Wann darf ein Geschenk nach Verarmung des Schenkers zurückgefordert werden? Wann muss sich dieser vorwerfen lassen, seine Verarmung grob fahrlässig herbeigeführt, also Geld verschwendet zu haben?
Der Volksmund sagt “Geschenkt ist geschenkt, und wiederholen ist gestohlen.” Der Gesetzgeber hat dies anders gesehen und in § 528 BGB angeordnet, dass der Beschenkte den erhaltenen Gegenstand zurückgeben muss, wenn der Schenker nach Vollziehung der Schenkung nicht mehr in der Lage ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten und die ihm obliegenden Unterhaltspflichten zu erfüllen. Diese Vorschrift erfreut sich steigender Beliebtheit, seitdem wir alle immer älter werden und im Alter auf Pflegeheime zurückgreifen müssen. Dann reichen nämlich die Rente und das vorhandene Vermögen oft nicht aus, und es müssen Sozialleistungen beantragt werden. Die Behörden forschen dann aber erst einmal danach, wer ggf. im Wege der vorweg genommenen Erbfolge eine Zuwendung erhalten hat, und wenden sich dann an den Beschenkten, oft nachdem sie den bestehenden Anspruch auf sich übergeleitet haben.
Dieser Rückforderungsanspruch ist unter anderem gemäß § 529 BGB ausgeschlossen, wenn der Beschenkte seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Grob fahrlässig handelt nach der Definition, wer die verkehrserforderliche Sorgfalt im besonders schweren Maße verletzt, schon ganz einfache, naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was in gegebenem Falle jedem einleuchten müsste. Hierzu gab es bislang kaum Rechtsprechung, nämlich nur ein Urteil des BGH vom 05.11.2002, X ZR 140/01. In diesem Fall schenkte eine ehemals sehr vermögende Dame ihrer Tochter ein Einfamilienhaus und eine Eigentumswohnung. Sie machte weiterhin der Tochter, ihren Enkeln und Bekannten Geldgeschenke von über einer Million D-Mark und spendete auch Geld an gemeinnützige Organisationen. Letztlich war aber ihr Vermögen aufgebraucht, auch weil sie ihre monatlichen Ausgaben nach den Schenkungen nicht verringerte. Sie gab nämlich im Durchschnitt rund DM 6.000,00 monatlich aus, wobei sie noch nicht einmal Miete zu zahlen hatte, da sie sich an der verschenkten Eigentumswohnung ein Nießbrauchrecht hatte einräumen lassen. Sie musste letzten Endes Sozialleistungen und ein monatliches Pflegegeld beantragen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Behörden wandten sich an die Tochter und verlangten die Rückgabe der Geschenke. Es musste sodann geklärt werden, ob die alte Dame durch die Schenkungen und den teuren Lebensstil die Bedürftigkeit grob fahrlässig herbeigeführt hat. Der Bundesgerichtshof nahm an, dass die Schenkerin nicht grob, sondern nur einfach fahrlässig gehandelt hatte, da es ihr anlässlich der Schenkungen gesundheitlich sehr schlecht ging. Sie hatte im Alter von 68 Jahren und damit vor den Schenkungen einen Oberschenkelhalsbruch erlitten und musste sich in den Jahren danach etlichen Operationen und Rehabilitationsmaßnahmen unterziehen. Das Gericht glaubte der Schenkerin, dass sie in dieser Zeit annahm, bald sterben zu müssen, deswegen ihr Vermögen weggab und danach ihren Lebensstil nicht einschränkte. Die dortige Klägerin konnte also die Geschenke von der Tochter zurück verlangen. Dass die alte Dame letztlich älter wurde als vorher erwartet, konnte ihr nicht entgegenhalten werden.
Eine Aussage dazu, wann grobe Fahrlässigkeit vorliegt, hat nunmehr das OLG Frankfurt in dem von mir erstrittenen Urteil vom 29.08.2013, 1 U 29/12, getroffen. In diesem Fall ging es um eine sehr viel jüngere Schenkerin, die im Alter von 47 bzw. 48 Jahren ihrem Sohn insgesamt EUR 26.000,00 schenkte, nachdem sie ihr Familienheim verkauft und einen Erlös von insgesamt EUR 230.000,00 erzielt hatte. Sie war zuvor als Reinigungskraft mit einem geringeren Verdienst tätig, gab diese Arbeit dann aber auf und lebte von dem Kaufpreis. Dieser war dann von gut drei Jahren verbraucht, so dass sie Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) beantragen musste. Umgerechnet hat sie letztlich EUR 3.400,00 monatlich ausgegeben, in etwa so viel wie die alte Dame in dem vom BGH entschiedenen Fall, da sie ja anders als diese auch noch Miete zahlen musste. Hinzu kommt außerdem noch die allgemeine Steigerung der Kosten, da zwischen den beiden Fällen ja einige Jahre liegen. Das OLG Frankfurt wies darauf hin, dass man nach dem Urteil des BGH nicht annehmen darf, dass Lebenshaltungskosten von EUR 3.400,00 monatlich in jedem Fall akzeptabel seien. Vielmehr komme es auf die individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse an, und diese seien bei der Klägerin angesichts des vorherigen geringen Einkommens und des insgesamt doch überschaubaren Vermögens sehr viel bescheidener gewesen als im Fall des BGH. Auch vor dem Hintergrund der noch sehr langen Lebenserwartung sei das Finanzgebaren unverständlich. Insbesondere konnte die Argumentation der Klägerin nicht nachvollzogen werden, dass sie aufgrund der Versilberung ihres einzigen Vermögenswertes, nämlich des Familienheims, berechtigt war, ihren Lebensstil entsprechend zu erhöhen. Der guten Ordnung halber sei noch angemerkt, dass die Klägerin ihr Verhalten mit einer psychischen Erkrankung zu erklären versucht, hierfür aber keinen geeigneten Beweis angetreten hat. Dieses Urteil ist nach der Entscheidung des BGH ein erster Versuch, diese Vorschrift weiter einzugrenzen, und wird vermutlich in die Kommentare eingehen.
Es gibt natürlich noch andere Argumente, um einen Rückforderungsanspruch abzuwehren, etwa der Ablauf von zehn Jahren nach Erhalt der Leistung oder die eigene Bedürftigkeit des Beschenkten, der ja zunächst einmal für sein eigenes Auskommen und das seiner Familie sorgen darf. Diese sollen aber hier nicht weiter erörtert werden.
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