Baugewerbe befindet sich in ernster Lage. Utopische Ziele der Bundesregierung und keine kreativen Ideen aus Berlin? Mangel an Fachkräften und Material lassen Baukosten explodieren.
Ein Kommentar von Theodor J. Tantzen
Über viele Jahre war die Immobilienindustrie der Garant für unsere gute Konjunktur. Die Geschäfte liefen besser als in den meisten anderen Branchen. Corona brachte 2020 aber weltweite Lieferketten zum Erliegen. Seither kämpft die deutsche Bauindustrie gegen Lieferengpässe und drastisch steigende Materialkosten. Die wachsende Nachfrage nach dem Lockdown trieb im Vorjahr die Preise weiter. Der Angriff Russlands auf die Ukraine verschärfte nun die schwierige Situation. Mit den Sanktionen gegen Russland und dem kriegsbedingten Ausfall von Lieferungen aus der Ukraine drohen hierzulande Baustopps. Eine Rückkehr zu normalen Handelsbeziehungen ist auf Jahre nicht zu erwarten.
Baugewerbe befindet sich in einer ernsten Lage – utopische Ziele der Bundesregierung
Wer von einer nur schwierigen Situation im Baugewerbe spricht, betreibt eine Beschönigung der tatsächlichen Lage. Die Situation ist ausgesprochen ernst. Die jüngsten vollmundigen Ankündigungen der neuen Bundesregierung, noch in diesem Jahr 400.000 Wohnungen neu zu schaffen, sind in dieser Lage völlig illusorisch, nicht nur für dieses Jahr und sicherlich auch noch für das nächste Jahr.
Mangel an Flächen und Fachkräften – unkalkulierbare Förderungen
Realität in 2022 ist: es mangelt – ebenfalls schon seit vielen Jahren – vor allem in den Städten zu sehr an bebaubaren Flächen. Der Bauindustrie fehlen Tausende Fachkräfte. Die Bauvorschriften wurden nicht reduziert oder vereinfacht. Die baurechtlichen Genehmigungsverfahren dauern immer noch nicht viel zu lang. Bauen muss attraktiver werden. Der abrupte Stopp der Förderungen sorgte in der Baubranche für Entsetzen, viele Kalkulationen für Bauprojekte platzten. Die öffentlichen Fördertöpfe sind ausgeschöpft. Wann kommt das neue Fördersystem? Bauherren warten. Es wird dringender denn je benötigt, weil finanzielle Spielräume durch die steigenden Zinsen und Baukosten immer enger werden. Private Investoren sind zusehends überfordert.
Materialmangel – explodierende Baustoffkosten
Der Zusammenbruch der gewohnten Lieferketten bei vielen Bau- und Rohstoffen führt zu erheblichen Verzögerungen der Fertigstellungen. Materialpreise haben sich bereits zum Teil verdreifacht. Ein Ende der Preisspirale ist nicht in Sicht. Explodierende Energiekosten und der Ukrainekrieg befeuern die Inflationsrate – die Drehgeschwindigkeit wird sich erhöhen. Prognosen der Europäische Zentralbank lagen bisher weit daneben. Wann beginnt die Geldpolitik, die die Inflation bekämpft?
Bauministerin setzt auf Bündnis und wieder ein Baugipfel
Das Erschreckende an der Gesamtsituation unserer Baubranche ist, dass hilfreiche Lösungen für die bekannten Sorgen auf absehbare Zeit nicht in Sicht sind. Das Bauministerium unter Ministerin Klara Geywitz arbeitet zögerlich. Wer nicht weiterweiß, bildet einen Arbeitskreis – getreu diesem Motto hat die Bauministerin ein Bündnis mit der Wohnungswirtschaft ins Leben gerufen.
Wann kommen kreative Ideen aus Berlin?
Im Herbst sollen 50 Teilnehmer aus der Bauwirtschaft Verbesserungsvorschläge unterbreiten, ein Baugipfel soll mit Kanzler Scholz folgen. So geht wieder wertvolle Zeit verloren. Das Ganze erscheint wie eine Analogie zum gescheiterten Berliner Baugipfel im Jahr 2018, an dem Olaf Scholz seinerzeit ebenfalls teilgenommen hatte. Bis zum Ende der Legislatur darf bei dieser Vorgehensweise nicht allzu viel Gutes für die Branche erhofft werden. Es mangelt der Ministerin schlicht an Mut und an Ideen für eine kreative Baupolitik.
Desolate Rahmenbedingungen erschweren die Situation
Der Markt soll es alleine richten. Berlin setzt – wie schon die Amtsvorgänger – lieber auf wohlfeile Prophezeiungen von viel zu hoch angesetzten Bauzielen. Obendrein herrscht durch abrupte Stopps große Unsicherheit bei der staatlichen Neubauförderung. Bis das angekündigte neue Fördersystem vorliegt, wird noch viel Zeit vergehen. Zu allem Überfluss sagen die Umweltverbände noch den Einfamilienhäusern den Kampf an. Sie wollen die Versiegelung von Flächen stoppen. Wie sollen unter diesen Rahmenbedingungen hierzulande mehr Wohnungen gebaut werden?
Immobilienpreise kennen nur eine Richtung – Klimaschutz wird Preise beflügeln
Der Bedarf an Wohnraum wird seit Jahren nicht gedeckt. Immobilienpreise haben auch in der Corona-Pandemie stark zugelegt und werden noch weiter steigen, auch wenn gewohnheitsmäßig manche Experten unentwegt von einer platzenden Immobilienblase schwadronieren. Dass die verschärften Klimaziele die Realisierung von Immobilien in den nächsten Jahren zusätzlich erheblich verteuern werden, scheint allgemein bisher kaum wahrgenommen worden zu sein.
Immobilien sind krisenfeste Kapitalanlage
Während sozial orientierte Wohnprojekte schon implodieren, versuchen private Investoren unter schwierigen Rahmenbedingungen so schnell wie möglich ein Immobilienprojekt zu starten. Die Bauzinsen sind zwar bereits gestiegen, bewegen sich aber noch auf einem niedrigen Niveau, weit unterhalb des Durchschnitts vergangener Jahrzehnte. Wer Geld hat, will jetzt in Immobilien investieren. Warum? Immobilien bleiben die einzige krisenfeste Kapitalanlage. Immobilien schützen vor Vermögensverlusten, ermöglichen selbst in der Zeit der Rekordinflation noch einen stabilen Vermögensaufbau.
Hausverkäufe brechen ein – Schutz vor Vermögensverlust
Aber, die Notarverbände berichten aktuell bereits, dass die Immobilienverkäufe dramatisch um die Hälfte gesunken sind. Es mangelt an Angeboten. Wer ein Haus besitzt, wird es auf absehbare Zeit nicht veräußern, um sich vor Vermögensverlusten zu schützen. Je länger die hohe Inflation andauern wird, umso mehr fürchten Bürger um den Wert ihres Ersparten. Bessere Argument für die Investition in krisenfeste Immobilien gibt es wohl kaum. In unsicherer Zeit wollen Investoren schnell handeln. Wir brauchen jetzt politische Lösungen, um jetzt mehr Neubauten errichten zu können. Berlin sollte deshalb schneller handeln und bekannte Hindernisse beseitigen.
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