Welche Auswirkungen hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Steuerzinsen?

Welche Auswirkungen hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Steuerzinsen?

Welche Auswirkungen hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Steuerzinsen?

Der neue Zinssatz wird bis zum 31.07.22 bekannt gegeben (Bildquelle: Andrey Popov/stock.adobe.com)

Zinsen gibt es für Sparer seit der Finanzkrise kaum mehr. Beim Finanzamt war das bisher anders. Hier wurden noch üppige sechs Prozent p.a. gezahlt und einkassiert. Damit ist Schluss. Dieser überhöhte Zinssatz lässt sich nicht mehr rechtfertigen, so das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Infolgedessen müssen alle noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide ab dem Jahr 2019 von den Finanzämtern nachkorrigiert werden. Allerdings steht der neue Zinssatz noch nicht fest und lässt auf sich warten. Wer bei seiner Nachzahlung den Vollzug aussetzen ließ, muss sich nun auf die Nachzahlung der Zinsen bis Dezember 2018 gefasst machen. Zinsen ab 2019 bleiben weiter ausgesetzt. Ein aktuelles Schreiben des Bundesfinanzministeriums, das seit Ende September abrufbar ist, regelt die Umsetzung des Gerichtsurteils für die Finanzämter.

Warum werden überhaupt Steuerzinsen fällig?

Die Verzinsung ist für den Zeitraum zwischen der Entstehung der Steuer und ihrer Festsetzung vorgesehen. Sie betrifft die Einkommen-, Gewerbe-, Körperschaft-, Umsatz- und Vermögenssteuer. Die Einkommensteuerschuld beispielsweise entsteht mit Ablauf eines jeden Kalenderjahres, obwohl monatliche Vorauszahlungen geleistet werden. Die endgültige Festsetzung durch das Finanzamt erfolgt jedoch später, nach Abgabe der Steuererklärung. Liegen mehr als 15 Monate dazwischen, beginnt der Zinslauf für die Wartezeit auf das Geld. Der Grund für die lange Wartezeit spielt dabei keine Rolle.

Die Zinsen haben die Funktion, entgangene Gewinne am Kapitalmarkt auszugleichen, die in der Wartezeit auf die Steuerfestsetzung mit dem Geld hätten erzielt werden können. Mit Strafzinsen hat das nichts zu tun. Als Zinssatz wurde von den Finanzämtern bislang 0,5 Prozent für jeden vollen Monat zugrunde gelegt. Das entspricht ganzen sechs Prozent im Jahr. Dieser Zinssatz stammt aus dem Jahr 1961. Er ist in der Abgabenordnung hinterlegt. Doch in dieser Höhe ist am Kapitalmarkt schon lange nichts mehr zu erzielen. Diese sechs Prozent sind seit langem realitätsfern.

Was besagt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts?

Das Bundesverfassungsgericht erklärte den Zinssatz angesichts der lange anhaltenden Niedrigzinsperiode für überhöht und ab 2014 als nicht mehr mit dem Grundgesetz vereinbar. Dennoch ordneten die Karlsruher Richter keine rückwirkende Zinskorrektur für die Jahre 2014 bis 2018 an. Dies ist dem damit verbundenen enormen bürokratischen Arbeitsaufwand geschuldet. Der neue Zinssatz ist erstmalig ab dem 01.01.2019 für Steuernachzahlungen und -erstattungen rückwirkend anzuwenden.

Wie hoch wird der neue Zinssatz sein?

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat dem Gesetzgeber keinen neuen Zinssatz vorgegeben. Dies ist Aufgabe der künftigen Bundesregierung. Daher wurde das Bundesfinanzministerium verpflichtet, bis Ende Juli 2022 den Zinssatz verfassungsgemäß neu festzulegen.

Wie geht es für die Steuerzahler weiter?

Auf inzwischen bestandskräftige Bescheide wirkt sich der neue Zinssatz nicht mehr aus. Hier ist also nichts zu erwarten. Viele Steuerbescheide aus den vergangenen Jahren sind aber noch offen. Zum einen, weil viele Steuerzahler fristgerecht Einspruch gegen den Zinssatz erhoben haben, zum anderen, weil die Finanzbehörden aufgrund der laufenden Verfahren seit Mai 2019 die Zinsen mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen haben.

Offene Steuerbescheide, die Zinsen ab 2019 erhalten, werden nachträglich abgeändert, sobald der neue Zinssatz feststeht. Bis dahin werden sie liegen gelassen. Beantragte Aussetzungen der Zinsvollziehung bleiben so lange bestehen, bis der neue Zinssatz feststeht. Aussetzungszinsen entstehen dabei ausnahmsweise nicht. Wird eine Steuererklärung für das Jahr 2019 oder früher erst jetzt eingereicht, wird die Festsetzung von Zinsen sowohl für den Erstattungs- als auch Nachzahlungsfall erstmal ausgesetzt. Sie wird ebenfalls nachgeholt, wenn der neue Zinssatz steht.

Getätigte Einsprüche gegen den Zinssatz für die Steuerjahre 2014 bis einschließlich 2018 werden jetzt als unbegründet zurückgewiesen. Steuerzahler, die auf Antrag hin erfolgreich Zinszahlungen ausgesetzt haben, sind nun quasi gekniffen. Denn die Aussetzung der Zinsvollziehung wird jetzt aufgehoben und die Zinszahlungen für die vergangen Jahre fällig. Das bedeutet, dass bis einschließlich für das Jahr 2018 die sechsprozentigen Zinsen nachzuzahlen sind.

Wer profitiert von der Zinsänderung?

Im Falle von Erstattungszinsen konnten sich in der Vergangenheit die Steuerzahler über die hervorragende Verzinsung freuen. Mit der prächtigen Verzinsung beim Fiskus ist künftig Schluss. Wer ab dem 01.01.2019 noch die sechs Prozent bekommen hat, muss noch eine Rückzahlung fürchten, wenn der Bescheid noch vorläufig ist. Wie das die Finanzämter handhaben, ist noch ungewiss. Es wird nämlich darüber diskutiert, ob hier ein Vertrauensschutz besteht und die Erstattungszinsen behalten werden dürfen. Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass von Rückzahlungsforderungen abgesehen wird.

Im anderen Fall hat der Fiskus bisher profitable Geschäfte gemacht und die öffentlichen Haushaltskassen befüllt. Von Milliarden auf Kosten der Steuerzahler ist hier die Rede. Insofern können alle Steuerpflichtigen, die eine ab 2019 verzinste Steuernachzahlung leisten mussten, aufatmen. Sie bekommen nach Festlegung des neuen Zinssatzes die Zinsdifferenz zurückgezahlt. Vorausgesetzt, der Bescheid ist noch offen.

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