Zensus, Städtewachstum, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Datenstrategie – Frühjahrstagung der Städtestatistik

Mit Daten und mit Datenkompetenz nehmen Städtestatistiker/-innen aktuelle Themen deutscher Städte in den Blick.

Rund anderthalb Monate vor dem Stichtag des Zensus’ 2022 tauschen sich Praktikerinnen und Praktiker aus den örtlichen Erhebungsstellen zum Stand der Vorbereitungen aus. In etlichen Erhebungsstellen fehlen noch ehrenamtliche Erhebungsbeauftragte für die Haushaltebefragung. Die Kommunen appellieren an das Statistische Bundesamt und die Landesämter bei den Werbemaßnahmen zur Deckung des ehrenamtlichen Personalbedarfs mehr zu unterstützen. Weiterhin bestehen aus Sicht der Kommunalstatistik noch Unklarheiten bezüglich der technischen Umsetzung. Einige Bundesländer haben für die Erhebung in den Haushalten auf den Einsatz von Tablets umgestellt, der Papierbedarf der Erhebungsbeauftragten sinkt dadurch jedoch kaum und Arbeitsprozesse haben sich für die kommunalen Erhebungsstellen sogar verlängert. In Sachsen können die Erhebungsstellen das Zensus-IT-System erst seit Ende März nutzen, sodass Verzögerungen absehbar sind.

Während der Zensus deutschlandweit für die Einwohnerstatistik Daten liefern soll, verfügen die Städte über eigene, deutlich aktuellere Daten aus den Melderegistern. Diesen Datenschatz nutzen die Kommunen, um die Bevölkerungsentwicklung am aktuellen Rand zu beobachten. Während der Corona-Pandemie kam es zu einer deutlichen Verlangsamung das Bevölkerungswachstums oder sogar zu einem Einwohnerverlust in vielen deutschen Städten. Ursächlich hierfür sind u.a. die eingeschränkte Mobilität oder der ausbleibende Zuzug von Studienanfängern, während sich bestehende Trends wie z.B. die Abwanderung von Familien ins Umland weiter fortsetzen. Ob die pandemiebedingten Veränderungen einen vollständigen Bruch gegenüber vorherigen Entwicklungen oder nur eine “Pause” darstellen, ist für zukünftige Bevölkerungsprognosen relevant. Angesichts zunehmender Stadt-Umland-Wanderungen konnten die Städtestatistiker/-innen an einem Fallbeispiel zeigen, dass sich über die Hälfte Abgewanderten vorstellen kann, in die Kernstadt zurückzukehren. Entscheidend sind hier jedoch das Wohnungsangebot und die Immobilienpreise, die eine Stadt-Umland-Wanderung zuletzt noch verstärkten.

Im Resümee der verschiedenen Fallbeispiele aus den Städten wurde klar, dass angesichts der Abfolge aus Reurbanisierung und Suburbanisierung Städte mehr und mehr eine Drehscheibenfunktion für die gesamte Region übernehmen. Die Statistikerinnen und Statistiker kommen zu dem Schluss, dass nicht nur die Stadt, sondern die gesamte Stadtregion stärker in den analytischen Blick genommen werden muss.

Die Corona-Pandemie hat zudem Auswirkungen auf unser gesellschaftliches Zusammenleben. Die Städtestatistikerinnen und -statistiker beobachten das Zusammenleben in Quartieren und Nachbarschaften datenbasiert für die Politik und Verwaltung. Insbesondere in Großstädten laufen Initiativen, um das nachbarschaftliche Engagement zu stärken und zu fördern. Bürgerinnen und Bürger werden vielerorts dazu aufgerufen, in Befragungen und einer Vielzahl von neuen Beteiligungsformaten ihre Ansichten dazu und zu Aspekten der Stadtentwicklung einzubringen. Fragen des gesellschaftlichen oder nachbarschaftlichen Zusammenhalts datenanalytisch zu beobachten ist ein relativ neues Feld der Städtestatistik. Messinstrumente sind in den Städten noch individuell oder in Erprobung. Erste Erfahrungen mit Kennzahlen- oder indexbasierter Datenanalyse sowie Quartiersanalysen liegen in Stuttgart und Dortmund vor. Ein Ziel der Städtestatistik ist es, mit gemeinsam abgestimmten, passgenauen Indikatorensets die Politikberatung zu unterstützen.

Bei allen diesen Themen besteht für die Städtestatistik die Herausforderung, Daten so aufzubereiten und zu erklären, dass aus ihnen eine gute evidenzbasierte Politik abgeleitet werden kann. Die Kommunalverwaltungen benötigen eine kluge Datenstrategie und eine gute Datenkompetenz, um handlungs- und entscheidungsfähig zu bleiben und sich den zukünftigen Anforderungen zu stellen. Datenkompetenz beschreibt die Fähigkeit, Daten richtig zu bewerten und anzuwenden. Für den Anwenderkreis der kommunalen Entscheiderinnen und Entscheider startet die Städtestatistik daher eine Initiative für mehr urban statistical literacy. Welche Rolle die Städtestatistik auf dem Weg zu Datenstrategien und zu mehr Datenkompetenz in der kommunalen Politik und Verwaltung übernehmen kann, zeigt die erfahrene Datenexpertin Katharina Schüller in ihrem Keynotevortrag auf. Mit Zahlen richtig zu handeln ist die Devise – auf kommunaler Ebene und darüber hinaus.

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Dr. Jan Dohnke, Stadt Darmstadt, E-Mail: jan.dohnke@darmstadt.de, Tel. 06151-133202
Dr. Andrea Schultz, Stadt Leipzig, E-Mail: andrea.schultz@leipzig.de, Tel. 0341-1232821
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