbeitet, die einen Beitrag zur Etablierung einer Kultur der Privatheit im Internet leisten und damit der Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen dem großen Wert des Internets für seine Nutzerinnen und Nutzer einerseits und der Sorge um die Beeinträchtigung ihrer Privatheit andererseits dienen.
„Den Umgang mit Internet-Privatheit an grundlegenden europäischen Werten zu orientieren, ist für die Entwicklung einer Kultur des Vertrauens im Internet richtungsweisend“, sagte Georg Schütte, Staatssekretär im BMBF. „Die konkreten Empfehlungen des Projekts liefern wichtige Impulse für die weitere Diskussion in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.“
„Die Zusammenarbeit in der interdisziplinären Arbeitsgruppe hat sich als sehr fruchtbar erwiesen“, sagte der Projektleiter Johannes Buchmann. „Wir hoffen, dass unsere gemeinsam erarbeiteten Handlungsempfehlungen national und international von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aufgegriffen werden. Gleichzeitig sehen wir erheblichen weiteren Forschungsbedarf, zum Beispiel bei der Weiterentwicklung unseres Privacy-Agenten.“
Die heute veröffentlichen Handlungsempfehlungen richten sich an Politik, Öffentlichkeit, Wirtschaft und Wissenschaft und umfassen die folgenden Bereiche:
• BILDUNG – Internetkompetenz für alle ermöglichen
Ein bewusster Umgang mit dem Internet braucht Internetkompetenz und Internetkompetenz erfordert Bildung. Ein zentrales Ziel ist die Förderung von Internetkompetenz für alle – in Schulen, in der Berufsausbildung und durch öffentliche Kampagnen.
• RECHT – Vertrauen im Internet durch verlässliche Rahmenbedingungen fördern
Nutzer sollten zum Beispiel ohne Hürden zwischen Diensten wechseln können. Zu verlässlichen Rahmenbedingungen trägt auch die Harmonisierung des Privatheitsrechts bei und die vertrauenswürdige Zertifizierung von Diensten. Wichtig ist aus der Sicht von acatech, dass die Realisierung solcher Vorschriften den Anbietern von Internetdiensten überlassen bleibt.
• WIRTSCHAFT – Vertrauenswürdigkeit von Internetdiensten erhöhen
Die Vertrauenswürdigkeit von Internetdiensten ist eine wesentliche Voraussetzung für ihren Erfolg. acatech vertritt die Auffassung, dass ein solches Vertrauen gesteigert werden kann, wenn den Nutzern Optionen gegeben werden, ihre Privatheit individueller zu gestalten. Dazu gehört etwa die Nutzung von Pseudonymen. Außerdem sollen Dienstanbieter die Nutzung von spezieller Software, sogenannten Privacy-Agenten, unterstützen durch zum Beispiel Standardisierung von Schnittstellen. Solche Agenten unterstützen die Nutzer beim Schutz ihrer Privatheit.
• TECHNIK – Privacy by Design
Privatheitsschutz ist wirkungsvoll und gleichzeitig kostengünstig, wenn er schon bei Design und Entwicklung von Internetdiensten berücksichtigt wird. Dazu sind viele technische Werkzeuge notwendig: von langfristig sicherer Kryptographie über Methoden für die anonyme Nutzung von Diensten bis zu Techniken, die das Vergessenwerden im Internet ermöglichen. Solche Lösungen können ihre Wirkung jedoch nur entfalten, wenn sie von Anfang an nutzerfreundlich angelegt sind.
Im acatech Projekt wurde der Prototyp eines Privacy-Agenten entwickelt. Er zeigt Nutzern, welche Informationen aus ihren Statusdaten in sozialen Netzwerken abgeleitet werden können, macht unverständliche AGBs zugänglich, verhindert das „Posten“ ungewollter Nachrichten und identifiziert Dienste, die die Privatheitsvorstellungen der Nutzer missachten. Der Agent wurde auf dem Abschlussforum vorgestellt und konnte von Teilnehmern ausprobiert werden.
Die interdisziplinäre Forschungsgruppe unter der Leitung von Johannes Buchmann, CASED und Fachbereich Informatik an der Technischen Universität Darmstadt, hat sich über die Projektdauer von 18 Monaten intensiv damit auseinandergesetzt, wie man Privatheit angemessen gestalten kann. Die Mitglieder der Projektgruppe waren: Rafael Capurro, Mitbegründer der Capurro-Fiek-Stiftung für Informationsethik; Michael Eldred, Köln; Daniel Nagel, Stuttgart; Martina Löw und Carsten Ochs, Institut für Soziologie an der Technischen Universität Darmstadt; Günter Müller, Gründungsdirektor des Instituts für Informatik und Gesellschaft an der Universität Freiburg; Christian Flender und Martin Peters, Universität Freiburg; Alexander Roßnagel, Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung und Leiter Fachgebiet Öffentliches Recht, insb. Umwelt- und Technikrecht an der Universität Kassel; Philipp Richter und Maxi Nebel, Universität Kassel; Alexander Pretschner, Leiter des Lehrstuhls für Softwaretechnik, Fakultät für Informatik an der Technischen Universität München; Florian Kelbert, Technische Universität München; Michael Waidner, CASED und Leiter Fachgebiet für Sicherheit in der Informationstechnik an der Technischen Universität Darmstadt; Hervais Simo und Fatemeh Shirazi, Technische Universität Darmstadt; Wieland Holfelder und Thomas Heimann, Google Germany GmbH; Göttrik Wewer, Deutsche Post DHL; Michael Bültmann, Nokia GmbH und Dirk Wittkopp, IBM Deutschland.
Im Rahmen des Forschungsprojektes sind zwei acatech STUDIEN mit der Bestandsaufnahme zu Beginn des Projektes sowie Privacy Analysen und Optionen für Online Social Networks und E-Commerce (jeweils auf Deutsch und Englisch) und die acatech POSITION mit den Handlungsempfehlungen (auf Deutsch und Englisch) zum Ende des Projektes erschienen.
Informationen zum Projekt, zur Projektgruppe und Download der Publikationen: www.acatech.de/privacy
Alles zum Abschlussforum in Berlin: www.acatech.de/abschlussforum-privacy
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