– Münchner Fahrlehrer Jörg Holtmann zieht ernüchternde Bilanz zu den Zielen des Bundesverkehrsministeriums und fordert Kurswechsel
– Noch immer sterben zehn Menschen täglich im Straßenverkehr
Es ist Halbzeit und die Zahlen lügen nicht. Im Jahr 2011 hatte das Bundesverkehrsministerium angekündigt, die Zahl der getöteten Menschen im Straßenverkehr in acht Jahren, bis 2020 um 40% zu senken. Aktuelle Zahlen der Verkehrsstatistik zeigen, dass das Ziel kaum zu erreichen sein dürfte. Für das Jahr 2015 wird erwartet, dass die Zahl der im Deutschen Straßenverkehr getöteten Menschen zum dritten Mal nach 2011 und 2014, auf circa 3450 Menschen ansteigt. Das sind fast 10 Menschen täglich. Vier Jahre sind um und gegenüber 2010 (Tiefstand der Unfallstatistik) sind von den geplanten 40% erst 3,6% erreicht. “Mit den bisherigen Maßnahmen wird das Verkehrsministerium sein Ziel nicht erreichen können. Denn der Ansatz ist falsch. Wenn jeden Tag in Deutschland ein Mensch als Fahrradfahrer sein Leben verliert, reicht doch die Empfehlung des Verkehrsministeriums einen Schutzhelm zu tragen nicht aus. Dann kann die Regierung auch empfehlen, zu Hause zu bleiben, das ist noch sicherer.
“Nicht die Folgen der Unfälle müssen wir in den Griff bekommen, sondern die Ursachen,” sagt Jörg Holtmann, Inhaber einer Fahrschule in München. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren sehr intensiv mit der Unfallstatistik, Hintergründen und Zusammenhängen der Probleme im Straßenverkehr und hat seine Erkenntnisse nun in einem aufrüttelnden Buch “Ein Fahrlehrer packt richtig aus!” veröffentlicht. Darin nennt er Zahlen und Fakten, die kaum einer kennt. Holtmann schildert provokativ, humorvoll und informativ, anschauliche Situationen aus dem Alltag und gibt Tipps, wie wir alle den Straßenverkehr sicherer gestalten können. Zum Beispiel:
– Mehr Informationen und Aufklärung für die Verkehrsteilnehmer wie in den 70igern durch die Sendung “der 7.Sinn”.
– Überarbeitung und Vereinfachung der Straßenverkehrsordnung.
– Bessere Planung und Bau von Straßen und Verkehrseinrichtungen, sodass auch Fahranfänger, Ältere und Ortsunkundige nicht überfordert sind.
– Weniger Zeitdruck und Ablenkung, mehr Ruhe und Beobachtung führen zu einem guten Fahrstil.
“Wenn wir Kraftfahrer uns nicht von den Assistenzsystemen entmündigen lassen wollen, müssen wir uns dem Tabu-Thema -wer ist wirklich ein guter Verkehrsteilnehmer- öffnen”, so Holtmann und verweist auf die Statistik. Täglich werden circa 7000 Unfälle polizeilich aufgenommen, über 1000 Menschen verletzt und circa 10 Menschen getötet. Alle 8 Minuten verunglückt ein 18-bis 25-Jähriger, alle 18 Minuten verunglückt ein Kind unter 15 Jahren. Alle 17 Stunden stirbt ein Fußgänger, alle 18 Stunden wird ein 18- bis 25-Jähriger getötet und alle 22 Stunden verliert ein Fahrradfahrer sein Leben.
In seinem Buch geht es weder um Vorhaltungen noch um Schuldzuweisungen. Den Autofahrer pauschal als Raser zu beschuldigen ist falsch. Kein Verkehrsteilnehmer gefährdet mit Vorsatz andere. Und doch, sind es die Fehler, welche von Verkehrsteilnehmern im Straßenverkehr gemacht werden, die zu den Unfällen führen.
Auch wenn sich nach Umfragen unter den rund 50 Millionen Führerscheininhaber in Deutschland 90% für gute und sehr gute Kraftfahrer halten, muss man auch zur Kenntnis nehmen, dass fast 9 Millionen Verkehrsteilnehmer im Jahr 2014 wegen Verkehrsverstößen in Flensburg registriert waren. Das Fahreignungsregister (früher Verkehrszentralregister) verzeichnete allein in 2014 circa 5 Millionen Mitteilungen über Verkehrsverstöße. Damit bewegt sich diese Zahl auf dem Niveau der Vorjahre – damit also kein Grund zur Beunruhigung? Prinzipiell ist jeder Verkehrsverstoß geeignet die Sicherheit zu beeinträchtigen, auch wenn glücklicherweise nicht alle ihre möglichen Negativfolgen für Leib und Leben entfalten. Verkehrsverstöße geschehen häufig, ohne dass der Verursacher den Verstoß vorsätzlich begangen hat, denn nicht immer ist der Mensch in der Lage, alle Verkehrssituationen vollständig zu beherrschen. Oft sind es Unkenntnis der Regeln oder Ablenkung. An dieser Stelle setzen zunehmend Fahrerassistenzsysteme ein, die den Menschen wirkungsvoll unterstützen – ihm aber nicht die Verantwortung nehmen können.
“Ein Fahrlehrer packt richtig aus!”
Über die Probleme im Straßenverkehr und wie wir alle besser werden können.
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Jörg Holtmann, seit 27 Jahren Fahrlehrer und Inhaber einer Fahrschule in München.
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