Studie: Armut ist Barriere beim Online-Dating

Studie: Armut ist Barriere beim Online-Dating

Studie: Armut ist Barriere beim Online-Dating

Armut erschwert die Partnersuche (Bildquelle: in public domain)

Zusammenfassung

Die psychologische Dating-Plattform Gleichklang.de hat 1032 Mitglieder befragt und dabei, welche Resonanz finanziell mittellose Singles bei der Partnersuche erwarten können. Als mittellos galten dabei Personen, die auf Hartz-IV Niveau leben.

Es zeigte sich, dass 73 % der weiblichen Singles einen mittellosen Beziehungspartner ablehnten. Wesentlich offener gaben sich männliche Singles, von denen lediglich 32 % Ablehnung angaben.

Als wichtiger Einflussfaktor zeigte sich das eigene Einkommen: Die Aufgeschlossenheit für einen mittellosen Beziehungspartner war in der Umfrage umso geringer, desto mehr die Befragten verdienten.

Keinen Einfluss hatte demgegenüber der eigene Bildungsstand, das Alter oder die sexuelle Orientierung.

Die Umfrage identifizierte fünf Hauptvorbehalte gegen eine Beziehung mit einer mittellosen Person. Diese waren der Wunsch nach einem finanzielle unabhängigen Beziehungspartner, der Verweis auf die eigene Schuld an der Mittellosigkeit, die Befürchtung von Persönlichkeits-Defiziten, die Sorge um ein Macht-Ungleichgewicht in der Beziehung, sowie die Angst vor finanzieller Ausbeutung.

65 % derjenigen, die eine Beziehung mit einer mittellosen Person eigentlich ablehnen, gaben allerdings trotzdem an, es komme auf den Einzelfall an.

Psychologe Dr. Guido F. Gebauer, der die Online-Befragung durchführte, erläutert, dass nach diesen Umfrage-Ergebnissen die Partnersuche besonders für mittellose Personen, die eine weibliche Partnerin suchen, tatsächlich schwerer sei.

Grund zur Hoffnungslosigkeit bestehe aber nicht, weil es ebenso Menschen gebe, für die Mittellosigkeit kein Ausschlusskriterium sei oder für die es trotz kritischer Haltung dennoch auf den einzelnen Menschen ankomme.

Befragung

Gleichklang befragte ursprünglich 1044 Mitglieder befragt, unter ihnen 639 Frauen, 394 Männer und 12 non-binäre Personen im Alter von 18 bis 88 Jahren (Durchschnittsalter: 51 Jahre).

Die Antworten der nicht-binären Mitglieder wurden in die Auswertung nicht einbezogen, weil ihre Anzahl für eine aussagekräftige statistische Auswertung zu gering war.

Die Auswertungen stützen sich deshalb auf insgesamt 1032 Teilnehmende.

Die Mitglieder waren in der gleichen Umfrage ebenfalls zu ihren Einstellungen zu Covid-19 Pandemie befragt worden, wobei über diese Ergebnisse an anderer Stelle bereits berichtet wurde.

Die Befragung wurde im Zeitraum zwischen dem 08.05.2021 und dem 24.05.2021 durchgeführt und durch den Diplom-Psychologen Dr. Guido F. Gebauer ausgewertet.

Hauptergebnisse

Frauen deutlich ablehnender als Männer

– lediglich 27 % der befragten weiblichen Singles gaben an, für eine Beziehung mit einem mittellosen Beziehungspartner bereit zu sein.

– eine wesentlich höhere Akzeptanz für Mittelosigkeit wiesen demgegenüber männliche Singles auf, von denen 68 % eine Akzeptanz für eine Beziehung mit einer mittellosen Person bejahten.

Mehr Einkommen = mehr Ablehnung

Nach dem Geschlecht war das eigene Einkommen der stärkste Einflussfaktor: Je höher das eigene Einkommen der Befragten war, desto geringer war ihre Bereitschaft für eine Beziehung mit einer mittellosen Person. Dieser Einfluss des eigenen Einkommens zeigte sich bei Männern und bei Frauen:

– 81 % der befragten Männer mit unterdurschnittlichem Einkommen gaben an, zu einer Beziehung mit einer mittellosen Person bereit zu sein. Bei den durchschnittlich verdienenden Männern waren es 72 %, bei den überdurchschnittlich verdienenden Männern jedoch nur noch 59 %.

– bei den Frauen bejahten 48 % der Befragten mit unterdurchschnittlichem Einkommen die Akzeptanz für einen mittellosen Beziehungspartner. Bei durchschnittlichem Einkommen betrug die Akzeptanz bei den Frauen 23 % und sank bei überdurchschnittlichem Einkommen auf nur noch 18 % ab.

Kein Einfluss von Alter, Bildungsstand und sexueller Orientierung

Ein wachsender Bildungsstand ging mit einer minimalen Minderung der Akzeptanz für einen mittellosen Beziehungspartner einher. Dieser minimale Zusammenhang verschwand jedoch komplett, wenn für das eigene Einkommen kontrolliert wurde.

Der Bildungsstand hatte also keinen eigenständigen Einfluss auf die Bereitschaft zu einer Beziehung mit einer mittellosen Person.

Das Alter übte keinen Zusammenhang auf die Akzeptanz für einen mittellosen Beziehungspartner aus. Ältere und jüngere Singles zeigten eine vergleichbare Häufigkeit der Akzeptanz für einen mittelosen Beziehungspartner.

Es zeigten sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den sexuellen Orientierungen, wobei sich 88 % der Befragten als heterosexuell bezeichneten, 4 % als homosexuell und 8 % als bisexuell oder pansexuell.

Fünf Hauptvorbehalte

76,3 % derjenigen Personen, die eine Beziehung mit einer mittellosen Person ablehnten, gaben als Grund an, dass sie sich eine Beziehung mit einem finanziell unabhängigen Beziehungspartner wünschten.

– 65 % gaben an, dass Ausnahmen möglich seien, wenn die Person nicht selbst schuld an ihrer Mittellosigkeit sei.

– 50,1 % befürchteten ein ungünstiges Machtgefälle bei einer Beziehung mit einem mittellosen Partner.

– 36,3 % befürchteten finanzielle Ausnutzung oder finanzielle Belastungen.

– 30.4 % gaben an, dass sie sich Sorgen machten wegen möglicher Persönlichkeits-Defizite eines mittellosen Beziehungspartners.

Sehr viel seltener wurden diese fünf Vorbehalte von Personen geäußert, die eine Beziehung mit einer mittellosen Person grundsätzlich bejahten:

– 44,1 % gaben an, es komme auf die Ursachen der Mittellosigkeit und die eigene Schuld der betreffenden Person an.

– 24,9 % gaben an, dass Sie sich eine Beziehung zu einem finanziell unabhängigen Beziehungspartner wünschten.

– 10,2 % machten sich Sorgen bezüglich eines ungünstigen Machtgefälles.

– 7,1 % gaben an, es bestünde die Gefahr von finanzieller Ausnutzung oder finanzieller Belastung.

– 6,7 % befürchteten Persönlichkeits-Defizite bei einem mittellosen Beziehungspartner.

Vorbehalte wurden also sowohl von Personen geäußert, die eine Beziehung zu einer mittellosen Person ablehnten, als auch von Personen, die durchaus aufgeschlossen für eine solche Beziehung waren.

Alle Vorbehalte wurden jedoch von ablehnenden Befragten wesentlich häufiger geäußert als von aufgeschlossenen Befragten.

Vorbehalte bei Frauen und Männern

Alle fünf Vorbehalte wurden häufiger von Frauen als von Männern genannt:

– 68,7 % der Frauen, aber nur 31,0 % der Männer gaben an, sich einen finanziell unabhängigen Beziehungspartner zu wünschen.

– 61.0 % der Frauen, aber nur 48,3 % der Männer gaben an, es komme auf die Schuldfrage an.

– 41,0 % der Frauen, jedoch lediglich 20,1 % der Männer befürchteten eine ungünstige Machtdynamik.

– 29,1 % der Frauen, aber nur 15,5 % der Männer machten sich Sorgen, finanziell ausgenutzt oder belastet zu werden.

– 23,8 % der Frauen, jedoch lediglich 14,0 % der Männer erwarteten Persönlichkeits-Defizite bei einem mittellosen Beziehungspartner.

Resümee

Psychologe Gebauer berichtet, dass sich immer wieder bei Gleichklang partnersuchende Männer melden, die angeben, aufgrund einer schwierigen finanziellen Situation viel Zurückweisung zu erleben. Dies sei auch der Anlass für die aktuelle Umfrage gewesen.

Die Ergebnisse bestätigten nun, dass Singles mit stark unterdurchschnittlichem Einkommen tatsächlich bei vielen anderen Partnersuchenden auf Vorbehalte stoßen.

Besonders viele Vorbehalte gegen eine mittellose Person als Beziehungspartner würden von Frauen geäußert und zwar unabhängig von der sexuellen Orientierung. Insofern sei insbesondere die Partnersuche für mittellose heterosexuelle Männer und mittellose lesbische Frauen erschwert.

Demgegenüber hätten mittellose heterosexuelle Frauen oder mittellose homosexuelle Männer bei der Partnersuche weniger mit Vorbehalten zu kämpfen, da Männer im allgemeinen seltener Bedenken gegen eine Partnerschaft mit einer mittellosen Person hätten.

Für mittellose Bisexuelle sei die Partnersuche nur dann erschwert, wenn sich ihre Partnersuche auch oder nur auf Frauen beziehe.

Während Alter, sexuelle Orientierung und Bildungsstand keine Rolle für das Vorhandensein von Vorbehalten gegenüber mittellosen Beziehungspartnern spielten, sei das Einkommen ein wichtiger Faktor. Je höher das eigene Einkommen sei, desto häufiger werde eine Beziehung mit einer mittellosen Person abgelehnt. Vermutlich beruhe dies auch auf dem Streben nach einem ähnlichen Beziehungspartner.

Hauptgründe für die Ablehnung eines mittellosen Beziehungspartners seien das Streben nach einem finanziell unabhängigen Beziehungspartner, ohne für die Versorgung aufkommen oder Unternehmungen einschränken zu müssen, die Ablehnung von Beziehungspartnern, die selbst schuld an der eigenen Mittellosigkeit seien, die Befürchtung eines ungünstigen Machtgefälle in der Beziehung, die Angst, finanziell ausgebeutet oder belastet zu werden, sowie die Annahme von Persönlichkeits-Defiziten, wie Willensschwäche oder Antriebslosigkeit.

Diese Bedenken könnten durchaus auch bei Personen auftreten, die grundsätzlich gegenüber einer Beziehung mit einer mittellosen Person ausgeschlossen seien. Viel häufiger seien die Bedenken aber bei Personen, die eine Beziehung mit einer mittelosen Person ablehnten.

Der zweihäufigste Vorbehalt, der sich auf die Frage der Schuld beziehe, falle aus der Reihe, da dieser Vorbehalt gleichzeitig die Ablehnung im Einzelfall relativieren könne:

Der Vorbehalt bestehe vorwiegend gegenüber einer Beziehung mit einer mittellosen Person, die für ihre Mittellosigkeit selbst verantwortlich sei. Umgekehrt bedeute dies, dass im Einzelfall eine Beziehung mit einer unverschuldet mittellosen Person möglich sein könnte.

Zwar spiegele diese Ansicht deutliche Vorbehalte gegen Mittellosigkeit und eine Tendenz zur Schuldzuweisung wider, reduziere aber gleichzeitig die Absolutheit der Ablehnung und lasse insofern individuelle Erwägungen zu.

Gebauer rät mittellosen Singles, sich nicht entmutigen zu lassen, sondern ihre Partnersuche optimistisch und selbstbewusst anzugehen.

Wichtig sei, nicht den Eindruck von Willensschwäche oder Antriebslosigkeit zu vermitteln, sondern deutlich zu machen, dass Mittellosigkeit keineswegs die gesamte Person ausmache, sondern sich ausschließlich auf die aktuelle finanzielle Situation beziehe.

Hilfreich könne es ebenfalls sein, darzustellen, dass trotz Mittellosigkeit eine finanzielle Unabhängigkeit angestrebt werde und vom Beziehungspartner nicht erwartet werde, in die Versorgerrolle zu treten.

Wichtig sei es aber auch, sich ein etwas dickeres Fell zurechtzulegen und mögliche Ablehnungen wegen der eigenen finanziellen Situation nicht persönlich zu nehmen. Schließlich gehe es darum, eine echte Liebesbeziehung zu begründen, die ohnehin mit einer Person schwer möglich sein dürfte, die von vornherein starke Vorbehalte habe.

Partnersuchenden Singles mit durchschnittlichem oder überdurchschnittlichem Einkommen rät Gebauer zu mehr Offenheit. Ein Mensch reduziere sich nicht auf sein Einkommen. Eine Passung der Werthaltungen und Beziehungsmodelle sei auch zwischen Menschen mit unterschiedlichen Einkommensklassen möglich. Diese Passung der Werthaltungen sei für eine glückliche Beziehung wichtiger als eine Passung der Einkommen.

Für alle Partnersuchenden gelte die Empfehlung, ehrlich und offen miteinander zu sprechen und dabei auch die Finanzplanung mit einzubeziehen.

Weitere Details, Ergebnisse und Balkendiagramme zur Untersuchung werden in diesem aktuellen Artikel im Psychologie-Blog von Gleichklang beschrieben.

Gleichklang.de ist eine psychologisch ausgerichtete Kennenlernplattform, die seit 2006 im internet ihre Dienste anbietet. Gleichklang wendet sich an Menschen mit sozial-ökologischen Denkweisen. Gleichklang hat sich zusätzlich darauf ausgerichtet, Personen mit besonderen oder seltenen Merkmalen bei ihrer Partnersuche und Freundschaftssuche zu unterstützen. Es gibt nur kostenpflichtige Teilnahmen, um eine hohe Datei-Qualität zu gewährleisten. Die Mitgliederanzahl beträgt etwas über 21000.

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