Ab dem 13.06.2014 gibt es für den Versandhandel eine neue Musterwiderrufsbelehrung. Das neue Muster ist jedoch juristisch falsch und in der Praxis nicht verwendbar. Neue Abmahnwellen drohen.
Alle Händler, die Waren oder Dienstleistungen im Wege des Versandhandels oder außerhalb ihrer Geschäftsräume anbieten, müssen ab dem 13.06.2014 eine neue Widerrufsbelehrung verwenden. Der Gesetzgeber hat dafür, wie auch schon zuvor, eine Musterwiderrufsbelehrung entwickelt und umfangreiche Ausfüllhinweise vorgehalten. Damit soll verhindert werden, dass die Händler fehlerhaft über das Widerrufsrecht informieren und deshalb abgemahnt werden.
Unglücklicherweise ist die neue Musterwiderrufsbelehrung nicht nur juristisch falsch, sondern auch ausgesprochen unpraktikabel. Händler, welche die gesetzliche Musterwiderrufsbelehrung verwendenden wollen, riskieren damit in vielen Fällen Abmahnungen durch Konkurrenten oder Verbraucherschutzorganisationen.
Die gesetzliche Musterwiderrufsbelehrung weist mehrere praktische und juristische Schwächen auf, die so schwerwiegend sind, dass eine korrekte Anwendung der Belehrung faktisch nicht oder nur in wenigen Einzelfällen überhaupt möglich ist.
Die gesetzliche Musterwiderrufsbelehrung ist zunächst juristisch falsch. Ein Fehler liegt in der -in allen Varianten falschen- Formulierung zum Beginn der Widerrufsfrist. Die Musterwiderrufsbelehrung belehrt dahingehend, dass die Frist “…ab dem Tag…” der Inbesitznahme der Ware beginnt. Das ist falsch. Der Tag der Inbesitznahme zählt nämlich für die Fristberechnung nach § 187 Abs. I BGB nicht mit. Es muss daher heißen “…nach dem Tag…” Damit könnte man mit etwas gutem Willen noch leben. Der zweite, viel schwerwiegendere Fehler liegt darin, dass der Gesetzgeber für den Beginn der Widerrufsfrist allein an die Inbesitznahme der Ware anknüpft. Damit verstößt der Gesetzgeber gegen sein eigenes Gesetz, denn in § 356 Abs. 3 BGB (neuer Fassung) ist geregelt, dass die Frist unabhängig vom Tage der Inbesitznahme der Ware durch den Verbraucher nicht zu laufen beginnt, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Artikels 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Artikels 246b § 2 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche unterrichtet hat, dem Verbraucher also die AGB, alle erforderlichen Informationen, die Widerrufsbelehrung und das Musterwiderrufsformular auf einem dauerhaften Datenträger hat zukommen lassen. Das hat der Gesetzgeber offenbar vergessen. Die Rechtsfolge dieser juristischen Fehler wäre an sich, dass die Widerrufsfrist (wegen der falschen Belehrung) in allen Fällen 12 Monate und 14 Tage beträgt und die Unternehmer reihenweise abgemahnt werden könnten, weil sie ja alle falsch über den Fristbeginn belehren. Hier hilft sich der Gesetzgeber allerdings dadurch, dass er bei genauer Verwendung der (falschen) Musterwiderrufsbelehrung die Informationspflichten für erfüllt erklärt. Er sagt also: “Egal wie falsch die Musterwiderrufsbelehrung auch ist, wenn sie genau so verwendet wird wie im Gesetz vorgesehen, gilt das als richtig.”
Man könnte also -juristische Fehler hin oder her- einfach die gesetzliche Musterwiderrufsbelehrung verwenden und wäre so immer auf der sicheren Seite. Leider ist das in der Praxis nicht möglich. Die Belehrung ist für heutige Onlineshops völlig unbrauchbar. Der Beginn der Widerrufsfrist hängt nämlich von der Art der Bestellung und der Art der Versendung ab. Wenn der Verbraucher eine Ware oder mehrere Waren im Rahmen einer Bestellung bestellt und die Ware in einem Paket geliefert wird, dann beginnt die Frist nach der Musterwiderrufsbelehrung “…ab dem Tag, an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die Waren in Besitz genommen haben bzw. hat,…”. Wenn der Verbraucher mehrere Waren im Rahmen einer Bestellung bestellt hat und die Waren getrennt geliefert werden, dann beginnt die Frist nach der Musterwiderrufsbelehrung “…ab dem Tag, an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die letzte Ware in Besitz genommen haben bzw. hat,…”. Wenn der Verbraucher eine Ware im Rahmen einer Bestellung bestellt und die Ware in mehreren Paketen geliefert wird, dann beginnt die Frist nach der Musterwiderrufsbelehrung “…ab dem Tag, an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die letzte Teilsendung oder das letzte Stück in Besitz genommen haben bzw. hat,…”
Die Musterwiderrufsbelehrung sieht vor, dass nur eine dieser Varianten in der Belehrung Verwendung finden darf. Darin liegt das Dilemma, denn der Unternehmer weiß oft vor der Bestellung gar nicht, wie er die Ware versenden wird.
Ganz verrückt wird es, wenn man dazu noch die neuen Regelungen zu den Rücksendekosten betrachtet. Nach der neuen Gesetzeslage ist es ja stets und unabhängig vom Kaufpreis möglich, dem Käufer die Kosten der Rücksendung aufzuerlegen. Die Belehrungen dazu sind allerdings praktisch nur korrekt umzusetzen, wenn man entweder immer selbst die Rücksendekosten trägt oder wenn man sicherstellen kann, dass alles was man versendet entweder ausschließlich paketversandfähig oder ausschließlich nicht paketversandfähig ist. Will man dem Verbraucher die Kosten der Rücksendung auferlegen und bietet paketversandfähige und nicht paketversandfähige Waren an, wird man an der Belehrung stets scheitern, weil man für einheitliche Bestellungen immer einheitlich belehren muss. Wenn aber einige der Waren aus der Bestellung paketversandfähig sind und einige nicht, gibt es keine juristisch korrekte Lösung mehr, außer wenn der Händler immer die Rücksendekosten trägt.
Problematisch dürften auch die Fälle werden, bei denen paketversandfähige Waren verschickt werden, die nach dem Öffnen der Verpackung nicht mehr paketversandfähig sind. Hierzu sagt die neue Belehrung gar nichts. Das trifft vor allem auf Pakete mit speziellen Verpackungen zu, die einmal zerstört nicht wieder in den versandfähigen Zustand versetzt werden können (vakuumverpackte Matratzen, Fernseher, wenn die Originalverpackung und das Styropormaterial zerstört wurde etc.). Den Gesetzestext muss man nach seinem Sinn und Zweck wohl so interpretieren, dass es für die Belehrung darauf ankommt, ob die Ware vom Verbraucher als Postpaket zurückgeschickt werden kann (dann paketversandfähig) oder ob der Verbraucher für die Rücksendung eine Spedition beauftragen muss (dann nicht paketversandfähig). Auf die Frage, ob die Hinsendung als Postpaket möglich war, kommt es wohl nicht an. Wenn man das als Prämisse annimmt, dann hängt die Gestaltung der Widerrufsbelehrung -zum Beispiel bei einer vakuumverpackten Matratze- davon ab, ob der Verbraucher vor oder nach seiner Widerrufserklärung die Verpackung entfernt hat oder wie vorsichtig er bei der Entfernung von Spezialverpackungen ist. Wie soll das aber der Verkäufer vorher wissen?
Ein weiteres Problem ist, dass man, will man die Rücksendekosten bei nicht paketversandfähigen Waren dem Verbraucher auflasten, diese vorher konkret der Höhe nach benennen muss, wenn das möglich ist. Die Verkäufer müssten also in die Widerrufsbelehrung präzise hineinschreiben, was der Rückversand kostet. Das ist allerdings ein Problem, denn der Rückversand ist Sache des Käufers. Der Verkäufer kann nur schwer vorhersehen, welche Rücksendekosten der Käufer verursachen wird, weil der Verkäufer ja nicht wissen kann, welche Spedition der Käufer beauftragen wird.
Wenn es nicht möglich ist die Kosten im Voraus zu benennen, dann muss der Verkäufer angeben, wie viel es denn “höchstens etwa” kosten wird. “Höchstens etwa”? – Ja, genau so steht das in der deutschen Musterwiderrufsbelehrung! “Höchstens” und “etwa” schließen sich in der deutschen Sprache allerdings gegenseitig aus. Mit “höchstens” bezeichnet man einen Maximalbetrag, der keinesfalls überschritten werden kann, mit “etwa”, bezeichnet man einen unklaren Betrag, bei dem Abweichungen nach oben oder unten möglich sind.
Insgesamt kann man sagen, dass die neue Musterwiderrufsbelehrung des deutschen Gesetzgebers juristisch falsch, für die Praxis völlig untauglich und im Übrigen eine Verhöhnung der deutschen Sprache ist.
Für die betroffenen Versandhändler bleibt an sich nur die Möglichkeit, die gesetzliche Musterwiderrufsbelehrung nicht zu verwenden, sondern eine eigene, einheitliche Belehrung für mehrere Fallvarianten. Das Gesetz schreibt zunächst die Verwendung der Musterwiderrufsbelehrung nicht zwingend vor. Man kann also theoretisch auch eine eigene Belehrung finden, die den gesetzlichen Informationspflichten gerecht wird. Das hat allerdings einen gravierenden Nachteil. Wenn die eigene Belehrung falsch ist, kann sie abgemahnt werden. “Falsch” bedeutet in diesem Zusammenhang, dass irgendwo ein noch so kleiner inhaltlicher Fehler vorliegt, dass die Belehrung fehlerhaft angewendet wurde (also für einen nicht passenden Fall) oder dass die Belehrung intransparent – also nicht verständlich genug ist. Gerade letzteres ist bei Eigenkonstruktionen ein Problem. Die Grenze, ab wann eine Erklärung nicht mehr hinreichend verständlich ist, ist nämlich sehr fließend. Eine Eigenkonstruktion ist natürlich, weil sie mehrere Fälle umfassen soll, noch etwas länger und komplizierter als das gesetzliche Muster. Es könnten sich durchaus Gerichte in Deutschland finden, die meinen, dass die Darstellung mehrerer Fallvarianten in einer Belehrung zu intransparent und damit irreführend im Sinne des UWG ist. Es kann zu Abmahnungen in diesem Zusammenhang oder auch zu wettbewerbsrechtlichen Klagen kommen. Derzeit gibt es natürlich noch keinerlei Rechtsprechung zur neuen Belehrung, erst in den nächsten Jahren wird sich nach und nach klären, was man darf und was nicht.
Wer eine falsche Widerrufsbelehrung verwendet oder eine grundsätzlich richtige Belehrung falsch anwendet (zum Beispiel für einen nicht passenden Fall), riskiert vor allem kostenpflichtige Abmahnungen. Diese können von jedem Konkurrenten oder von Verbraucherschutzorganisationen versandt werden. Die Abmahnung hat in der Regel den Inhalt, dass der Abmahnende den Abgemahnten auf seinen Gesetzesverstoß hinweist und ihn zur Abgabe einer sogenannten strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordert. Darin muss sich der Abgemahnte verpflichten, den Wettbewerbsverstoß zukünftig zu unterlassen. Hierfür wird meist eine sehr kurze Frist gesetzt. Für den Fall, dass der Abgemahnte gegen die Unterlassungserklärung verstoßen sollte, wird weiterhin eine Vertragsstrafe vereinbart. Darüber hinaus ist der Abgemahnte verpflichtet, die Kosten der Abmahnung (also zum Beispiel Rechtsanwaltsgebühren) zu bezahlen. Diese Kosten können 1.000,00 EUR leicht übersteigen, da die Streitwerte in wettbewerbsrechtlichen Angelegenheiten oft sehr hoch sind.
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Rechtsanwalt Tino Gunkel beschäftigt sich seit 2004 schwerpunktmäßig mit dem Internetrecht. Er ist unter anderem darauf spezialisiert, Websites und Onlineshops rechtssicher zu gestalten und dauerhaft rechtssicher zu halten.
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