Souverän verhandeln
Wenn sich Verhandlungspartner gegenübersitzen, werden gerne sämtliche Register gezogen. Auch werden Argumente gerne mehrfach wiederholt, was aber nur dafür sorgt, dass sich die Verhandlung im Kreis dreht. Wie oft haben Sie sich selbst dabei erwischt, Ihre eigenen Argumente zu wiederholen, um den anderen zum Nachgeben zu bewegen? Das Ganze gleicht einem “Sumo-Ringkampf”: Jeder macht sich so schwer wie möglich. Das ist mühsam und unelegant. Es kostet Zeit und es kostet Kraft.
Das bessere Argument gewinnt – nicht!
Warum werden Argumente in Verhandlungen so häufig wiederholt? Man wiederholt eine Aussage, wenn man denkt, der andere hat sie nicht verstanden. Das Prinzip der Wiederholung wird außerdem angewendet, um den Verhandlungspartner endlich zum Nachgeben zu bewegen. Wenn beide Parteien sich mehrfach selbst wiederholen, wird es zeitaufwendig und langweilig, und es bewegt sich nichts. Am Ende eines langen Tags bekommt man ein Ergebnis nahe 50:50: beide Seiten haben sich um die Mitte herum getroffen, was nicht überrascht. Sie haben für dieses unspektakuläre Ergebnis sehr lange gebraucht – was schon überrascht.
Wenn Sie Judo statt Sumo beachten, werden Sie früher zuhause sein und ein befriedigenderes Ergebnis erzielen!
Ich habe mich mit verschiedenen Ansätzen des Verhandelns beschäftigt. In jedem dieser Ansätze sind Mittel enthalten, um souverän und wirkungsvoll zu verhandeln, ohne sich in einem langen Argumente-Pingpong zu verhaken (Fritzsche, 2013). Zu jedem Bereich möchte ich ein Beispiel nennen, von denen jedes zeigt: gute Argumente sind keine Garantie für ein gutes Ergebnis – viele andere Aspekte spielen eine wichtige Rolle.
Kooperatives Verhandeln
Das kooperative Verhandeln folgt den Grundregeln des HARVARD-Konzepts (Fisher et al., 1998). Forscher der Universität Harvard haben vom Verhalten besonders erfolgreicher Verhandler mehrere Regeln abgeleitet. Die erste Regel zielt darauf ab, zur anderen Person eine positive persönliche Beziehung aufzubauen. Auch diese Regel ist einen eigenen Aufsatz wert, da am Verhandlungstisch häufig das Gegenteil passiert: um die Forderung der anderen Seite abzuwerten, wird oft die andere Seite komplett abgewertet, also auch die Person. Nicht nützlich, sondern schädlich – aber heute nicht mein Thema.
Aus anderen Regeln lässt sich eine sehr hilfreiche Haltung ableiten. Stellen Sie sich vor, Sie haben gerade die Phase der Verhandlung erreicht, in der jede Partei die eigene Position einmal gründlich dargestellt und mit den entsprechenden Argumenten untermauert hat. Jeder hat zugehört, im besseren Fall die andere Seite auch ausreden lassen. Im Sumoringer-Ablauf würde nun jeder beginnen, die eigenen Argumente erneut zu wiederholen sowie die Argumente der anderen Seite schlecht zu machen. Jeder. Abwechselnd. Im Kreis.
Hätte dieser Dialog Untertitel wie im Film, dann würde zu lesen sein: “Ich will, dass Sie nachgeben und auf meine Forderung eingehen!” Nicht mehr und nicht weniger soll das Argumente-Pingpong bewirken. Da beide das tun… dauert es lang und tut sich wenig. Schwerfälliges Sumoringen.
Die Haltung des Harvard-Ansatzes leitet ein anderes Vorgehen ab. Sobald alle Forderungen und alle Argumente formuliert sind, treten die Harvard-Verhandler einen Schritt zurück und betrachten gemeinsam den Sachverhalt. Sie streben nun einen Schulterschluss an, indem sie sich gemeinsam folgende Frage stellen: “Jetzt wissen wir, was der jeweils andere sich vom heutigen Gespräch erwartet. An einigen Punkten stimmen wir überein – an anderen unterscheiden wir uns noch. Was genau können wir nun tun, damit wir heute alle mit einem möglichst guten Ergebnis nach Hause gehen?”
In einer schlichten Situation wird vielleicht entschieden, dass vier Positionen strittig sind und beide Seiten jeweils bei zwei Punkten der anderen Partei entgegenkommen. Diese Lösung wäre nicht sehr raffiniert – würde hier aber nach zehn Minuten erreicht, anstatt (“Sumo”) erst nach zwei Stunden.
In einer komplexeren Situation schauen die Parteien hinter die Forderungen und erforschen die verschiedenen Interessen, um dann gemeinsam kreative Lösungen zu entwickeln, die möglichst viele der Interessen beider Seiten befriedigen.
In beiden Varianten gilt: Die inhaltlichen Forderungen und Argumente würden nur ein einziges Mal formuliert. Danach sucht man in einer Art von Meta-Dialog gemeinsam nach Lösungen. Hoch wirksam, viel Nutzen mit wenig Aufwand. Judo statt Sumo.
Strategisches Verhandeln
Strategisch verhandeln ähnelt dem Pokerspielen oder dem Schach. Man inszeniert Dinge, um die andere Partei zu beeinflussen. Mehrere Dutzend Schachzüge verstärken die Wirkung der Argumente. Selbst wenn Sie diese Schachzüge nicht mögen – Sie sollten sie definitiv kennen, um sie abzuwehren. Jeder kennt zum Beispiel “Guter Polizist, Böser Polizist” – aber fast niemand kennt die beiden wirkungsvollen Abwehrstrategien. Ich kann sogar um 11 Uhr im Seminar die Taktik analysieren – und um 11:30 Uhr fallen Rollenspieler dennoch auf sie herein.
Diese dramaturgischen Inszenierungen sind enorm wirkungsvoll – und ihre Wirkung kommt nicht durch inhaltliche Argumente. Wer das unterschätzt, wird oft ein Problem bekommen.
Verhandeln mit NLP
Neurolinguistisches Programmieren befasst sich unter anderem mit Sprachmustern. Diese Muster zeigen ebenfalls, dass Argumente nicht ausreichen, um auf elegante Weise erfolgreich zu sein.
Ein einfaches Beispiel ist das Prinzip der “Implikation”. Es bedeutet, dass in einem Satz neben der offenen noch eine zweite Botschaft versteckt ist. Während sich der Partner mit der offenen Bedeutung beschäftigt, beeinflusst ihn unbewusst die versteckte Botschaft.
Viele Verhandler fragen zum Beispiel “Geht da preislich noch etwas? Können Sie mir noch entgegenkommen?” Weshalb sollte der andere hier Ja sagen? Lenken Sie die Aufmerksamkeit des anderen weg vom Nein: “Wieviel geht denn hier noch im Preis – um welchen Betrag können Sie mir noch entgegenkommen?” Es ist eine winzige Veränderung. Der Partner soll sich mit der Frage wie viel beschäftigen und nicht überlegen, ob ja oder ob nein. Sie erhöhen die Chance, dass das Gespräch für Sie günstig verläuft.
Das Verwenden von Implikationen ist ein subtiles Tool. Es bringt Ihnen ein oder zwei Prozent Nutzen. Im Koffer der NLP-Werkzeuge sind viele solche Tools enthalten. In der Summe bewirken sie einen starken zusätzlichen Nutzen. Ohne ein einziges zusätzliches Argument!
Angewandte Sozialpsychologie
Werfen wir noch einen Blick auf die Sozialpsychologie. Hier finden wir einen Steinbruch weiterer Ideen, um Zugeständnisse beim Gegenüber zu erreichen. Nehmen wir das “Reziprozitätsprinzip”: die Forschung sagt, dass Menschen, die etwas bekommen, einen starken inneren Impuls verspüren, etwas zurückzugeben: “Wie Du mir, so ich Dir” – im positiven Sinn.
Bringen wir dem Gesprächspartner ganz materiell eine kleine Aufmerksamkeit zur Begrüßung mit, gilt: Der andere wird bei nächster Gelegenheit versuchen, uns ebenfalls etwas zu geben. In einer Verhandlung steigt die Chance auf ein Zugeständnis.
Das Reziprozitätsprinzip unterstützt auch die Auge-um-Auge-Taktik: wir verknüpfen jedes Zugeständnis prinzipiell mit einer Gegenforderung: “Ist in Ordnung, ich komme Ihnen hier entgegen… wenn Sie Ihrerseits folgendes für mich tun: …” Auch hier haben wir keine Extra-Argumente eingesetzt – wir haben nur durch psychologische Kenntnisse unsere Chance maximiert, genau jetzt von der anderen Seite etwas zu erhalten.
Fazit
Viel hilft nicht viel. Argumente führen zu Gegenargumenten. Zeit vergeht, Energie vergeht, wenig bewegt sich. Indem wir stattdessen Dinge tun, wie sie hier geschildert wurden, erhöhen wir die Chance für einen raschen und eleganten Erfolg: wir können meta-verhandeln (“was tun wir jetzt, um die Differenz zu überbrücken?”), wir können emotionale Dramen inszenieren, wir können subtile Sprachmuster einsetzen oder auch psychologische Forschungsergebnisse geschickt verwenden. Wir verzichten auf Wiederholung und nützen stattdessen die Energie der beiden Parteien sinnvoll. Judo statt Sumo.
Der Diplom-Psychologe Thomas Fritzsche arbeitet seit 1994 als Managementtrainer mit dem Spezialgebiet Verhandlungstechniken und Mitarbeiterführung. Er trainiert Menschen, die beruflich in Verhandlungen und ähnlichen Situationen ihre persönliche Wirkung optimieren möchten.
Thomas Fritzsche ist außerdem Gründer und Inhaber von TOMplus, einem Weiterbildungsunternehmen, mit dem er gemeinsam mit anderen Spezialisten für Angewandte Psychologie Verhaltenstrainings und wirkungsvolle Maßnahmen zur persönlichen Entwicklung anbietet.
Kontakt:
TOMplus Team für Organisationsberatung und Managementtraining
Thomas Fritzsche
Zur Hardthöhe 15
63 691 Ranstadt
+49 6041 9605 125
th.fritzsche@tomplus.de
http://www.TOMplus.de