Nuckelflaschenkaries – die unerwartete Gefahr

Nuckelflaschenkaries - die unerwartete Gefahr Die Entstehung von Karies
Jedes Kind hat schon einmal von Karies und Baktus gehört. Somit ist allgemein bekannt, dass aus einer unzureichenden Zahnpflege, im Zusammenhang mit zu häufigem Verzehr von zuckerhaltigen Lebensmitteln, Karies entsteht. Doch neben diesen beiden Faktoren, wird der Faktor Baktus, also die Bakterien, häufig unterschätzt. Dabei ist genau dieser ein sehr entscheidender für das Thema Nuckelflaschenkaries. Denn erst im Zusammenspiel der drei Punkte Bakterien, Zucker und Zeit entwickelt sich Karies. Wenn nur einer dieser Faktoren fehlt, bleibt die Kariesbildung aus. Zu diesem Thema hat Prof. Dr. mult h.c. Per Axelsson bereits vor 30 Jahren die Theorie aufgestellt, dass der Bakterienfaktor am leichtesten zu vermeiden ist. Natürlich kommt bei einem Kleinkind die Frage auf: Woher hat das Kind Bakterien im Mundraum? Die Beantwortung dieser Frage lautet: Von den Eltern! Deswegen ist es ratsam, dass Eltern sich schon vor der Geburt des Kindes einer intensiven Prophylaxe- Behandlung unterziehen. Denn wenn das Kind bakterienfrei ist, schadet der Zucker nicht mehr. Natürlich sollte der Zuckerkonsum eines Kleinkinds dennoch nicht 1 bis 4 Kontakte täglich überschreiten, weil der, durch Zucker entstehende, saure Speichel die Zähne weich macht. Zudem sollten Kinder schon ab dem ersten Zahn den Zahnarzt besuchen. Problematisch ist, dass in Deutschland von dem Dachverband der gesetzlichen Krankenkassen erst ab einem späteren Zeitpunkt eine Behandlung vorgesehen ist. Folglich fordern Zahnärzte, dass sich die deutschen Gesetze an den Bedarf anpassen und in Zukunft frühkindliche Behandlungen ab dem 6. Lebensmonat bezahlt werden. Dadurch spare man dann auch Kosten in späteren Lebensphasen. Andere Länder, wie zum Beispiel die Skandinavischen, sind Deutschland in dem Punkt schon einen Schritt voraus.

Skandinavische Länder als Vorreiter
In Deutschland liegt die Nuckelflaschenkariesrate bei über 60%. Im Gegensatz dazu ist diese in skandinavischen Ländern um vieles geringer. Dieser deutliche Unterschied kommt dadurch zustande, dass die Primär-Primär-Prophylaxe in diesen Ländern schon seit einigen Jahren erfolgreich durchgeführt wird. So haben in Schweden beispielsweise nur 3% der Kleinkinder Karies. Die Zahnärzte widmen sich vorerst nicht dem Kind, also dem eigentlichen Subjekt unseres Themas, sondern führen prophylaktische Maßnahmen bei den Eltern durch, wodurch diese bakterienarm gemacht werden. Somit werden schon vor der Entbindung des Kindes, die Eltern behandelt, weil 80% der Bakterien des Kindes genetisch von Mutter und Vater vererbt sind. Das Resultat ist, dass eine Infektion des Kindes durch Mutter oder Vater vermieden wird. In Schweden ist diese Maßnahme Pflicht. Eine Verweigerung hat die Konsequenzen, dass die Eltern für weitere Behandlungen des Kindes selbst aufkommen müssen. Zudem wird die Behandlung sogar von Steuern und nicht der Krankenkasse bezahlt. Dadurch wird deutlich, dass das schwedische System dem deutschen im Thema Nuckelflaschenkaries voraus ist. Denn Nuckelflaschenkaries wird dort als Volkskrankheit empfunden, weswegen die Motivation groß ist, dagegen etwas zu unternehmen. Dieses System ist so erfolgreich, dass 97% der schwedischen Kinder und Jugendlichen kariesfrei sind.

Vorstellung der Praxis von Zahnarzt Bremen Thomas Hinkelmann
Schon seit 1977 erfreuen sich Patienten in Bremen bei dem Zahnarzt Thomas Hinkelmann und seinem Team der bestmöglichsten Zahnmedizin sowie freundlicher Behandlungen. Herr Hinkelmann ist unteranderem auch Kinderzahnarzt und interessiert sich als Fachmann seit mehr als 30 Jahren für das Thema Karieserkrankung von Kindern. In der Prophylaxe und der Erkennung von Karies gefährdeten Zähnen hat Herr Hinkelmann ein besonders geschultes Auge.

Interview mit Herrn Hinkelmann
WUP: Was ist Nuckelflaschenkaries?
Herr Hinkelmann: Nuckelflaschenkaries entsteht durch übermäßiges Nuckeln an Flaschen beim Kleinkind. Dies tritt nach der Stillzeit, also schon im Alter von 6 Monaten ein und hält dann bis zum 4. oder 5. Lebensjahr der Kinder an. Natürlich sind individuelle Unterschiede festzustellen, denn manche sind länger andere kürzer an die Flasche gebunden. Das große Problem daran ist, dass dadurch die Zuckerkontakte des Kindes bis ins endlose gebracht werden.

WUP: Warum entsteht Nuckelflaschenkaries?
Herr Hinkelmann: Nuckelflaschenkaries entsteht durch ein Zusammentreffen von Zucker und Bakterien. Denn dadurch wird der Zahn demineralisiert, woraufhin er aufweicht und schließlich die typische Karies entsteht. Nuckelflaschenkaries zeichnet aus, dass dieser sehr stark die Innenseite, beziehungsweise Rückseite, der Zähne auflöst. Im weiteren Verlauf wird dann auch der äußere Teil der Zähne angegriffen und es entstehen hässliche, braune Stummel.

WUP: Wie alt sind Kinder durchschnittlich, die von Nuckelflaschenkaries betroffen sind?
Herr Hinkelmann: Nuckelflaschenkaries beginnt bereits im Alter von 6 Monaten, weil ab diesem Zeitpunkt die ersten Zähne durchbrechen. Wenn dann sofort ein Überschuss an Zucker und einer aggressiven Bakterienflora zusammentreffen, bildet sich Karies augenblicklich. Die Höhepunkte dürften bei zwei Jahren liegen.

WUP: Welche Rolle spielen die Eltern?
Herr Hinkelmann: Die Eltern sind für die Ernährung zuständig. Es sollte mittlerweile allgemein bekannt sein, dass Zucker sehr schädlich ist und es wichtig ist darauf zu achten, dass bei Kindern der Zucker sehr sparsam eingesetzt wird. Im guten Fall sollten diese auf nicht mehr als 0 bis 4 Zuckerkontakte pro Tag kommen. Der zweite Punkt, weswegen Eltern eine maßgebliche Rolle spielen, ist die Tatsache, dass sie der Überträger von Bakterien sind. Bei diesem Punkt finde ich es am sinnvollsten einzugreifen, denn ich habe selbst 10 Jahre Zahnputzunterricht gemacht und dabei leider feststellen müssen, dass die Leute lassen sich nicht umstellen lassen. Deswegen bin ich sehr überzeugt von Prof. Dr. Axelssons Forderung, die das Eingreifen beim Bakterienpunkt vorsieht. Deswegen rate ich meinen Patienten eine frühe Prophylaxe und wenn ich einen Zahn sehe, dann weiß ich sofort ob der gefährdet ist oder nicht. Erstaunlicherweise gibt es tatsächlich Menschen, die keine Prophylaxe brauchen, aber das sind natürlich die wenigsten. Der Bakterienübertrag von Eltern zu Kindern findet schwerpunktmäßig zwischen dem 18. Und 32. Monat statt. Beginnt allerdings bereits im ersten Lebensmonat und geht bis weit über den 4. Geburtstag hinaus. In dieser Zeit wäre es intelligent, die Eltern frühestmöglich zu betreuen. Es ist wichtig, dass diese sehr saubere Mundverhältnisse haben, damit sie überhaupt nicht infektiös für das Kleinkind sind. Da sollten wir uns an andere Länder anpassen, die das bereits vormachen. Doch diese sogenannte Primär-Primär-Prophylaxe ist in Deutschland leider völlig unbekannt. Das merke ich deutlich daran, dass ich täglich zwei, drei Patienten davon erzähle, die jedes Mal aufs Neue überrascht sind. Damals bin ich sogar zu Frauenärzten gefahren und habe das Thema in der Schwangerschaftsberatung den Schwangeren erzählt, um eine bessere Verteilung zu bekommen. Denn in Schweden sind bereits 97% der Kinder kariesfrei und das lässt sich in der erfolgreichen Anwendung der Primär-Primär-Prophylaxe begründen.

WUP: Welche Maßnahmen können Eltern folglich treffen, damit Nuckelflaschenkaries nicht entsteht?
Herr Hinkelmann: Um die zwei wichtigsten Faktoren nochmal zusammenzufassen:
Die frühestmögliche Prophylaxe bei sich selbst und die Einschränkung des Zuckerkonsums der Kleinkinder.

WUP: Ab wann sollten Kleinkinder regelmäßigen Untersuchung beim Zahnarzt?
Herr Hinkelmann: Wir empfehlen auf jeden Fall mal im ersten Lebensjahr des Kindes bereits beim Zahnarzt vorbeizuschauen. Denn wie gesagt, der Fachkundige Zahnarzt, der an Prophylaxe spaß hat, kann an der Schmelzoberfläche den Zustand ablesen und weiß unmittelbar, was in der Mundhöhle passiert. Man kann sagen, dass der Schmelz zu einem spricht. Deswegen sollte man früher als viele denken zum Zahnarzt. Bei uns in der Praxis schenken wir unseren Patienten in jedem Kindesalter eine Untersuchung auf kariesaktive Bakterien. Diese wird durch einen kleinen Test durchgeführt. Wir sammeln mit einem Q-Tip Bakterien auf und messen die Säurebildungsrate. Dann wissen wir sofort, ob Angreifer da sind. Das heißt noch nicht 100%ig, dass auch Karies entstehen muss, aber wenn Angreifer da sind, zeigt dass, das man besonders gut aufpassen muss. Leider sieht das Gesetz in Deutschland eine echte Karies- Prophylaxe der Kinder erst ab dem 6. Lebensjahr vor. Das ist viel zu spät, weswegen wir jedem raten, in dem Moment wo wir mit Bürstchen auf Milchzähnchen losgehen können, mit der Behandlung zu beginnen. Wir fangen schon mit dem ersten Zahn an, später behandeln wir 5, bis irgendwann alle Zähne durchgebrochen sind. Nach der Behandlung bekommen die Kinder auch ein kleines Geschenk.

WUP: Welche langfristigen Auswirkungen hat Karies an den Milchzähnen?
Herr Hinkelmann: Karies an den Milchzähnen wirkt sich auf die bleibenden Zähne aus. Wenn es zum vorzeitigen Einbruch der Zahnreihen kommt und insbesondere der Stützzonen, führt das sehr häufig zu einem Engstand der bleibenden Zähne. Engstände führen dazu, dass es sehr schwer ist, die Zähne ordentlich zu reinigen, weil gerade, gesunde Zähne nun einmal leichter zu reinigen sind, als schlechtstehende Zähne. Deswegen ist dadurch wiederum die Karies vorprogrammiert. Folglich ist der Erhalt einer Milchzahnreihe für den späteren Platzbedarf der bleibenden Zähne essentiell wichtig. Speziell die Stützzone zwischen dem Eckzahn und dem ersten bleibenden Molaren ist von ganz entscheidender Größe, die unbedingt durch gesunde Milchzähne erhalten werden muss.

WUP: Welche Maßnahmen ergreifen Sie in Ihrer Praxis?
Herr Hinkelmann: Wir raten unseren Patienten neben einer Voruntersuchung, sich perfekt in der Prophylaxe betreuen zu lassen. Das heißt im Hinblick auf die Zahngesundheit des Kindes, sich selbst bakterienarm machen zu lassen. Dies gelingt mit professioneller Zahnreinigung oder mit Medikamenten- Schienen. Diese werden mit einem antibakteriellen Gel beschickt und ca. eine Woche lang 5-10 Minuten täglich getragen. Das Gel beinhaltet den Wirkstoff Chlorhexidin (CHX), der eine sehr gut erforschte antibakterielle Wirksubstanz in der Kariesprävention ist. Somit kann man mit wenigen Maßnahmen die Bakterienzahlen bei den Eltern drastisch zurückfahren und für das Kind eine nicht infektiöses Milieu schaffen.

WUP: Welche Tipps haben Sie, damit die Entwicklung von Nuckelflaschenkaries zurück geht?
Herr Hinkelmann: Ich finde, dass die Einführung der Primär-Primär-Prophylaxe ganz dringend kommen muss! Des Weiteren ist eine intensive Beratung der Eltern wichtig, sodass der Faktor Bakterien in der Mundhöhle keine Rolle spielt. Dann haben wir dadurch schon die halbe Miete, weil ohne Bakterien auch vermehrter Zuckerkonsum nicht unbedingt zur Kariesbildung führt. Deswegen empfehle ich allen Eltern sich schon vor der Geburt ihres Kindes mit einem Zahnarzt in Verbindung zu setzen, weil im Mutterleib eindeutig die Weichen gestellt werden.

WUP: Vielen Dank!

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