Wie Parteien mit Zweckbündnissen zwischen Wettbewerb und Zusammenarbeit umgehen | Politikwissenschaftler von der NRW School of Governance analysieren die Herausforderungen des modernen Regierens
Berlin | Heidelberg | Wiesbaden, 11.09.2013. Die neue Bundesregierung wird eine Koalitionsregierung sein. Damit ein solches Zweckbündnis vier Jahre lang bestehen kann, bedarf es eines professionellen Koalitionsmanagements. Der Politikwissenschaftler Niko Switek beschreibt in seinem aktuellen Beitrag “Koalitionsregierungen” im “Handbuch Regierungsforschung” von Springer VS die Regeln dafür: “Einerseits müssen die Koalitionspartner ihre eigenen Ziele verfolgen können, andererseits dürfen keine Konflikte ausbrechen, die das Bündnis bedrohen.” Zusätzlich übe der Wandel des deutschen Parteiensystems Druck aus, neue Konstellationen einzugehen – und zwar sowohl mit neuen Akteuren als auch mit mehr als einem Partner zur gleichen Zeit. Diese und weitere Herausforderungen des modernen Regierens beschreibt das Autoren-Team um die Herausgeber Karl-Rudolf Korte und Timo Grunden im neuen “Handbuch Regierungsforschung”.
Nur einmal in der Geschichte der Bundesrepublik bildete eine sogenannte übergroße Koalition die Regierung, bei der der Austritt eines Partners nicht zum Verlust der Mehrheit geführt hätte. Kompromisse einzugehen gehört für die politische Führung des Landes deshalb zum Alltagsgeschäft. Oftmals sind die Koalitionspartner trotz aller Meinungsverschiedenheiten ein eingespieltes Team, und eine gewisse “Faulheit” tut ihr Übriges für die konstanten Koalitionsverhältnisse. Dennoch beschreibt Niko Switek mögliche Gründe für die Abkehr von den bisherigen Weggefährten: ein Koalitionär verspricht sich wahltaktische Vorteile – also mehr Stimmen oder eine höhere Ämterausbeute mit einem alternativen Partner. Die Zusammenarbeit könne aber auch an verloren gegangenen politischen Gemeinsamkeiten scheitern, oder der Bruch solle einen innerparteilichen Streit schlichten. Schließlich könnten auch einzelne Personen eine entscheidende Rolle bei der Veränderung spielen: entweder, wenn sich eine Integrationsfigur verabschiedet, oder wenn persönliche Abneigungen bei den Entscheidern der Parteien ins Spiel kommen.
Koalitionen haben aber nicht nur wegen des immerwährenden Spannungsverhältnisses zwischen Wettbewerb und Kooperation erschwerte Bedingungen, sondern müssen sich zudem auch den Herausforderungen des modernen Regierens stellen. Karl-Rudolf Korte und Timo Grunden bündeln im “Handbuch Regierungsforschung” den aktuellen Forschungsstand zum Thema und beschreiben, wie der politische Steuerungsbedarf ständig wächst, während die Politik immer weniger autonom handeln kann. Zur Problemlösung müssten Partner aus Wirtschaft und Gesellschaft mit ins Boot genommen werden. Gleichzeitig erhöhe sich der Zeitdruck: “In immer kürzeren Abständen müssen immer neue Krisen entschärft werden – und das bei längerer Wirkungszeit der Entscheidungen. Während der Erwartungsdruck auf die Politiker steigt, sinkt parallel dazu das ihnen entgegengebrachte Vertrauen.” Dementsprechend gehen die Autoren in den 38 Handbuch-Beiträgen der Frage nach, wie sich politische Problemlösungsfähigkeit und demokratische Legitimität erhalten und miteinander verbinden lassen. Dabei analysieren sie die Effektivität politischer Systeme, Aspekte der politischen Kommunikation sowie Führungs- und Entscheidungsstile individueller Spitzenpolitiker – von Kanzlern, über Minister bis hin zu Parteivorsitzenden.
Univ.-Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte ist Professor für Politikwissenschaft, Direktor der NRW School of Governance und Dekan der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen sowie Geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift für Politikwissenschaft.
Dr. Timo Grunden vertritt zurzeit die Professur für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt politisch-soziales System Deutschlands | Vergleich politischer Systeme an der Justus-Liebig-Universität Gießen und ist stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Regieren an der Universität Duisburg-Essen.
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