Gesamtauswertung von Reden aus dem Straßenwahlkampf
Gregor Gysi hat im diesjährigen Bundestagswahlkampf aus rhetorischer Sicht die besten Reden gehalten. Das ergibt eine Auswertung des Verbands der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS) . Der Spitzenkandidat der Linken überzeugte durch strukturierte Vorträge, klare Argumente, kurze und verständliche Sätze sowie die Übersetzung komplexer Sachverhalte in anschauliche Bilder.
Seit Juli hat ein Team von insgesamt sechs Redenschreibern die Reden der Spitzenkandidaten aller im Bundestag vertretenen Parteien (CDU, SPD, Grüne, FDP und Linke) auf Veranstaltungen im so genannten Straßenwahlkampf analysiert und bewertet. Punkte gab es für Aufbau und Struktur der Reden, Sprache, Stil und Argumentation (nachvollziehbar, logisch), sowie Körpersprache, Stimme, Glaubwürdigkeit und Inszenierung der Veranstaltung. Berücksichtig wurde auch die Wirkung auf das Publikum vor Ort. Politische Inhalte und politische Fähigkeiten der Redner wurden nicht bewertet.
Angela Merkel und Peer Steinbrück schnitten in den Analysen gut ab. Die Bundeskanzlerin punktete dabei mit ihrer nüchternen, unaufgeregten Art. Sie wirkte glaubwürdig und sachlich, blieb “bei entscheidenden Fragen präzise unbestimmt”, so das Ergebnis des VRdS. Ihre Argumentation war eher einfach, aber für die Zuhörer nachvollziehbar. Kleine Geschichten aus dem Politikerdasein oder fiktive Situationen (“Stellen Sie sich mal vor, ich würde Ihnen jetzt mal vorschreiben, dass Sie eine Schraubenfabrik aufmachen”) waren einfach in der Sprache, kamen aber gut an. “Weniger Belehrung als Aufklärung”, heißt es dazu in der Analyse.
Als genaues Gegenteil dazu präsentierte sich Peer Steinbrück. Der SPD-Kanzlerkandidat überzeugte durch großes und präzises Faktenwissen sowie eine klare und bilderreiche Sprache. Allerdings hatten seine Auftritte “manchmal etwas Dozentenhaftes”. Steinbrück gelang es, seine Aussagen gegenüber den Positionen der Koalition abzugrenzen und seine Argumente durch “bildliche Sprache mit klarer Nachricht” zu untermauern. Seine Sprache war klar und deutlich, zum Teil reißerisch, die “hohe Aggressivität nicht immer angemessen”, so die Bewertung.
FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle lieferte “Wahlkampf, wie man sich Wahlkampf vorstellt: emotional, engagiert, plakativ und aggressiv gegenüber dem politischen Gegner”, so der Präsident des VRdS, Dr. Vazrik Bazil. Die Kritik an Brüderle: Bisweilen sprach er zu undeutlich, teils schrie er übermäßig, gestikulierte aufgeregt und blieb allzu gern beim Plakativen.
Jürgen Trittin erhielt im Straßenwahlkampf 2013 nur durchschnittliche Bewertungen. Er halte oft “Brikettreden” und springe von einem Thema zum nächsten, kritisierten die Beobachter. Er sprach zwar frei, verfiel aber manchmal “in ein Stakkato und hämmerte förmlich seine Aussagen heraus.” Dabei wirke er dann “agitatorisch und fast schon demagogisch.”
VRdS-Präsident Vazrik Bazil betonte in Zusammenhang mit der Analyse einmal mehr: “Wer Rednerinnen und Redner begreifen und einschätzen will, muss ihre Reden leibhaft hören. Politiker zum Anfassen und Wähler zum Anfassen – beide müssen sich direkt begegnen. Die virtuelle Welt ist eine beschnittene Welt. Es ist die reale Welt, in der Reden bewegen und berühren, überzeugen und führen.”
Der VRdS wurde 1998 in Bonn gegründet. Er plädiert für lebendige und verständliche Reden, mit denen Informationen und Botschaften glaubwürdig vermittelt werden. Dem Verband gehören rund 460 Redenschreiber und Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz an. Sie liefern Redemanuskripte und Formulierungsvorschläge und beraten Redner in Politik und Wirtschaft sowie private Auftraggeber und ehrenamtliche Mandatsträger.
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