Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die konkreten Verdachtsmoments darlegen und ihm die Gelegenheit geben einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen und sich innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich zu Verdacht zu äußern. Andernfalls ist die Kündigung jedenfalls als Verdachtskündigung unwirksam (LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06. November 2009 – 6 Sa 1121/09 -, juris). Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen
Ausgangslage:
Ein unumstrittenes Instrument des Arbeitgebers, auf schwerwiegende Vertragsverletzungen des Arbeitnehmers zu reagieren, ist die von der Rechtsprechung erfundene so genannte Verdachtskündigung. Problem: Der Arbeitgeber stützt seine Kündigung und damit eine für den Arbeitnehmer sehr einschneidende Maßnahme, lediglich auf den Verdacht einer Straftat zum Nachteil des Arbeitgebers. Voraussetzungen für die Wirksamkeit ist in diesen Fällen immer, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einräumt, zu den Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen und dadurch gegebenenfalls den Verdacht auszuräumen. In der Praxis wollen Arbeitgeber diesem Erfordernis oft dadurch genügen, dass sie den Arbeitnehmer kurzfristig einbestellen und mit den Vorwürfen konfrontieren. Alsdann wird sofort die Verdachtskündigung ausgesprochen. Wie das aufgeführte Urteil zeigt, genügt eine solche Verfahrensweise nicht. Die Verdachtskündigung ist in diesen Fällen bereits wegen der mangelhaften Anhörung unwirksam.
Die Entscheidung:
Nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts genügt es für die Anhörung als Wirksamkeitsvoraussetzung einer Verdachtskündigung nicht, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu den ihm bekannt gewordenen Verdachtsmomenten befragt. Der Arbeitgeber muss deutlich machen, dass er wegen der Verdachtsmomente einen entsprechenden Verdacht gegen den Arbeitnehmer hegt und darauf ggf. eine Kündigung zu stützen beabsichtigt, um dem Arbeitnehmer die Bedeutung der von ihm erwarteten Stellungnahme deutlich zu machen (LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06. November 2009 – 6 Sa 1121/09 -, juris).
Die Anhörung entsprach deshalb nicht den Anforderungen, weil die Beklagte es versäumt hat, kurzfristig einen neuen Anhörungstermin anzusetzen, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06. November 2009 – 6 Sa 1121/09 -, juris).
Fachanwaltstipp Arbeitgeber:
Arbeitgeber sollten bei entsprechendem Verdacht grundsätzlich immer auch eine Verdachtskündigung in Betracht ziehen. Oft lassen sich Taten nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beweisen. Arbeitgeber verlieren daher den Prozess allein deshalb, weil sie für die Kündigungsgründe voll darlegungs- und beweisbelastet sind. Wie mit einer Verdachtskündigung kann dieses Problem teilweise umgangen werden. Es sind allerdings dann die strengen Voraussetzungen der Rechtsprechung an die Wirksamkeit der Verdachtskündigung zu beachten. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, dem Arbeitnehmer schriftlich mit den Vorwürfen zu konfrontieren und ihm ausreichend Zeit zu geben, darauf zu reagieren. Umgekehrt muss natürlich immer die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beachtet werden.
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
(§ 626 BGB in der Fassung vom 2.1.2002)
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:
Wer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses mit dem Verdacht einer Straftat konfrontiert wird, sollte unbedingt rechtlichen Beistand suchen. Geschicktes anwaltliches Vorgehen, kann eine Menge bewirken. Dies gilt insbesondere, weil hier auch regelmäßig eine strafrechtliche Komponente zu beachten ist. Während es für das arbeitsrechtliche Verfahren in der Regel sinnvoll ist, sich zu äußern und den Verdacht auszuräumen, kann dies unter Berücksichtigung eines drohenden Strafverfahrens anders zu beurteilen sein. Es gilt nämlich der Grundsatz, dass man sich ohne vorherige Akteneinsicht niemals zur Sache einlässt. Der hierdurch entstehende Widerspruch muss sorgfältig abgewogen die Entscheidung über das weitere Vorgehen muss unter Berücksichtigung der möglichen Folgen und der Prioritäten des Arbeitnehmers getroffen werden.
Faustformel: Lässt sich der Verdacht mühelos ausräumen und hat man auch entsprechende Beweismittel, wird eine Einlassung gegenüber dem Arbeitgeber sinnvoll sein. Wer also einen Zeugen hat, der bestätigen kann, dass er zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Tat überhaupt nicht am Tatort war, wird über eine Einlassung nachdenken. Sie wird möglicherweise das Arbeitsverhältnis retten. Ist nämlich die Kündigung erst ausgesprochen, führt auch eine Kündigungsschutzklage regelmäßig nur noch zu Zahlung einer Abfindung.
Ist die Beweislage hingegen schlechter, weil man z.B. eben nicht über diesen Zeugen verfügt, sollte eine Aussage sehr genau überlegt werden.
12.9.2013
Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin
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