Die Galerie für Kulturkommunikation legt ab sofort die Kataloge des Art Spotting Projektes von Rainer Strzolka und Esther Mitterbauer im Buchhandel vor
Art Spotting – zum neuen Projekt von Rainer Strzolka und Esther Mitterbauer
Art Spotting ist Trendsport. Jede sich bietende Gelegenheit wird genutzt, Kunst zu betrachten und zu kommentieren, wobei es egal ist, um welche Art Kunst es sich dabei handelt. Was zählt, ist nicht das Kunstwerk, sondern der Eventcharakter des Kunstwerkes. Man möchte weniger die Kunst sehen, als bei ihrer Betrachtung gesehen werden.
Die Fotodokumentation von Rainer Strzolka und Esther Mitterbauer wirft einen Blick hinter die Kulissen dieser Subkultur. Die Fotografien zeigen Seltsames: So, wie man eine Münze in einen Spielautomaten wirft, und sich vom Ergebnis überraschen lässt, so schweift der Art Spotter zu zufällig aufgefundenen Kunstorten, steht mit einer Miene der Betroffenheit vor Werbeplakaten wie vor dem David des Leonardo Da Vinci, den er mit Michaelangelo verwechselt. Seine häufigste Redewendung ist jene von der Entrückung durch die Kunst, der der moderne Mensch bedarf. Gerne wirft er Sätze wie “Ach, dieses Licht” in den Raum oder “Das Orchester spielt heute aber besonders seelenvoll.” Der Art Spotter ist eine Art Claudia Roth des Kunstgewerbes. Es gibt weniges, von dem er etwas versteht, aber er äußert sich ständig und zu allem.
Während der Art Spotter seinen Café latte mit abgewinkeltem kleinen Finger trinkt, ist er sich nicht zu schade, sein Gegenüber mit spitzfindigen Analysen zu bilden: “Auf semipermeablen Distanzen des Dabeiseins führt eine gegebene Kulturarbeit die Konvention aus und rhythmisiert dabei irgendeine performative Entfremdung, wobei die Neuanordnungen inklusiv sind und die Formensprachen damit präzise taktieren. Diese Typologie spezifiziert in vagen, sublimen oder transferablen Entelechien der Kunst und bezieht sich überdies semipermeabel und kompatibel auf sich selbst” Für solche Erleuchtungen nimmt der Erleuchter kein Geld, aber sie kosten sein Gegenüber Lebenszeit ohne Ende. Manchmal verbleibt dem Gegenüber nur die Notwehr und er schleicht sich still davon, während der Erleuchter mit geschlossenen Augen doziert.
Der Art Spotter blickt durch.
Anschließend eilt er mit gehetztem Blick – es gibt noch mehr Kunst zu betrachten – durch dunkle Gänge und schaut sich ehrfurchtsvoll schwarze Leinwände an, die er für bedeutsam hält, weil sie auf jeder Nachwuchskünstler-Vernisage zu sehen sind. Gelegentlich verwechselt er die Feuertreppe einer Hinterhofgalerie in Dudenbostel mit einem Kunstwerk und verweigert die Besteigung auch im Notfall. Seine Körperhaltung ist stets angespannt, er spürt die Blicke anderer Art Spotter im Rücken, wenn er sich auf einem Stuhl niederlässt, der kein Stuhl ist, sondern nur so aussieht und tatsächlich ein hoch versichertes Kunstwerk ist. Leere Räume mit in die Ecken geknüllter Baumwolle liebt er, ebenso blau lackierte WC-Türen. “Kunst ist überall” flüstert der Art Spotter dann jedem zu, der ihm im Gang vor dem WC über den Weg läuft.
Der Art Spotter steht in ständiger Konkurrenz mit anderen Art Spottern um die Deutungshoheit über alle Kunst der Welt
Gerne taucht der Art Spotter paarweise auf, vorzugsweise in der Gesellschaft einer schwarzen rollstuhlfahrenden lesbischen Sozialpädagogin, die Kunstprojekte mit kriminellen Jugendlichen macht, indem sie Gemüse mit Sekundenkleber zusammen klebt und das ganze dann “Environment” nennt. Die Sozialpädagogin ist von der heilenden Kraft dieses Kunstwerkes auf die armen Seelen krimineller Jugendlicher mit Migrationsvordergrund fest überzeugt. Sie ist Anthroposophin und verehrt in stiller Heimlichkeit Lenin und wählt Grün.
Der Gang des Art Spotters ist bisweilen eine Spur zu schnell. Der Eindruck lässt sich nicht vermeiden, dass er aus der Kunst hinaus eilen möchte, ohne dabei gesehen zu werden. Obwohl fotografieren in allen Ausstellungen verboten ist, knipst er ständig mit seinem Telefon. Er fotografiert einfach alles, er ist der perfekte Liveblogger und teilt seinen Kunstgenuss mit seinen Facebook-Freunden, von denen er tausende hat, die seine verwackelten Bilder ihrerseits für Kunst halten, weil der Art Spotter sie zur Kunst erklärt. In völlig leeren Ausstellungsräumen erkennt der Art Spotter seine besondere Expertise, immerhin ist er der erste, der die dort gezeigte völlig revolutionäre Kunstrichtung zu würdigen weiß. Er ist innerlich leer und hält dies für ein an Zen geschultes Bewusstsein.
Wenn sich der Art Spotter unverstanden fühlt, was ständig der Fall ist, krümmt er sich wie eine Schnecke und wirft gekränkte Blicke um sich. Setzt er zur Widerrede an, hat er das Pathos eines Opernsängers aus Alfeld. Sind seine Gefühle auch echt, so wirken sie doch wie Theaterdonner.
Gelegentlich kommt es vor, dass er sich in einer Galerie in einen Nebenraum verirrt, sich über die Erhabenheit eines Kunstwerkes freut und daran, dass er ganz alleine es entdeckt habe. Er hat sich dann in den Heizungskeller verirrt, wo sich düstere Rohre künstlerisch paaren. Aber er ist glücklich.
Drei neue Bildbände von Rainer Strzolka und Esther Mitterbauer dokumentieren Art Spotting:
Art Spotting I. 114 Photographien. Hannover: Verlag für Ethnologie 2013. 100 Seiten. – ISBN 978-3-86421-954-2. – 25 Euro
Art Spotting II. 103 Photographien. Hannover: Verlag für Ethnologie 2013. – 100 Seiten. – ISBN 978-3-86421-953-5. – 25 Euro
Art Spotting – 472 Fotografien aus der Kunstszene. Berlin: epubli 2013. – 196 Seiten. – 19,80
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