Neckargemünd/Berlin, den 06.03.2016 – Der Bundesgerichtshof (BGH) wird am 05.04.2016 (siehe Pressemitteilung) endlich über eine wichtige Rechtsfrage verhandeln, über die Rechtsanwälte wie Richter allerorten sich entzweien.
Das Problem
Entspricht eine Widerrufsbelehrung in einem Verbraucherdarlehensvertrag nicht den gesetzlichen Anforderungen, so beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen und endet also auch nicht. In der aktuellen Situation an den Finanzmärkten ist es daher allzu verständlich, dass die Verbraucher von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen und ihre sich dann ergebenden Rechte auch versuchen gerichtlich durchzusetzen.
Die Banken, die natürlich in erheblichem Masse von solchen Rückabwicklungen betroffen wären, haben das wirtschaftliche Risiko fehlerhafter Widerrufsbelehrungen zu tragen. Sie haben sich zu anderen Konditionen refinanziert und haben nun den Schaden zu tragen.
Die Banken können sich nur dann auf den Schutz des Gesetzes (Gesetzlichkeitsfiktion) berufen, wenn ihre Widerrufsbelehrungen dem Muster entsprechen.
Deshalb suchen sie, wissend um ihre fehlerhaften Widerrufsbelehrungen, ihr Heil in einer Einrede, die dem Prinzip von Treu und Glauben entspringt: der Verwirkung. Dieser Grundsatz besagt, dass nach einer gewissen Zeit ein Vertragspartner (hier: die Bank) sich auf den Vertrag verlassen darf. Dazu kommt, dass der andere Vertragspartner (hier: der Kunde) nicht jede Möglichkeit ausnutzen können soll, um sich von einem zwischenzeitlich missliebig gewordenen Vertrag zu lösen. Letzteres läuft auch gerne unter dem juristischen Begriff der “verspäteten Vertragsreue”.
Die Rechtsprechung ist durchaus uneinheitlich. So wird einesteils darüber unterschiedlich entschieden, ob der Widerruf nach fünf, sechs usw. Jahren noch möglich ist. Anderenteils gibt es unterschiedliche Auffassungen dazu, ob das Anstreben einer neuen, günstigeren Finanzierung als Motiv beachtlich sein soll oder nicht.
Die Ausgangsentscheidung
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat im September 2015 die Berufung der Bank zurückgewiesen, die sich gegen ihre erstinstanzliche Verurteilung zur Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung wehrte. Diese hatte die Bank verlangt, als die Kläger ihre Immobilie veräußerten und Aufhebung des Darlehensvertrages wünschten. Um die Freigabe zu erreichen, zahlten die Kläger zunächst den geforderten Betrag, widerriefen aber später den Vertrag und verlangten den Betrag zurück.
Das OLG hat die – ebenfalls häufig unterschiedlich beurteilte – Frage offengelassen, ob geringfügige Abweichungen von den gesetzlichen Musterbelehrungen erheblich seien oder nicht.
Es hat zum einen entschieden, dass (gesetzlich vorgesehene) Zusätze jedenfalls selbst dann mit der gesetzlichen Musterbelehrung übereinstimmen müssen, wenn der Zusatz gar nicht notwendig war. Ferner hat es gemeint, dass inhaltliche Bearbeitungen abweichend von der gesetzlichen Vorgabe der Bank die Berufung auf die Fiktion der Gesetzeskonformität verhindert. Schließlich hat der Senat auch gemeint, dass eine unwirksame Widerrufsbelehrung quasi (!) ein ewiges Widerrufsrecht bewirke, weswegen es der Bank versagt bleiben müsse, sich auf Rechtsmissbräuchlichkeit zu berufen. Endlich hat das Gericht auch ausgeführt, dass auch eine Aufhebungsvereinbarung nicht bewirke, dass der Darlehensnehmer sein Widerrufsrecht verliere, auch nicht nach 22 Monaten.
Wegen der Frage der Verwirkung hat es unter Verweis auf Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte die Revision zugelassen.
Die Lage
Andere Oberlandesgerichte haben also abweichend entschieden.
So hat beispielsweise das OLG Düsseldorf in einer Entscheidung vom Januar 2016 gemeint, dass der Widerruf unzulässige Rechtsausübung darstelle, wenn der Verbraucher vom günstigeren Zinsniveau profitieren wolle.
Das OLG Frankfurt meinte, dass schon dann Verwirkung vorliege, wenn der Darlehensvertrag bereits 8,5 Jahre laufe. Die Bank könne sich auf eine “beanstandungsfreie Vertragsabwicklung” darauf verlassen, dass der Darlehensnehmer sein (sog. “ewiges”) Widerrufsrecht nicht mehr ausüben werden.
Die Hoffnung
Verbraucheranwälte hoffen natürlich, dass der BGH endgültig dem “Wildwuchs” in der Rechtsprechung durch klare Grundsätze einen Riegel vorschieben wird. Letztlich ist das auch im Interesse aller Parteien, denn die Unklarheit provoziert unentwegt eine Flut an Prozessen, bei der seriöse Fachanwälte laufend darauf hinweisen müssen, dass die Lage eigentlich nur im Bereich des jeweiligen OLG “gesichert” ist.
Verbraucher, die mit dieser Frage zu kämpfen haben, sollten sich also bemühen, ihre Verfahren bis zur Entscheidung des BGH offen zu halten. Unter Hinweis auf das Verfahren könnte es sogar möglich sein, in kleineren Fällen die Gerichte zu überzeugen, die Berufung oder die Revision zuzulassen.
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Artikellink: http://darlehenswiderruf.net/2016/03/07/widerruf-von-darlehensvertraegen-bgh-verwirkung/